OGH 13Os140/05w

OGH13Os140/05w15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marco P***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gemäß § 494a StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marco P***** des Verbrechens (richtig der Verbrechen) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.) und des Vergehens der Kindesentziehung nach § 195 Abs 1, 2 und 3 (richtig Abs 1 und 2) StGB (II.) schuldig erkannt. Danach hat er

I. mit einer unmündigen Person, nämlich mit der am 24. April 1991 geborenen Jasmine D*****, in mindestens 10 Angriffen den Beischlaf unternommen, und zwar:

1. zu nicht näher bekannten Zeitpunkten in den Sommerferien 2004;

a) in der Wohnung ihrer Mutter in Mettersdorf bei St. Andrä im Lavanttal;

b) an einem nicht bekannten Ort im Bezirk Wolfsberg;

  1. 2. am 10. September 2004 in einem Wald bei Lavamünd;
  2. 3. zwischen 10. und 16. Oktober 2004 während des gemeinsamen Aufenthaltes in Szombathely (Ungarn) und an weiteren, nicht bekannten Orten in mindestens sieben Angriffen;

    II. in der Zeit vom 10. bis 16. Oktober 2004 in Ungarn die unmündige Jasmine D***** dadurch der erziehungsberechtigten Pflegemutter Marietta P***** entzogen, indem er Jasmine D***** veranlasste, mit ihm in seinem PKW nach Ungarn (Szombathely) und Kroatien zu fahren und sich mehrere Tage dort aufzuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

In der Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt der Beschwerdeführer die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen A***** Karoy und A***** Karoyne zum Beweis dafür, dass Jasmin D***** auch in Bezug auf die Unterbringung in Ungarn die Unwahrheit gesprochen hat, weil sie und der Angeklagte in getrennten Zimmern genächtigt haben und weiters dafür, dass es in Ungarn gar nicht möglich war, dass Marco P***** mit der Unmündigen Geschlechtsverkehr hatte (S 35 f und 48/II). Wie bereits im abweisenden Beschluss des Schöffensenates ausgeführt (S 49/II), könnten diese beiden Zeugen nach dem Antragsvorbringen lediglich darüber Auskunft geben, dass dem Rechtsmittelwerber und der Unmündigen getrennte Zimmer zugewiesen wurden. Hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Tatsache, dass die Beiden ein gemeinsames Zimmer benutzt haben, um dort geschlechtlich miteinander zu verkehren fehlen dem Antrag jegliche Ausführungen, dass diese Zeugen dies ausschließen könnten.

Auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde neu vorgebrachten Gründe für diese Beweiserhebung war nicht weiter einzugehen, weil die Berechtigung des Beweisantrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Da Jasmine D***** in ihrer kontradiktorischen Vernehmung lediglich angab, dass sie mit dem Nichtigkeitswerber gemeinsam ein Zimmer „gehabt" habe (S 115/I), könnte auch durch den Beweis der Zuteilung von zwei getrennten Zimmern in Ungarn die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin nicht erschüttert werden, sodass auch insoweit das Beschwerdevorbringen ins Leere geht.

Auch die beantragte Beiziehung eines weiteren psychologischen Sachverständigen (S 36, 48 f/II) wurde vom Erstgericht zu Recht abgewiesen, legte doch der Antragsteller nicht dar, weshalb es trotz des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens der Aussagepsychologin Dr. Isabella S***** (S 15 ff/II) einer weiteren Expertise iSd §§ 125 f StPO bedurft hätte, zumal der Beschwerdeführer selbst die Ausführungen der aussagepsychologischen Sachverständigen in keinem Punkt in Zweifel zieht. Das Gutachten des psychiatrischen - fachliche Kompetenzen auf dem Gebiet der Aussagepsychologie ausdrücklich verneinenden (S 33 f/II) - Sachverständigen, welches zwar Störungen der Persönlichkeitsentwicklung der Zeugin Jasmine D***** attestiert, ohne dass dadurch deren Aussagefähigkeit oder Aussagetüchtigkeit beeinträchtigt worden wäre, vermag solche Widersprüche iSd §§ 125 f StPO nicht zu begründen.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider berücksichtigten die Tatrichter die Angaben der Zeuginnen Birgit Sch***** und Marietta P***** in ihrer Gesamtheit; der Rechtsmittelwerber versucht demgegenüber lediglich andere Schlüsse daraus zu ziehen, als das Erstgericht, ohne damit aber einen Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen. Der nach der ersten Anzeige gegen den Angeklagten wegen des Verdachts unerlaubter sexueller Kontakte von der obsorgeberechtigten Bezirkshauptmannschaft in Auftrag gegebene (vgl S 21/I iVm S 45/I) und mit einer sexuellen Aufklärung der Unmündigen verbundene (vgl S 22/II) gynäkologische Befund des Dr. Edgar Sch***** vom 21. September 2004 (S 45/I) bedurfte im Rahmen der gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner näheren Erörterung, zumal aus dem dort festgehaltenen „unauffälligen altersentsprechenden gynäkologischen Untersuchungsbefund" der Rüge zuwider keinesfalls zwingend abzuleiten ist, dass die damals 13 Jahre alte Jasmine D***** vor diesem Untersuchungszeitpunkt keinen Geschlechtsverkehr hatte.

Die Widersprüche in den Vernehmungen der Zeugin Jasmine D***** wurden vom erkennenden Gericht eingehend gewürdigt (US 11 ff), sodass von einer unzureichenden bzw unvollständigen Begründung keine Rede sein kann.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen zur Mängelrüge, ohne damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Auch die eine Unterlassung der amtswegigen Vernehmung des Zeugen Dr. Edgar Sch***** reklamierende Aufklärungsrüge versagt, legt doch der Nichtigkeitswerber nicht dar, weshalb er an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung (insbesondere nach Erörterung dieses in Bezug auf vorangegangene geschlechtliche Kontakte nicht problematisierten Attests - vgl S 22/II) zu seinen im Verfahren nie geäußerten Schlussfolgerungen aus dem Befund vom 21. September 2004 gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet einen fehlenden Antrag zur Strafverfolgung (§ 195 Abs 3 StGB iVm § 2 Abs 4 StPO). Obgleich im Tenor zum Schuldspruch II. nur die erziehungsberechtigte Pflegemutter Marietta P***** genannt ist, stellte das Schöffengericht fest, dass der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg das Obsorgerecht (und damit auch ihr die Erziehungsberechtigung - § 144 ABGB; vgl Markel in WK2 § 195 Rz 12) über diese Unmündige zukommt (US 5; vgl auch S 25, 37/I, 45/II). Bei mehreren Erziehungsberechtigten genügt der Antrag eines von ihnen (vgl Markel in WK2 § 195 Rz 27; 9 Os 7/80, SSt 51/11). Die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg stellte aber mit Schreiben vom 5. November 2004 ausdrücklich einen Antrag auf Verfolgung des Marco P***** nach § 195 StGB (vgl S 37/I). Der Einwand des Beschwerdeführers geht daher nicht von gesamten Urteilsinhalt aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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