OGH 13Os140/93

OGH13Os140/9326.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Jänner 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael R***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 21.April 1993, GZ 15 Vr 913/91-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Steflitsch, jedoch in Abwesenheit de Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch zu Punkt 1. des Urteilssatzes aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Der am 28.Mai 1932 geborene Finanzbeamte und Bürgermeister der Stadtgemeinde O***** Michael R***** wurde mit dem angefochtenen Urteil von der gegen ihn wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB erhobenen Anklage gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Ihm lag zur Last, in O***** als Bürgermeister der Stadtgemeinde und somit Beamter seine Befugnis, im Namen der Gemeinde (im eigenen Wirkungsbereich) als Baubehörde erster Instanz in Vollziehung des Gesetzes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mit dem Vorsatz mißbraucht zu haben, andere, insbesondere die Republik Österreich, das Land Burgenland und die Stadtgemeinde O*****, in ihren Rechten zu schädigen, indem er

1. zu einem nicht mehr genau festzustellenden Zeitpunkt im Dezember 1986 den Bauwerbern "O***** Bauträger GesmbH" und "*****Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft m.b.H.-P*****" sowohl in dem (irrtümlich) mit 16. Oktober 1986 datierten Bescheid über die Bauplatzerklärung, Zl 1367/1986, als auch im Baubewilligungsbescheid (irrtümlich datiert mit 20.Oktober 1986) betreffend eine Wohnhausanlage und Bürogebäude in der Schulgasse 34-36 (Zl 1367/1-1986) entgegen dem § 3 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung eine um 25 % überhöhte bauliche Ausnützung der Grundfläche für die zum größten Teil im Bauland-Wohngebiet befindliche Wohnhausanlage bewilligte;

2. es in der Zeit von Oktober 1988 bis September 1991 unterließ, eine von Monika und Karl T***** gegen den in Punkt 1. angeführten Baubewilligungsbescheid eingebrachte Berufung dem Gemeinderat der Stadtgemeinde O***** zur Entscheidung vorzulegen;

3. trotz der im Punkt 2. angeführten anhängigen Berufung gegen die Erteilung der Baubewilligung betreffend die Wohnhausanlage in der Schulgasse 34-36

a) am 18.August 1989 einen Benützungsbewilligungsbescheid für den Bauteil I und

b) am 31.Jänner 1991 einen solchen für den Bauteil II erließ.

Rechtliche Beurteilung

Die Anklagebehörde bekämpft diesen Freispruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und bemängelt zunächst berechtigtermaßen die Begründung des Freispruchs zu 1. als unvollständig, in sich widersprüchlich und (offenbar) unzureichend.

In Übereinstimmung mit dem Burgenländischen Baurecht hat das Erstgericht festgestellt, daß die vom Angeklagten als Baubehörde

1. Instanz erlassenen Bescheide über die Bauplatzerklärung und die Baubewilligung (S 415 ff, 425 ff/I) rechtswidrig sind. Es konnte sich dabei auf den § 3 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung (vom 15. Dezember 1969, idF der LGBl 13/1970, 20/1981, 43/1982, 9/1984 und 62/1986) stützen, wonach die zum Bauplatz erklärte Grundfläche bei einer (hier gegebenen) nicht geschlossenen ("sonstigen") Bebauungsweise (§ 4 lit a leg.cit.) bis zu 30 % bebaut werden durfte, "sofern im Bebauungsplan bzw Teilbebauungsplan nichts anderes bestimmt ist" (§ 22 Abs. 3 des Burgenländischen Raumordnungsplanungsgesetzes vom 20.März 1969, LGBl Nr 18/1969, idF LGBl 33/1971, 5/1974, 20/1981, 48/1969 und 11/1980). Ein solcher Bebauungs- bzw Teilbebauungsplan ist vom Gemeinderat der Stadtgemeinde O***** nicht erlassen worden. Auch der nur für Wohngebiete gültige § 22 Abs. 3 Raumplanungsgesetz (Zitat des § 14 Abs. 3 lit a) sieht "im allgemeinen" ebenfalls bei offener Bauweise nur eine Verbauung zu 30 % vor und weist überdies auf die notwendige Gewährleistung eines ausreichenden Maßes an Licht, Luft und Sonne hin.

Auch durch die vom Amt der Burgenländischen Landesregierung erteilte Rechtsauskunft vom 25.Mai 1990 (S 563 f/I) ist für den vorliegenden Fall nichts gewonnen, weil fürdie dort genannte Möglichkeit einer größeren Bebauungsdichte (insbesondere ein ausreichendes Maß an Licht, Luft und Sonne) in den Tatsachenfeststellungen der Bescheide jegliche Grundlage fehlt (siehe auch Zeugenaussage Dr.B*****, ON 21). Die Rechtsansicht, bei einer teilweisen Widmung als Geschäftsgebiet (§ 14 Abs. 3 lit c des Raumplanungsgesetzes) sei in der Bauordnung eine Begrenzung der Bebauungsdichte überhaupt nicht vorgesehen und es herrsche "Baufreiheit", ist vorliegend ebenfalls ohne Belang, weil nach den aktengetreuen Urteilsfeststellungen der Bau ganz überwiegend im Bauland-Wohngebiet (lit a leg.cit.) erfolgte (US 4, 13).

Das Erstgericht hat seiner aktengetreuen Feststellung, der Angeklagte sei vom zuständigen Fachbeamten G***** und dem Amtssachverständigen U***** auf die unzulässige Bebauungsdichte in den Ansuchen der Bauwerber hingewiesen worden (US 5, 6) widersprechend gleichwohl einen wissentlichen Befugnismißbrauch mit der Begründung verneint, der Angeklagte habe abweichende Rechtsansichten vertreten, wobei er sich vor allem auf jene des Zeugen Hofrat Dr.S*****, wonach die Baubehörde bei Fehlen eines Bebauungsplanes berechtigt sei, die Bebauungsdichte individuell und abweichend von den vorgezeichneten starren Werten auch in einem höheren Ausmaß festzusetzen, stützte (US 6).

Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht das Fehlen von Feststellungen, wann eine derartige Information durch Dr.S***** erfolgt wäre. Entscheidungsrelevant könnte vorliegendenfalls nur eine vor der Tat (Dezember 1986) gelegene sein, die überdies geeignet war, den an sich klaren Gesetzestext und die Auskünfte der Fachbeamten zu widerlegen. Der Angeklagte hat eine derartige Beratung nicht behauptet (S 458/III), sondern sich nur auf verschiedene Rechtserörterungen berufen, nachdem er durch die politische Kampagne gegen seinen Bescheid verunsichert war. Die zitierte Rechtsauskunft durch das Amt der Burgenländischen Landesregierung erfolgte am 25.Mai 1990, somit geraume Zeit nach der Bescheiderlassung und nimmt auf den konkreten Sachverhalt nicht Bezug. Der Hinweis des Urteils auf andere Rechtsmeinungen reicht bei der durch die rechtlichen Vorschriften und die zugegebenen ausdrücklichen Warnungen des Fachbeamten G***** und des Amtssachverständigen U***** geschaffenen Lage ohne entsprechende Konkretisierung zur Verneinung der Wissentlichkeit nicht aus, zumal auch keineswegs festgestellt wurde, in welcher Weise (schriftlich oder dem Angeklagten gegenüber mündlich), der Zeuge Dr.S***** seine Rechtsmeinung unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Falles (Bebauung einer überwiegend als Wohngebiet gewidmeten Grundfläche) gegeben haben soll. Weder seinen Angaben im Vorverfahren (ON 12) im Zusammenhang mit dem dort vorgelegten Beitrag für das Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft O*****, noch in der Hauptverhandlung (S 529 ff/III) und seinen Ausführungen in dem von ihm verfaßten Kommentar zur Burgenländischen Bauordnung (Prugg-Verlag 1988) und der in der Hauptverhandlung vorgelegten Publikationen ist ein konkreter Bezug auf den inkriminierten Bescheid und dessen Grundlagen zu entnehmen. Seine Aussage in der Hauptverhandlung legt zwar die rechtliche Problematik bei Fehlen eines Bebauungsplanes dar, setzt sich aber mit den Besonderheiten des vorliegenden Falles (überwiegend Wohngebiet) überhaupt nicht auseinander und enthält insbesondere keinen Hinweis auf eine Beratung des Bürgermeisters vor Erlassung der inkriminierten Bescheide. Dies übersehen im Kern auch die Ausführungen des Angeklagten zur Stellungnahme der Generalprokuratur.

Die allgemeinen Ausführungen des Erstgerichts, eine wissentliche Rechtsverletzung könne beim Angeklagten angesichts des günstigen persönlichen Eindrucks und der Nachteile, die er durch die im Bescheid offengelegte unzulässige Überschreitung der Bebauungsdichte befürchten mußte, nicht angenommen werden, können im Hinblick auf die durch die baurechtlichen Vorschriften geschaffenen Lage und der ihm von kompetenter Seite zugegangenen Warnungen für sich allein keine tragfähige Stütze für die Ablehnung der Wissentlichkeit bilden. Das hat auch das Erstgericht erkannt, indem es dazu weiters auf die Meinungen "von mit Bausachen des Bundeslandes Burgenland" befaßten Juristen verwies (US 14). Ohne die Einholung einer die Meinung der Sachbeamten entkräftenden Rechtsauskunft vor Tatbegehung aber, bleibt damit die lediglich auf den persönlichen Eindruck des Angeklagten gestützte Ansicht des Erstgerichts, er habe nicht wissentlich gehandelt, vorliegend ohne ausreichende Begründung. Sein Freispruch ist in diesem Punkt deswegen mit den behaupteten Mängeln behaftet und somit nichtig.

Hingegen versagt die Nichtigkeitsbeschwerde in Ansehung der Freispruchsfakten 2. und 3, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt:

Im Hinblick auf die unterbliebene Vorlage der Berufung von Monika und Karl T***** an den Gemeinderat ist zwar davon auszugehen, daß auch im Verwaltungsverfahren über Berufungen (wie über andere Anträge von Parteien) ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden ist und ein "Liegenlassen" oder "Zuwarten" auf die allfällige Rückziehung des Rechtsmittels (vgl Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, zu § 73 AVG) die Entscheidungspflicht der Behörde verletzt. Der den Parteien dagegen eingeräumte wirksame Behelf ist allerdings die Säumnisbeschwerde. Ein Zuwarten im Einverständnis mit dem Berufungswerber bis zur Erfüllung von diesem gestellter Bedingungen für deren allfällige Rückziehung ist daher nicht geeignet, die hier ausschließlich als andere im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB in Betracht kommenden Berufungswerber in ihren Rechten zu schädigen. Die im Anklagesatz angenommene Schädigung der Gebietskörperschaft betrifft im gegebenen Zusammenhang nur deren abstrakten Anspruch auf eine korrekte und saubere Verwaltung, jedoch kein konkretes Recht im Sinne des § 302 StGB (Mayerhofer-Rieder, StGB3, E 47, 48 zu § 302). Damit mangelt es diesfalls schon objektiv an der Verwirklichung des Tatbestandes, weshalb es auf den (vom Erstgericht verneinten) Schädigungsvorsatz des Angeklagten nicht (mehr) ankommt. Die sich gegen die Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite als widersprüchlich und offenbar unzureichend wendende Nichtigkeitsbeschwerde geht somit fehl.

Dies gilt gleichermaßen für den Freispruch vom Vorwurf der mißbräuchlichen Erteilung der Benützungsbewilligung trotz fehlender Rechtskraft der Baubewilligung (3.). Die Benützungsbewilligung (wie die Bauführung überhaupt) setzt zwar grundsätzlich Rechtskraft der Baubewilligung voraus. Im vorliegenden Fall haben jedoch Monika und Karl T***** als sogenannte "übergangene Nachbarn" (vgl Krzizek, System des Österr.Baurechtes unter § 15) mangels Beteiligung an der Bauverhandlung ihre Berufung erst am 13.Oktober 1988 erhoben und damit nur die Mangelhaftigkeit der Bauverhandlung geltend gemacht (US 7), nicht aber sogleich ihre Einwendungen gegen die Baubewilligung substantiiert und ihr Berufungsrecht damit verbraucht (Hauer-Leukauf, aaO, E 7 zu § 37). Sie ergänzten und präzisierten ihr Rechtsmittel erst am 23.April 1990 (US 7). Das nachträgliche Auftreten eines übergangenen Nachbarn berührt jedoch nicht die Rechte des Bauführers aus der Baubewilligung (Krzizek, aaO, S 147 f). Dies läßt zwar die im Urteil festgestellte, von der Anklage jedoch nicht erfaßte und auch wirkungslos gebliebene bescheidmäßige Baueinstellung durch den Angeklagten zweifelhaft erscheinen, nicht aber die Benützungsbewilligung hinsichtlich eines fertiggestellten Baues, deren Versagung wegen einer (aussichtslosen) Berufung angesichts der damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteile für Bauführer und Erwerber der Wohnungen nicht ernstlich in Betracht gezogen werden konnte. Auch in diesem Punkt fehlt es daher schon an der objektiven Verwirklichung des Tatbildes, ohne daß es auf die als Freispruchsgrund herangezogene und von der Berufungswerberin bekämpfte Verneinung der subjektiven Tatseite angekommen wäre.

Somit war wie im Spruch zu erkennen.

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