Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde - der sich einleitend im Sinne der Anklage auch schuldig bekennende (S 409/I) - Darshan K***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 23.November 1996 in Seekirchen seine Gattin Sharanjit K***** (a) und seine unmündigen Kinder Jasveer und Samsher K***** zu töten versucht hat (b und c), indem er mit seinem PKW über eine Bootsanlegestelle mit Vollgas bei einer Wassertemperatur von ca 5 Grad Celsius in den Wallersee fuhr, wodurch die im PKW befindlichen Opfer im Urteilsspruch näher beschriebene, jeweils schwere Verletzungen erlitten.
Die anklagekonformen Hauptfragen nach versuchtem Mord in Ansehung der beiden Kinder wurden stimmeneinhellig, in Ansehung der Ehegattin mehrheitlich (7 : 1) bejaht. Die auf das Verbrechen der Tötung auf Verlangen nach § 77 StGB gerichtete Eventualfrage, ob der Angeklagte ein ernstliches und eindringliches Tötungsverlangen seiner Ehegattin irrtümlich angenommen habe, blieb folgerichtig unbeantwortet.
Die vom Angeklagten gegen den Schuldspruch aus § 345 Abs 1 Z (nominell) 3, 4 und 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Rechtliche Beurteilung
Die den Ausführungen zu den Nichtigkeitsgründen vorangestellte "Präambel" enthält einerseits bereits Einlassungen zur später ausgeführten Verfahrensrüge, andererseits polemisiert sie in einer sachlicher Erwiderung nicht zugänglichen Art gegen die Vorgangsweise des Schwurgerichtshofes. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang versucht, der Antwort des Angeklagten auf eine Frage des Privatbeteiligtenvertreters (und nicht eines Mitgliedes des Schwurgerichtshofes, wovon die Beschwerde, damit den unbegründeten und nicht weiter substantiierten Vorwurf der Verletzung von ein faires Verfahren sichernden Vorschriften erhebend, ausgeht, siehe S 423/I) einen bestimmten Sinn unterzuschieben, wäre es Sache des Verteidigers gewesen, durch ergänzende Befragung des Angeklagten dazu (insbesondere weil in weiterer Folge in der Hauptverhandlung nochmals releviert; siehe S 87/II) entsprechende Aufklärung zu unternehmen.
Zur Verfahrensrüge nach Z 3 enthält die Beschwerde weder nähere Ausführungen noch in anderem Zusammenhang die ausdrückliche Bezeichnung oder deutliche Hinweisung auf jene Tatumstände (nämlich welches Schriftstück über einen nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt trotz Verwahrung in der Hauptverhandlung vorgelesen worden ist), die den lediglich ziffernmäßig angeführten Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§§ 285 a Z 2, 344 StPO). In diesem Umfang entbehrt die Beschwerde somit der prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Mit Verfahrensrüge (Z 4) wird bemängelt, daß zwei Psychotherapeutinnen ungeachtet gesetzlich normierter Verpflichtung "zur absoluten Verschwiegenheit" über das, was ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft bekannt geworden ist, als Zeugen vernommen wurden. Die gebotene Belehrung "über die Entschlagungspflichten" habe der Schwurgerichtshof ebenso verabsäumt, wie die "genaue Prüfung, ob eine rechtsgültige Entbindung von der Verschwiegenheit vorliegt".
Die Rüge versagt.
Das Entschlagungsrecht der im § 152 Abs 1 Z 5 StPO bezeichneten Personen ist als Recht der dort Genannten (Abs 3 leg. cit) höchstpersönlicher Natur und unterliegt nicht der Disposition anderer. Nur der nach dieser Gesetzesbestimmung Berechtigte hat zu entscheiden, ob er als Zeuge aussagen oder das ihm kraft Gesetz zustehende Entschlagungsrecht in Anspruch nehmen will (13 Os 110,111/96; 13 Os 10,11/97). Die beiden Psychotherapeutinnen wurden (entgegen den Beschwerdeausführungen) über dieses Recht prozeßordnungsgemäß belehrt (S 446/I und 64/II). Das Gesetz bedroht nur Aussagen mit Nichtigkeit, vor denen der Zeuge auf sein Recht, sich der Aussage zu entschlagen, nicht ausdrücklich verzichtet (§ 152 Abs 5 StPO). Dies ist vor der Vernehmung dieser Zeugen jedoch geschehen. Von einer zusätzlichen Belehrung über "Entschlagungspflichten" wie - in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - nochmals besonders herausgestrichen, steht im Gesetz nichts.
Die Rüge der Fragestellung (Z 6) bemängelt das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des (erg.: versuchten) Totschlages nach § 76 StGB. Auch in dieser Hinsicht kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu.
Die Stellung einer Frage nach § 314 StPO setzt voraus, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, nach denen, werden sie als erwiesen angenommen, statt Tatvollendung nur Versuch oder statt unmittelbarer Täterschaft Tatbeteiligung anzunehmen wäre oder nach denen die dem Angeklagten angelastete Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte. Allgemein gehaltene, nicht substantiierte Behauptungen irgendeines Umstandes genügen diesem Erfordernis nicht, weil die Fragestellung nicht dazu dient (arg.: "Tatsachen"), einen Wahrspruch über Mutmaßungen einzuholen (SSt 44/29).
Die gegenüber Mord (§ 75 StGB) privilegierte Tötung eines Menschen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung (§ 76 StGB) erfordert unter anderem, daß der tiefgreifende und zur Tatzeit noch aktuelle Affekt für den spontanen Tatentschluß (aber auch für die Spontanietät der Tatausführung) kausal war (15 Os 50/89, 11 Os 125/90). Für die konkrete Möglichkeit eines diesbezüglichen ursächlichen Zusammenhanges fehlt aber ein im Beweisverfahren hervorgekommenes sachliches Substrat.
Zum Nachweis von Umständen, die für den Fall ihres Zutreffens die Annahme von Tatsachen in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken, welche eine Änderung der Beurteilung der Tat im Sinne des § 314 Abs 1 StPO nach sich ziehen könnten, beruft sich die Beschwerde im wesentlichen auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, das auftragsgemäß (S 1 c umseits) über den Geisteszustand, die Zurechnungsfähigkeit sowie die Alkoholisierung des Angeklagten (s ON 26 und S 77, I) - nicht aber dessen Gemütsbewegung - erging. Ein solches Gutachten des in der Hauptverhandlung beigezogenen Sachverständigen ist allein noch kein Tatsachenvorbringen im Sinn des § 314 Abs 1 StPO, weil der Gutachter auf Grund seines Sachverstandes Schlüsse zieht (SSt 58/6).
Dem vorliegenden Gutachten ist zu entnehmen, daß die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt durch mehrere (in der Beschwerde behandelte) Determinanten erheblich beeinträchtigt gewesen sein könnte. In diesem in der Hauptverhandlung verlesenen (S 85/II) und näher erörterten Gutachten (ON 26; S 77/II ff) zog der Sachverständige auf Grund des erhobenen Befundes neuropsychiatrische Schlüsse (S 253/I ff und 78/II) in Richtung einer kombinierten Persönlichkeitsstörung des Angeklagten. Unter Darstellung von teils auf das Charakter- und Persönlichkeitsbild des Angeklagten und vom Sachver- ständigen im Rahmen des Befundes erhobenen Umstände bezogenen, teils abstrakt als einschlägige psychiatrische Erscheinungsformen beschriebenen Merkmalen folgert der Sachverständige desweiteren daraus, daß ärztlich nachvollziehbar als auslösendes Element (nicht ein Affektsturm sondern) die emotional instabile, zur Erregung und Gewalttätigkeit neigende Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten angesehen werden könnte (vgl insbesondere nochmals S 257 f iVm 259 f/I; auch 80 und 82/II). Ausdrücklich verweist das Gutachten in diesem Zusammenhang darauf, daß erst bei Annahme einer (in weiterer Folge als psychodynamisch nachvollziehbar bezeichneten, S 261/I, ungeachtet dessen jedoch bloß als hypothetisch ins Spiel gebrachten) Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehegattin eine zusätzliche affektive Einengung als unmittelbar auslösende Ursache für die Tatausführung hätte auftreten können. Für eine derartige, zum Affektausbruch führende "massive Auseinandersetzung unmittelbar vor Tatbegehung" (S 261/I) bietet das Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung jedoch keine Anhaltspunkte.
Die Ehegattin des Beschwerdeführers vermochte keine Angaben zum Tathergang zu machen (S 436, 440/I). Der Angeklagte selbst verantwortet sich in der Hauptverhandlung zum (auch aus psychiatrischer Sicht keineswegs spontanen, vgl S 82 f/II) Tatentschluß innerhalb kurzer Zeit widersprüchlich (S 411/I ff). Seine Verantwortung zu der der Tatausführung unmittelbar vorangehenden Situation bietet keinerlei Anhaltspunkte für ein (diesbezüglich der Beschwerde zugrunde gelegtes) die erwähnte affektive Einengung allenfalls hervorrufendes massives Streitgespräch zwischen den Ehegatten. Er schildert zwar zunächst das Andringen seiner Gattin, sie und die Kinder mit in den Tod zu nehmen (was die Geschworenen durch Verneinung der Eventualfrage betreffend seine Gattin ablehnten), mit dem Auto nicht weiter (am Ufer des Wallersees) stehen zu bleiben, sondern in den See zu fahren, weiters Vorwürfe von ihrer Seite gegen ihn, erwähnt aber in keiner Weise eine Reaktion seinerseits gegen diese Vorwürfe, die Ausgangspunkt für die Annahme des von der Beschwerde behaupteten, zwischen den Ehegatten entstandenen Streitgesprächs sein könnten. Seiner Darlegung zufolge hat er vielmehr seiner Gattin gegenüber (die sich nach seiner Version als er letztlich den PKW ins Wasser fuhr, dann auch befriedigt über diese Vorgangsweise gezeigt habe, S 415/I) überhaupt nicht reagiert (S 414 f/I). Im übrigen habe er schon geraume Zeit vorher Selbstmordgedanken gehabt (S 411, 417/I) bei Tatausführung habe er aber an nichts, und auch nicht daran gedacht, daß er nicht alleine in den Tod gehe, sondern andere Menschen auch mitnehme (S 412/I).
Nach dieser Verantwortung war somit vorerst das ernstliche und eindringliche Verlangen der Ehefrau (und nicht der im Rechtsmittel behauptete Affektsturm) Ursache des Entschlusses zur (versuchten) Tötung anderer. Dieses Beweisergebnis führte folgerichtig zur Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Tötung auf Verlangen, die - wie schon dargetan - verneint wurde. Wobei es nicht angeht in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung, das (in zur gestellten jedoch verneinten) Eventualfrage nach § 77 StGB enthaltene Tatsachenvorbringen, ohne entsprechende Basis in der Hauptverhandlung auch als solches in Richtung eines eine heftige Gemütsbewegung auslösenden Umstandes darzustellen. Auch die dazu weiters angestellte Überlegung, daß die Handlungsweise des Angeklagten (zunächst) "nicht auf Tod, sondern auf Leben ausgerichtet war", enthält keinerlei Hinweis auf § 76 StGB, der ein (privilegierter) Fall vorsätzlicher Tötung ist. Der Schwurgerichtshof, welcher im Rahmen der Hauptverhandlung die theoretische Möglichkeit einer affektiven Einengung als tatauslösend sehr wohl erkannt hatte (vgl dessen Fragestellung zur Erörterung des psychiatrischen Gutachtens S 82/II), konnte dann aber konkret kein entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Verant- wortung des Angeklagten oder sonstwie zutage fördern und hat somit die Aufnahme der vom Verteidiger beantragten Schuldfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO in Richtung des (versuchten) Verbrechens nach § 76 StGB in den den Geschworenen vorgelegten Fragenkatalog berechtigterweise verweigert.
Die Nichtigkeitsbeschwerde versagt demnach zur Gänze.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend das Zusammentreffen von drei Verbrechen (gemeint das Vorgehen gegen mehrere, nämlich drei Tatopfer), eine einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall, die Ausnützung der Wehr- oder Hilflosigkeit der Kinder sowie die Tatbegehung an Gattin und Kindern (sowie angeführt unter die Milderungsgründe die Herbeiführung schwerer, lebensbedrohlicher Verletzungen), als mildernd hingegen ein Teilgeständnis, die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit sowie den Tatversuch.
Zugleich wurde vom Widerruf einer früher angeordneten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Verlängerung der Probezeit beschlossen (§ 494 a Abs 1 Z 2 StPO).
Die Berufung reklamiert einerseits ein volles Geständnis sowie die Einwirkung der Gattin zur Tatbegehung und Unbesonnenheit bei der Tat als weitere Milderungsgründe und geht andererseits von mangelnder Gewichtung der Zurechnungsfähigkeitseinschränkung des Angeklagten sowie Verletzung des Doppelverwertungsverbotes infolge Berücksichtigung der Tatbegehung an Gattin und Kinder aus.
Sie strebt die Anwendung der §§ 41, 43 a StGB an, versagt jedoch.
Das Geschworenengericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und richtig gewertet. Die Aussage des Angeklagten enthält, gemessen am Wahrspruch der Geschworenen, im wesentlichen nur jene Umstände, die durch andere Beweisergebnisse objektiviert werden konnten. Er hat damit weder ein reumütiges Geständnis abgelegt noch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen. Die Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit wurde ausreichend berücksichtigt. Wahrspruch (und Beweisverfahren) bieten keinen Hinweis für die Annahme, daß eine massive Einwirkung seiner Gattin vorgelegen wäre. Von Unbesonnenheit kann schon angesichts des psychiatrisch als mehrstündiger Entscheidungsprozeß eingeschätzten Vorgehens (neuerlich S 83/II) keine Rede sein. Letztlich wird durch das Heranziehen der Tatbegehung an Gattin und Kindern als erschwerend das Doppelverwertungsverbot in keiner Weise verletzt, weil der anzuwendende gesetzliche Strafrahmen durch solche Umstände nicht bestimmt wird.
Da eine Strafherabsetzung somit nicht erfolgen kann, erübrigen sich Überlegungen zu einer teilbedingten Strafnachsicht.
Die bloße Verlängerung der offenen Probezeit trotz einschlägigen Rückfalls in die Schwerstkriminalität war keineswegs zum Nachteil des Angeklagten; sie war von ihm - zwar nicht ausdrücklich, wohl aber gemäß § 498 Abs 1 und 3 StPO implizite - bekämpft, mußte aber ebenso erfolglos bleiben.
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