Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 16. Februar 1999, GZ 12 EVr 522/98-126, verletzt im Ausspruch, S***** A***** habe die ihm zu Punkt 1 angelastete, gemäß § 223 Abs 2 StPO mit Strafe bedrohte Handlung in Beziehung auf eine ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, begangen, und damit in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat (auch) unter die Qualifikation des § 224 StGB, das Gesetz in der zuletzt genannten Bestimmung.
Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch zu Punkt 1 und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache im Umfang dieser Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil (des Einzelrichters) des Landesgerichtes Eisenstadt vom 16. Februar 1999, GZ 12 EVr 522/98-126, wurde der am 2. April 1958 geborene irakische Staatsbürger S***** A***** des Verbrechens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (1), des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (3), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (4) sowie des Vergehens (richtig: des Verbrechens) der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (5) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde dem öffentlichen Ankläger die abgesonderte Verfolgung des S***** A***** wegen des diesem zu Punkt 2 des schriftlichen Strafantrages vom 27. Juli 1998 (ON 105) angelasteten Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 105 Abs 2 FrG vorbehalten (der Sache nach wurde die abgesonderte Führung des Verfahrens wegen dieses Faktums gemäß § 57 Abs 1 StPO verfügt).
Dem Schuldspruch wegen Urkundenfälschung zufolge hat S***** A*****
zu 1 in der Zeit vom 18. April 1992 bis zumindest Mitte 1994 in B*****, in H***** und anderen Orten eine falsche ausländische Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich einen von nicht zuständigen Stellen auf den Familiennamen S*****, geboren am 3. April 1958, am 4. Jänner 1981 ausgestellten, nachgemachten Personalausweis der irakischen Republik durch wiederholtes Vorweisen gegenüber Behörden, unter anderem in einem Asylverfahren, mithin im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht.
Gegen dieses Urteil hat S***** A***** (zunächst) fristgerecht Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldet (S 493 f/II), jedoch das Rechtsmittel in der Folge nicht ausgeführt und es schließlich - nach bereits erfolgter Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht - zurückgezogen.
Das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 16. Februar 1999 steht, wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, im Schuldspruch zu Punkt 1 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Ausländische öffentliche Urkunden genießen nicht generell den erhöhten strafrechtlichen Schutz des § 224 StGB, sondern nur dann, wenn sie kraft Gesetzes oder kraft zwischenstaatlichen Vertrages den inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind. Fehlt es an einer derartigen Gleichstellung, unterliegt ihre Fälschung nur der Strafnorm des § 223 StGB über die sogenannte "einfache" Urkundenfälschung. Inländischen öffentlichen Urkunden ausdrücklich gesetzlich gleichgestellt waren während des hier aktuellen Tatzeitraumes (vom 18. April 1992 bis Mitte 1994) zufolge § 39 PassG 1969 (iVm § 22 dieses Gesetzes) in der damals geltenden Fassung sowie gemäß § 1 Abs 3 FrG 1992, BGBl 1992/838 (als fremdenbezogene Vorschrift in Geltung seit 1. Jänner 1993) nur ausländische Reisedokumente. Da es sich bei dem gegenständlichen Personalausweis aber um kein solches Reisedokument handelt und es auch an einem (zudem zur Gleichstellung - nicht den Begriffen des Reisepasses oder des Passersatzes unterfallender - "sonstiger" Reisedokumente im Sinn der vorzitierten Gesetzesstellen erforderlichen) zwischenstaatlichen Übereinkommen zwischen der Republik Irak und der Republik Österreich fehlt, erweist sich die Unterstellung der Tat (auch) unter die Qualifikation des § 224 StGB als rechtsirrig in der Bedeutung einer Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.
Die richtige Subsumtion der am 23. Dezember 1997 (S 1 g des Antrags- und Verfügungsbogens) in gerichtliche Verfolgung gezogenen Tathandlungen als (einer niedrigeren Strafdrohung unterliegende) Urkundenfälschungen nach § 223 Abs 2 StGB bringt die Notwendigkeit einer Klärung mit sich, ob die Strafbarkeit durch Verjährung erloschen ist. Die (an sich abgelaufene) dreijährige Verjährungsfrist könnte nämlich durch Begehung eines auf gleicher schädlichen Neigung beruhenden Delikts eine relevante Verlängerung erfahren haben (§ 58 Abs 2 StGB), weil die dem Beschuldigten angelasteten Schleppereien gegebenenfalls gegen dasselbe Rechtsgut (staatlicher Anspruch auf Vollziehung der Normen über Einreise und Aufenthalt von Fremden) gerichtet gewesen wären, wie die Urkundenfälschungen. Das Erfordernis diesbezüglicher Feststellungen (siehe hiezu Mayerhofer/Rieder StGB4 § 58 E 1) bedingt die Kassation des gesamten Schuldspruchs laut Punkt 1 des Urteils sowie demgemäß auch des Strafausspruches und die Anordnung einer diesbezüglichen Verfahrenserneuerung beim Erstgericht, welches bei der Vorhaftanrechnung auch die Auslieferungshaft in der Bundesrepublik Deutschland (ON 50/Band II) zu berücksichtigen haben wird.
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