OGH 13Os125/03

OGH13Os125/037.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jacek N***** wegen des im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG, über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28. April 2003, GZ 41 Hv 3/03g-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Jacek N***** und seines Verteidigers Dr. Michael Vallender, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jacek N***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 18. Dezember 2002 in Vösendorf den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich 304 g Kokain brutto mit einem Reinsubstanzgehalt von mehr als 15 g, dadurch in Verkehr zu setzen versucht, dass er es einem verdeckten Fahnder des Bundesministeriums für Inneres zu verkaufen suchte (und hiedurch das "versuchte Verbrechen" nach § 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG begangen), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen trat ein verdeckter Suchtgiftfahnder des Bundesministeriums für Inneres an den Gastlokalbetreiber Miriman S***** heran, der durch Vermittlung im Suchtgifthandel Provisionen zu verdienen trachtete. S***** vermittelte ein Gespräch zwischen dem unbescholtenen Angeklagten, der Gast in seinem Lokal war und bis dahin keinerlei Kontakte zur Suchtgiftszene hatte, und dem verdeckten Fahnder "Goran", welcher ihn als Suchtgiftlieferanten anwerben wollte. Dem Angeklagten gelang es - nach längerfristigen Versuchen, auch auf Drängen des "Goran" - von einem Unbekannten 300 g Kokain zu erwerben, die er am 18. Dezember 2002 "Goran" übergab. Das Verfahren habe keinerlei Anlass geboten anzunehmen, der Angeklagte hätte die hier in Rede stehende strafbare Handlung auch ohne Intervention der genannten Personen begangen. Das Erstgericht erblickte darin "exakt dieselbe Situation" wie bei der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschiedenen Sache Teixeira de Castro gegen Portugal (ÖJZ 1999, 434) und sprach den Angeklagten frei, weil die Tätigkeit des verdeckten Ermittlers dem Fairnessgebot widersprochen und eine über eine bloß passive Ermittlungstätigkeit hinausgehende Einflussnahme auf das kriminelle Verhalten des Angeklagten im Sinne einer Anstiftung darstellte, demnach dessen "an sich strafbares Verhalten ... nur durch ein nicht faires Verfahren überhaupt verursacht wurde". Gegen dieses Urteil wendet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, in welcher der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO geltend gemacht wird mit folgendem Wortlaut:

"Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jacek N***** von dem wider ihn erhobenen Anklagevorwurf des versuchten Verbrechens nach den §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG gemäß § 259 Z 3 StPO im Wesentlichen mit der Begründung freigesprochen, die Beamten (= die verdeckten Ermittler) hätten die Grenzen der zulässigen verdeckten Ermittlung überschritten, weshalb, da der Beschwerdeführer eines fairen Verfahrens beraubt wurde, eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK vorläge, und daher nach Meinung des Erstgerichtes die selbe Konstellation wie im Fall "Teixeira de Castro gegen Portugal" (ÖJZ 1999/434) gegeben sei, in welchem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK feststellte. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist nach ständiger Rechtsprechung die Strafbarkeit selbst dann gegeben, wenn die an die Sicherheitsorgane gerichtete Bestimmung des § 25 StPO verletzt und wie im gegenständlichen Fall dem Täter eine Falle gestellt wurde (SMG-Foregger-Litzka-Matzka 1998, RN XII.3 zu § 28 SMG und die dort angeführte Rechtsprechung).

Eine Verletzung der Vorschrift des § 25 StPO im Zusammenhang mit verdeckter Fahndung kann somit keine materielle Nichtigkeit im Sinne eines Strafaufhebungsgrundes bewirken (OGH, 23. 5. 2002, 15 Os 30/02).

Aus diesen Gründen hat das Erstgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes angenommen."

Die Generalprokuratur ist der Nichtigkeitsbeschwerde mit umfassenden Erwägungen entgegengetreten mit dem Schlußantrag:

"Das Anfechtungsargument der Staatsanwaltschaft erweist sich im Ergebnis nicht stichhältig. Ihre Nichtigkeitsbeschwerde wird daher zu verwerfen sein."

Rechtliche Beurteilung

Hiezu ist zu erwägen:

Eine gesetzgemäße Ausführung des inhaltlich geltend gemachten (nominell und damit verfehlt auf Z 9 lit b gestützten, sh Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634) materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert, dass die Beschwerdeführerin anhand des Urteils die Feststellungen, aufgrund derer eine Verurteilung wegen einer bestimmt zu bezeichnenden strafbaren Handlung zu erfolgten hätte, oder aber unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellung geklärten, aber durch darzustellende Verfahrensergebnisse indizierten Sachverhalt, nämlich die subjektive Tatseite des Angeklagten zur großen Menge des § 28 Abs 6 SMG, aufzeigt, weshalb eine vom Erstgericht nicht bedachte, von der Beschwerdeführerin aber anzuführende rechtliche Konsequenz zu ziehen wäre (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 585 und 600). Mangels solcher Darlegungen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht deutlich und bestimmt ausgeführt.

Sie war demnach zu verwerfen.

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