Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde Karl G***** mit dem angefochtenen Urteil je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
zwischen Frühjahr und Sommer 2002 in Z*****
(I) versucht, die am 29. Juni 1991 geborene, sohin zum Tatzeitpunkt unmündige Tanja H***** durch Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, indem er, als sie auf dem Bett lag, ihre Hose und ihre Unterhose bis zu den Knöcheln herunterzog, sich auf sie legte, sie so mit seinem Körpergewicht auf das Bett drückte und mehrmals danach trachtete, mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil Tanja H***** sich mit Händen und Füßen dagegen zur Wehr setzte;
(II) durch die zu I geschilderte Tat versucht, mit einer unmündigen Person den Beischlaf zu unternehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 5a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Der Beantwortung der Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit von Zeugen aufgrund des persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Dabei handelt es sich nämlich um keine entscheidende Tatsache (weil kein gesetzliches Tatbild darauf abstellt), vielmehr um beweiswürdigende Erwägungen, die - wenn nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) - nur Gegenstand einer gegen kollegialgerichtliche Entscheidungen unzulässigen Schuldberufung sein könnten. Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit stellen nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft.
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann jedoch unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür müssen aber die die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f).
Die Rüge des Angeklagten zeigt demgegenüber mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich „mit den eklatanten Widersprüchen in den Aussagen der Zeuginnen S*****, N***** und auch des angeblichen Opfers selbst nicht gehörig auseinandergesetzt“, „indem es sämtliche Ungereimtheiten und gravierend widersprüchliche Aussagen lapidar damit begründet, dass diese Widersprüche lediglich auf unbedenkliche Verwechslungen zurückzuführen seien“, keinen Begründungsmangel (Z 5) auf, sondern erschöpft sich insgesamt in einer - wie dargelegt hier unzulässigen - Anfechtung der Beweiswürdigung.
Den Angaben der Zeugin Daniela S***** zu aggressivem Verhalten des Angeklagten ihr gegenüber sind die Tatrichter ohnedies nicht gefolgt (US 16 f). Diese Angaben beziehen sich ebenso wenig auf entscheidende Tatsachen wie die Aussage der Genannten zu einer Verhaltensänderung des Opfers nach der Tat.
Mit dem Widerspruch in der Aussage der Petra N***** zu der erneut nicht entscheidenden Tatsache, wann sie von der Tat Kenntnis erlangt hat, hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt (US 14 f). Der Umstand, dass die Zeuginnen S***** und N***** nicht schon anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmungen, sondern erst in der Hauptverhandlung von Andeutungen der Tanja H***** zu einem sexuellen Übergriff auf eine Freundin berichteten, war im Sinn des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erörterungsbedürftig.
Der weiteren Rüge zuwider hat sich der Schöffensenat mit jenen Angaben der Tanja H*****, die mit dem konstatierten Tatzeitpunkt nicht in Einklang zu bringen sind, auseinandergesetzt (US 11) und ohnedies festgestellt, dass der Angeklagte Ende Juli 2003 eine Ansichtskarte von Tanja H***** und Manuel G***** erhalten hat (US 8). Da der Text dieser Ansichtskarte keine entscheidende Tatsache betrifft, geht die Reklamation eines „Feststellungsmangels“ (der Sache nach Z 9 lit a) zufolge unterbliebener Konstatierungen zum „Inhalt dieser Postkarte“ ins Leere. Auch unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall konnte die Wiedergabe des Textes in den Entscheidungsgründen unterbleiben (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz des Art 6 Abs 2 MRK wird keiner der von Z 5 bezeichneten Fehler behauptet (RIS-Justiz RS0117445) und mit dem Vorwurf, das Erstgericht hätte weitere Ermittlungen durchführen müssen, nicht dargelegt, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, eine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen, um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (RIS-Justiz RS0115823).
Soweit die Rüge den tatrichterlichen Erwägungen bloß eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, bekämpft sie - im Übrigen auch ohne Angabe entsprechender Fundstellen im Aktenmaterial (RIS-Justiz RS0124172) - bloß die Beweiswürdigung.
Indem die Rüge (der Sache nach Z 5 dritter Fall) einen Widerspruch zur Ursache der - jedenfalls als unfreiwillig festgestellten - Tataufgabe durch den Angeklagten in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; nämlich die überraschende Heimkehr der Schwester des Opfers; US 5 f) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO; nämlich die Gegenwehr des Opfers) behauptet, spricht sie keine entscheidende Tatsache an.
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Demgegenüber zeigt das Vorbringen, die Feststellungen, wonach es Ende des Jahres 2003 zum endgültigen Abbruch der Beziehungen zwischen dem Angeklagten und Petra N***** und deren Familien kam und „zu der von Daniela S***** behaupteten Wegweisung meiner Person im Rahmen einer angeblichen Polizeiintervention“, seien „aktenwidrig“, keinen solchen Begründungsmangel auf.
Z 5a will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Mit der Behauptung in sich widersprüchlicher Aussagen sämtlicher Zeuginnen und dem Verweis auf die diesbezüglichen Ausführungen der Mängelrüge werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken geweckt.
Gegenstand einer Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamiert und dabei jene Feststellungen übergeht, wonach der Angeklagte gerade nicht freiwillig, sondern aus Angst vor Entdeckung von seinem Opfer nach dessen Gegenwehr abgelassen hat (US 5 f), verfehlt sie den Bezugspunkt.
Die Sanktionsrüge (Z 11) wendet ein Überwiegen von Milderungsgründen und wesentlich geringere Strafen in ähnlichen Fällen ein und orientiert sich solcherart nicht an den Kritierien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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