OGH 13Os13/07x

OGH13Os13/07x11.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ilier G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nusret Z***** und Latif C***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 9. November 2006, GZ 9 Hv 82/06a-282, sowie die (teils implizite) Beschwerde des Angeklagten Latif C***** gegen die zugleich gefassten Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 4 und Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nusret Z***** und Latif C***** werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Nusret Z*****, Latif C*****, Avdyl H***** und Blerim M***** wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (Punkt C./), ferner hinsichtlich dieser Angeklagten in Ansehung der Subsumtion nach § 130 zweiter Fall StGB (Urteilspunkte A./ und B./) sowie in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung und der zugleich verkündeten Beschlüsse nach § 494a Abs 1 Z 4 und Abs 6 StPO) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Nusret Z***** und Latif C*****, dieser auch mit seiner Beschwerde, sowie die Staatsanwaltschaft hinsichtlich Nusret Z***** und Latif C***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten Nusret Z***** und Latif C*****, fallen auch die auf die Erledigung ihrer Nichtigkeitsbeschwerden entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Angeklagten Nusret Z***** enthält, wurden die Angeklagten Ilier G*****, Nusret Z*****, Latif C***** und Avdyl H***** jeweils des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch „im Rahmen" (als Mitglied) einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB, der Angeklagte Ilier G***** auch nach dem ersten Fall des § 130 StGB (A./I./, II./, III./, IV./, V./ und VI./) und der Angeklagte Latif C***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (B./), sowie der Angeklagte Blerim M***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter und vierter Fall und 15 StGB (A./VI./) und sämtliche Angeklagte des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach haben

Ilier G*****, Nusret Z*****, Blerim M*****, Latif C***** und Avdyl H***** an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung in unterschiedlicher Zusammensetzung jeweils unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung den im Spruch genannten Geschädigten in zahlreichen Angriffen fremde bewegliche Sachen, Avdyl H*****, Nusret Z*****, Latif C***** und Ilier G***** in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert, Blerim M***** in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz überwiegend durch Einbruch und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Diebstähle durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen bzw wegzunehmen versucht (A.), wobei Latif C***** zu den im Spruch aufgelisteten strafbaren Handlungen dadurch beitrug, dass er die Einbruchsobjekte aussuchte und bei der Ausführung der Einbrüche als Fahrer und Aufpasser fungierte (B);

Avdyl H*****, Nusret Z*****, Ilier G*****, Blerim M***** und Latif C***** sich im Zeitraum von Jänner 2005 bis 12. Dezember 2005 in Wi***** (Avdyl H***** in W*****) an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf gerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Einbruchsdiebstähle ausgeführt werden, sohin an einer kriminellen Vereinigung, beteiligt (C).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Nusret Z***** hat Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, aber nicht ausgeführt. Da auch in der Anmeldung des Rechtsmittels kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, war die Nichtigkeitsbeschwerde nach § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO zurückzuweisen.

Der Angeklagte Ilier G***** hat ebenfalls Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet. Da ihm zufolge seiner Flucht aus der Justizanstalt St. Pölten die Stellungnahme der Generalprokuratur nicht zugestellt werden konnte, war aber über sein Rechtsmittel nicht zu entscheiden (§ 35 Abs 2 StPO).

Der Angeklagte Latif C***** bekämpft das Urteil mit einer aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie verfehlt ihr Ziel.

Denn mit den Einwänden, wonach ein Kriminalbeamter zum Angeklagten ein ausgesprochen angespanntes Verhältnis gehabt habe und die Aussagenentschlagung einer Zeugin zu erklären wäre (siehe auch US 55), sowie mit Hinweisen auf die „Unsicherheit des Erstgerichtes" und den ohnedies erörterten und evidenten Umstand, dass Handys nicht jedenfalls von ihrem Eigentümer benützt werden müssen (US 56), sowie mit Behauptungen, wonach der Mitangeklagte Nusret Z***** nun bereit wäre die Unschuld des Beschwerdeführers zu bezeugen, und Rückschlüsse des Erstgerichtes, wonach ein beim Angeklagten sichergestelltes Handy von ihm benützt wurde, falsch und die Auswertung der Standortpeilung zweifelhaft wären, werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden Urteilsannahmen dargetan. Aus Anlass der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch in Ansehung der rechtlichen Unterstellung des den Schuldsprüchen der Angeklagten Nusret Z*****, Blerim M***** und Avdyl H*****, zu A./ und dem Schuldspruch des Angeklagten Latif C***** zu B./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 130 zweiter Fall StGB, sowie hinsichtlich des diese Angeklagten betreffenden Schuldspruchs wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (C./) überzeugt, dass es einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bedarf.

Denn weder zum Vorsatz der Angeklagten, sich an der kriminellen Vereinigung als Mitglied (im Sinne des § 278 Abs 3 StGB, also durch Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen der kriminellen Ausrichtung oder durch wissentliche Förderung des Zusammenschlusses) zu beteiligen noch zum Vorsatz, die im Schuldspruch A./ bzw B./ inkriminierten und auch weitere Qualifikationselemente aufweisenden Diebstähle jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung zu verüben, trifft das erkennende Gericht eine Feststellung. Vielmehr beschränkt sich das Urteil auf die (objektive Umstände schildernde) Konstatierung, wonach sich die Angeklagten an zwei Zusammenschlüssen von mehr als zwei Personen beteiligten, welche Zusammenschlüsse darauf gerichtet waren, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung wiederholt Einbruchsdiebstähle ausgeführt werden (US 38). Darüber hinaus hielt das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen lediglich fest, dass eine dieser - einander überschneidenden - kriminellen Vereinigungen die Angeklagten und weitere Personen umfasste und an der anderen neben Avdyl H***** noch weitere Personen in wechselnder Zusammensetzung beteiligt waren, und verweist bloß auf den Urteilstenor, wonach die Angeklagten „im Rahmen der kriminellen Vereinigung in unterschiedlicher Zusammensetzung jeweils unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung Einbruchsdiebstähle .... durchführten" (US 39 ff). Im Urteil wird jedoch nicht dargelegt, ob jeder einzelne Angeklagte diese spezifische kriminelle Zweckausrichtung des Zusammenschlusses und die durchgeführten diebischen Angriffe als dessen Mitglied in Zusammenarbeit mit einem anderen Organisationsbeteiligten zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand.

Hinzu kommt, dass § 278 Abs 1 StGB infolge Spezialität durch § 130 zweiter Fall StGB verdrängt wird, wenn die Tatbestandsmerkmale der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung lediglich durch die Begehung einer Straftat im Rahmen der Vereinigung im Sinne des § 278 Abs 3 erster Fall StGB erfüllt sind, aber diese Tat gleichzeitig den spezielleren und einen höheren Strafsatz bedingenden Qualifikationstatbestand nach § 130 zweiter Fall StGB (Diebstahl als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit einem anderen Mitglied) verwirklicht (Plöchl in WK2 [2006] § 278 Rz 62 mwN). Da die Feststellungen (US 38) zum Schuldspruch C./ die Beteiligung der Angeklagten an der kriminellen Vereinigung in keiner Weise konkretisieren, insbesondere keine tatbildlichen Aktivitäten aufzeigen, welche über die als Mitglied der Vereinigung begangenen - insoweit aber durch die Schuldsprüche A./ und B./ umfassten - Diebstähle hinausgehen würden und etwa auf die Verübung weiterer Diebstähle oder auf eine wissentliche Förderung dieser Organisation gerichtet gewesen wären (Plöchl aaO Rz 63 f), war die neben der Verurteilung nach § 130 zweiter Fall StGB erfolgte rechtliche Unterstellung der Taten auch unter § 278 Abs 1 StGB verfehlt (vgl 13 Os 4/06x).

Dies gilt auch zu Gunsten der Angeklagten Blerim M***** und Avdyl H*****, die kein Rechtsmittel ergriffen haben.

Mangels Behebbarkeit der aufgezeigten Mängel durch den Obersten Gerichtshof ist zur Überprüfung des Verhaltens sämtlicher Angeklagter unter dem Aspekt des § 278 Abs 1 StGB und hinsichtlich der Qualifikation nach § 130 zweiter Fall StGB eine neue Hauptverhandlung und Entscheidung in erster Instanz erforderlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Kosten für die amtswegige Maßnahme haben die Angeklagten nicht zu ersetzen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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