OGH 13Os132/91

OGH13Os132/9129.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Jänner 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz I***** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.August 1991, GZ 6 b Vr 5.242/91-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Soyer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe

auf 1 1/2 (eineinhalb) Jahre herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz I***** des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.Mai 1991 in Wien dadurch, daß er den am 23.Juli 1987 geborenen Rene D***** würgte, wobei er mehrfach schreiend äußerte, wenn ihm Susanna I***** kein Geld gebe, werde er alle umbringen, sohin mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, der Susanna I***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 1.500 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach Z 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In der Tatsachenrüge nach dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Würdigung der Angaben der Zeuginnen Susanna I***** und Dagmar F***** durch das Schöffengericht und vertritt die Auffassung, daß wegen bestehender Zweifel am Tatgeschehen mit einem Freispruch vorzugehen gewesen wäre, ohne jedoch solcherart erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorrufen zu können. Nach Prüfung der überwiegend auf den unanfechtbaren (siehe EvBl. 1988/108 und 109; 1989/24) kritisch-psychologischen Vorgang der Überzeugungsbildung des Erstgerichtes abgestellten Argumentation ergeben sich bei einer lebensnahen, an der allgemeinen menschlichen Erfahrung orientierten Beurteilung keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der wesentlichen Tatsachenfeststellungen.

Ebensowenig stichhältig sind die zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO vorgetragenen Rechtsrügen, wonach Feststellungsmängel über die subjektive Tatseite und darüber, wem der weggenommene Geldbetrag gehörte, unterlaufen sein sollen:

Erstgerichtliche Aussprüche über den Willensinhalt des Angeklagten anläßlich des festgestellten Tatverhaltens liegen dem Beschwerdestandpunkt zuwider ohnehin vor, weil die Urteilsgründe eindeutig zum Ausdruck bringen, daß dem Angeklagten ein Zusammentreffen mit seiner früheren Ehefrau Susanna I***** gerade recht kam, um seinen Geldbedarf zu befriedigen und um sich eine Prostituierte leisten zu können. Dadurch wurde über das innere Vorhaben des Angeklagten mit Bestimmtheit abgesprochen und sein Handlungsziel auch im logischen Einklang mit dem festgestellten objektiven Sachverhalt umschrieben, zumal die von Gewaltanwendung und wiederholten Drohungen begleiteten Forderungen nach Geld den Täterwillen gleichfalls erkennen lassen. Eine Mangelhaftigkeit der Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite ist daher nicht ersichtlich.

Für die richtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes bedurfte es auch nicht der Klärung, wem das weggenommene Bargeld gehörte, weil insoweit nur entscheidend ist, daß es nicht im Eigentum des Angeklagten stand und demnach für ihn eine fremde Sache war. Ein Eigentumsrecht des Angeklagten wurde weder von ihm behauptet, noch ist ein solches sonst durch Verfahrensergebnisse indiziert. Daß der Angeklagte und die Zeugin Susanna I***** früher verheiratet waren und ein gemeinsames (eheliches) Kind haben, gibt noch keinen Hinweis darauf, daß das von der Zeugin in ihrer Geldbörse mitgeführte Bargeld dem Angeklagten gehörte.

Schließlich versagen auch die unter Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Einwände:

Von einem sogenannten minderschweren Raub nach dem § 142 Abs. 2 StGB kann keine Rede sein, weil die Tat weder ohne Anwendung erheblicher Gewalt, noch an einer Sache geringen Wertes begangen wurde.

Nach ständiger Judikatur ist erhebliche Gewalt dann anzunehmen, wenn der Täter bei einem Angriff auf die Person des Opfers beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht geringfügig bleibt. Ob dies zutrifft, ist nach einem objektiv-individualisierenden (strengen) Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustandes des Angegriffenen, zu beurteilen (13 Os 11-13/90, 15 Os 38-42/91). Gegenüber Kindern und hilflosen Personen genügt schon ein geringeres Maß an Gewalt, um diese als erheblich zu werten (10 Os 26/78; siehe auch SSt. 55/4). Aus dieser Sicht stellt das Würgen eines im vierten Lebensjahr stehenden Kindes die Anwendung erheblicher Gewalt dar, ohne daß es dabei noch darauf ankommen kann, ob die Attacke auch eine Verletzung nach sich gezogen hat. Demnach kann die hilfsweise eingewendete Bemängelung, daß im Ersturteil die von Rene D***** davongetragene Kratzwunde nicht ausdrücklich festgestellt sei, auf sich beruhen.

Fehlt es somit schon an der ersten der kumulativ geforderten Privilegierungsvoraussetzungen für einen minderschweren Raub nach dem § 142 Abs. 2 StGB, so lag im übrigen aber auch Geringwertigkeit der geraubten Sache nicht vor, weil über einen Wertbetrag von 1.000 S hinaus ein Sachwert nicht mehr geringfügig ist (EvBl. 1989/112; JBl. 1990, 805; EvBl. 1991/33).

Für die letztlich geforderte Tatbeurteilung als Nötigung nach dem § 105 StGB verbleibt keine Grundlage, weil die Wegnahme des Bargeldes nach den Urteilsannahmen mit dem Vorsatz verbunden war, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, sodaß alle Kriterien des Raubes erfüllt wurden. Weshalb der Urteilsausspruch, wonach der Angeklagte die Geldbörse entriß und daraus einen Bargeldbetrag von 1.500 S entnahm, um sich eine Prostituierte leisten zu können, "keine hinreichende Feststellung des vom § 142 StGB geforderten Vorsatzes" enthalten sollte, wird in der Beschwerde nicht näher dargelegt. Dem inhaltlich eine nicht auf das Vermögen gerichtete Nötigung unterstellenden Vorbringen kann demnach nur allgemein erwidert werden, daß die Urteilsannahmen durchaus den Willen des Täters zum Ausdruck bringen, sein Vermögen zwecks eigennütziger Disposition um das weggenommene Geld zu vermehren, womit die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes ausreichend umschrieben sind.

Auf das erst im Gerichtstag mündlich vorgetragene ergänzende Beschwerdevorbringen (§ 281 Abs. 1 Z 3 StPO), daß anläßlich der polizeilichen Befragung der Susanna I***** die Vorschrift des § 152 Abs. 1 Z 1 StPO vernachlässigt worden sei, war - abgesehen davon, daß ein solcher Mangel nur dann eine Urteilsnichtigkeit bewirkt, wenn er in der Hauptverhandlung unterlaufen ist - nicht einzugehen, weil formelle Nichtigkeitsgründe vom Obersten Gerichtshof nur unter der Voraussetzung zu berücksichtigen sind, daß sie bereits schriftlich geltend gemacht wurden (§ 290 Abs. 1 StPO; siehe dazu Mayerhofer-Rieder StPO3 E 1 und 2).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als mildernd keinen Umstand, als erschwerend hingegen vier auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen und den raschen Rückfall (während eines Haftausganges). Es verhängte gemäß dem § 142 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Gegen diesen Straufausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die bedingte Nachsicht eines Teiles derselben anstrebt.

In Ansehung des Strafausmaßes ist dieses Begehren begründet.

Zwar kann von einem wesentlichen Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung angesichts seiner überhaupt jedes strafbare Verhalten in Abrede stellenden Verantwortung nicht gesprochen werden. Zu Unrecht hat jedoch der Schöffensenat dem Umstand nicht Rechnung getragen, daß Susanna I***** - wie sich aus ihrer Aussage in der Hauptverhandlung (S 142), aber auch jener der Zeugin Dagmar F***** (S 144, 145 und 146) sowie den vorgelegten Briefen (Beilagen zum Hauptverhandlungsprotokoll) eindeutig ergibt - dem Angeklagten verziehen und für ihn (sinngemäß) Fürbitte geleistet hat. Dem steht keineswegs entgegen, daß sie sich durch ihre den Angeklagten entlastenden Angaben dem Verdacht einer falschen Beweisaussage ausgesetzt hat; es bestätigt dies vielmehr ihr mangelndes Interesse an seiner Bestrafung, was wieder Rückschlüsse auf die (geringere) Bedeutung der Tat für die verletzte Rechtsordnung und ihren sozialen Störwert zuläßt. Bei der Beurteilung der Schuld des Angeklagten als Grundlage für die Bemessung der Strafe (§ 32 StGB) darf auch nicht das besondere Naheverhältnis zwischen Täter und Tatopfer sowie der Umstand außer acht gelassen werden, daß die Raubbeute die Geringwertigkeitsschwelle nicht wesentlich überschritten hat. Unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles hält der Oberste Gerichtshof daher eine wesentliche Herabsetzung des Strafausmaßes für geboten und eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe zur Erzielung der Strafzwecke für noch ausreichend.

Dem weiteren Begehren des Berufungswerbers auf bedingte Nachsicht eines Teiles dieser Strafe konnte jedoch wegen der erheblichen Belastung seines Vorlebens durch einschlägige strafbare Handlungen sowie wegen des raschen Rückfalles nicht mehr entsprochen werden. Insoweit war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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