OGH 13Os125/80

OGH13Os125/8018.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 17.April 1980, GZ. 11 b Vr 377/79-22, den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Mit abgesonderter Verfügung wird ein Gerichtstag zur Entscheidung über die Berufung angeordnet werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Pensionist Karl A des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB.

schuldig erkannt, weil er am 9.April, 26.April und 11.Mai 1979 in Korneuburg trachtete, Emmi B und Emmi C mit Bereicherungsvorsatz zur Hingabe von Geldbeträgen von 50.000 S, 40.000 S und in ungenannter Höhe dadurch zu nötigen, daß er ihnen schriftliche Mitteilungen des Inhalts zukommen ließ, sie sollten diese Beträge in der Grablaterne des Grabs der Familie C hinterlegen und die Polizei nicht verständigen, widrigens die Tochter der Emmi B, Renate, ermordet würde.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe

des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Mit der Verfahrensrüge wendet er sich gegen die Abweisung seiner Beweisanträge auf Beiziehung eines zweiten Schriftsachverständigen und auf Einvernahme der Zeugin Renate A (S. 166, 167). Die Beiziehung eines weiteren Schriftsachverständigen begehrte er in seinem Beweisantrag in der Hauptverhandlung am 17.April 1980 (S. 166) infolge der Schwierigkeit der Begutachtung, weil es sich sowohl bei den (dem Beschwerdeführer abgenommenen) Schriftproben (wobei er übersah, daß der Sachverständige auch andere, zweifelsfrei unverstellte Schriftstücke von der Hand des Beschwerdeführers verwertete) als auch bei den Drohbriefen um verstellte Schriftzüge handle, ohne auch nur die Behauptung einer Unzulänglichkeit oder Widersprüchlichkeit des eingeholten Gutachtens des Univ.Prof. Dr. Roland D (das mit dem Ergebnis der Beurteilung durch das Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung der Bundespolizeidirektion Wien, ON. 9, übereinstimmt) aufzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Einholung des Gutachtens eines anderen Sachverständigen ist aber gemäß § 126 Abs. 1 StPO. in Verbindung mit § 125 StPO., daß das Gutachten des vernommenen Sachverständigen dunkel oder unbestimmt ist, mit sich oder den erhobenen Tatumständen im Widerspruch steht oder Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, sofern die dadurch entstandenen Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen zu beseitigen waren. Nach Auffassung des Schöffensenats wurde das Gutachten des Univ.Prof. Dr. Roland D 'nach wissenschaftlichen Maßstäben erstellt, ist in sich widerspruchsfrei und mit derartiger Akribie verfaßt, daß keine Bedenken gegen seine Richtigkeit bestehen' (S. 176). Daß der Verteidiger nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls keine einzige Frage an den Sachverständigen zu stellen hatte, bestätigt nur die Ansicht des Erstgerichts, daß diesem Gutachten Mängel, welche die Zuziehung eines anderen Sachverständigen erforderlich gemacht hätten, nicht anhaften, womit das bekämpfte Zwischenerkenntnis nicht mehr erfolgreich angefochten werden kann. Von einer die Zuziehung eines zweiten Sachverständigen gemäß § 118 Abs. 2 StPO. erforderlich machenden besonderen Schwierigkeit der Begutachtung kann andererseits nur gesprochen werden, wenn der Sachverständige die ihm vorgelegten Fragen nicht oder nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermochte, was hier aber nicht der Fall war.

Der Antrag auf Ladung und Vernehmung der Renate A als Zeugin zum Beweise dafür, daß sie auch nach ihrer Scheidung (nämlich vom Sohn des Beschwerdeführers) noch Zutritt zu den Wohnräumen des Angeklagten hatte und dort manipulieren konnte, verfiel mangels eines entscheidungswesentlichen Beweisthemas zu Recht der Ablehnung durch das Schöffengericht. Der Beweisantrag war nicht etwa damit begründet worden, Renate A werde als Zeugin die Verantwortung des Angeklagten dahin bestätigen, daß er nicht unter Verwendung von Schreibpapier, das von den in seinem Haus beschlagnahmten Papierteilen abgeschnitten worden war, die inkriminierten Briefe geschrieben habe. Im übrigen stellt sich, wie dem Beschwerdevorbringen der Vollständigkeit halber noch erwidert werden kann, der Beschwerdeführer mit diesem Beweisantrag in Widerspruch zu seinen (und seiner Ehegattin) Angaben im Vorverfahren, wonach es unmöglich sei, daß jemand Papier (wie es für die tatgegenständlichen Briefe verwendet und bei ihm aufgefunden wurde) in die Wohnung hineingebracht hätte (S. 19, 21, 166) sowie mit seiner eigenen, sinngemäß gleichlautenden, Verantwortung in der Hauptverhandlung (S. 156, 162).

Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobene weitere Vorwurf, daß keine Tatzeugen ihn in der Nähe des Orts der begehrten Geldhinterlegung gesehen haben, beinhaltet keine Verfahrensrüge, sondern bekämpft lediglich in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Weise - und überdies auch angesichts des eindeutigen Schriftgutachtens verfehlt - die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Dies trifft im Kern auch für die Mängelrüge des Beschwerdeführers zu, mit der er Unvollständigkeit der Urteilsbegründung insofern behauptet, als nicht alle Verfahrensergebnisse im Zusammenhang mit der vom Erstgericht festgestellten, durch die gefährliche Drohung herbeigeführten Furcht und Unruhe der Bedrohten erörtert worden seien. Abgesehen davon, daß gerade diese Urteilsfeststellung entgegen der vom Beschwerdeführer auch in seiner Rechtsrüge vertretenen Auffassung nicht entscheidungswesentlich ist, weil die Erfüllung des Tatbilds der Erpressung zwar erfordert, daß die Drohung (objektiv) geeignet ist, begründete Besorgnisse zu erregen, nicht aber, daß diese tatsächlich eintreten, sind die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) abzufassen und müssen nicht jedes einzelne, für oder gegen die angenommene Beweiskraft der Ergebnisse des Verfahrens (hier insbesondere die Aussage des Zeugen Herbert B S. 163) sprechenden Argumente erörtern.

Auch der weitere Vorwurf, das Erstgericht habe nicht ausreichend begründet, wieso die Briefe eine gefährliche Drohung darstellen, trifft nicht zu. Der Beschwerdeführer verwechselt auch hier die Eignung der gefährlichen Drohung, begründete Besorgnisse zu erregen, mit der dadurch ausgelösten Wirkung und bringt nur gegen die Annahme letzterer Einwände vor, die übrigens ebenfalls nicht zutreffen. Die Eignung der im Akt erliegenden Schriftstücke, in denen den Adressaten der Tod ihrer Tochter bzw. Enkelin angedroht wird, begründete Besorgnisse einzuflößen, kann nicht ernstlich bezweifelt werden, sodaß diese Urteilsannahme keiner ausführlicheren Begründung bedurfte.

Der Beschwerdeführer vermag auch keinen inneren Widerspruch des Urteils aufzuzeigen, wenn er rügt, daß das Erstgericht bei ihm einerseits Bereicherungsvorsatz, andererseits sein Bestreben, sich an der Familie B zu rächen, feststellte; kann doch ohne weiteres eine Handlung von mehreren Motiven bestimmt sein, sodaß auch die Annahme des Erstgerichts mit den Denkgesetzen durchaus vereinbar ist, der Beschwerdeführer habe sich auf Kosten der von ihm gehaßten Familie B bereichern wollen.

Auch unter Anrufung des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. beschränkt sich der Nichtigkeitswerber weitgehend darauf, die Unterlassung von angeblich durch das Beweisverfahren indizierten Feststellungen zu rügen, die seiner Ansicht nach gegen die vorgenommene Beweiswürdigung sprechen, und bringt den bezeichneten Nichtigkeitsgrund insofern nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Zur vollständigen rechtlichen Beurteilung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat ist nämlich weder eine Erörterung seiner finanziellen Verhältnisse noch der angeblichen Möglichkeit der Renate B, seine Wohnung zu betreten, noch des - übrigens dem normalen Ablauf der Aufklärung einer Straftat entsprechenden - Umstands erforderlich, daß sich zuerst der Verdacht gegen den Beschwerdeführer richtete und dann erst die gegen diesen sprechenden Beweise erhoben wurden. Auf alle diese Fragen mußte auch, wie schon bei der Erörterung der Mängelrüge gesagt wurde, im Rahmen der Beweiswürdigung nicht eingegangen werden.

Soweit der Rechtsrüge zu unterstellen ist, daß sie die Auffassung vertritt, zur Erfüllung des Tatbilds der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB. sei erforderlich, daß sich der Bedrohte tatsächlich fürchtete, ist lediglich auf den klaren Wortlaut der im § 74 Z. 5 StGB. enthaltenen Legaldefinition der gefährlichen Drohung zu verweisen.

Darnach ist zwar die Eignung der angewendeten Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, erforderlich, nicht aber auch der Eintritt dieser Besorgnisse, den das Erstgericht übrigens ebenfalls, gestützt auf die Aussage des Zeugen Herbert B (S. 163), festgestellt hat (S. 176), sodaß die Rechtsrüge auch insoweit von den Urteilskonstatierungen abweicht und nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO., teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach dem § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit dem § 285 a Z. 2 StPO. bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Gemäß dem § 296 Abs. 3 StPO. wird über die des weiteren gegen den Strafausspruch ergriffene Berufung des Angeklagten bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

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