European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00012.16P.0413.000
Spruch:
Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Gerhard K*****, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I D und E sowie in der zur Schuldspruchgruppe I gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im den genannten Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Gerhard K***** auf die Aufhebung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Daniela H***** und Herbert R***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche des Gerhard K***** enthält, wurden Gerhard K***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall und 15 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (I) sowie Daniela H***** und Herbert R***** jeweils des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 (H*****: II A und B; R*****: III A und B) sowie mehrerer Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1, Abs 4 (teils iVm § 15) StGB (H*****: II C und E; R*****: III C) und eines Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach §§ 12 zweiter Fall, 293 Abs 1 StGB (H*****: II D; R*****: III C) schuldig erkannt.
Danach haben von 1. Juli 2006 bis 1. Juli 2012 in G***** und U*****
(I) Gerhard K***** die ihm durch behördlichen Auftrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht, „teils zu missbrauchen versucht“, und dadurch folgenden Personen einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil von zumindest 249.752,42 Euro zugefügt, indem er als Sachwalter
(A) der Franziska Ru***** und des Franz O***** die genannten Pflegebefohlenen zu gegenüber den „für Pflegeheime vorgeschriebenen“ und „für betreutes Wohnen angemessenen“ Tarifen „massiv überhöhten Preisen“ im Seniorenpark U***** unterbrachte und sich dafür von Vertretern dieser Einrichtung monatlich 1.000 Euro in bar auszahlen ließ (Schaden 248.153,42 Euro [US 11]);
(B) des Robert L***** und des Franz O***** für die genannten Pflegebefohlenen Lebensversicherungsverträge abschloss und „sich selbst als bezugsberechtigte Person im Ablebensfall eintragen ließ“;
(D) des Johann S***** in dem diesen betreffenden Pflegschaftsverfahren, AZ 13 P 43/06t des Bezirksgerichts Leibnitz, im Zuge der Jahresabrechnung die Gewährung von 4.475 Euro an Entschädigung beantragte, „obwohl ihm lediglich 448 Euro zugestanden wären“, (US 12:) wobei es mangels Ausbezahlung der begehrten Summe beim Versuch blieb;
(E) des Otto G***** in dem diesen betreffenden Pflegschaftsverfahren, AZ 411 P 54/09k des Bezirksgerichts Graz‑West, „zahlreiche Besuche und Bankwege verzeichnete und sich die Kosten dafür auszahlen ließ, obwohl er diese lediglich aliquot verzeichnen hätte dürfen“;
(G) der Franziska Ru***** und des Franz O***** vom Vermögen der genannten Pflegebefohlenen zwei Fernsehgeräte für den Seniorenpark U***** kaufte;
(II) Daniela H*****
(A) zu der von Punkt I A erfassten strafbaren Handlung beigetragen, indem sie (US 8:) als Geschäftsführerin der Seniorenpark U***** *****gmbH mit Gerhard K***** die Unterbringung der Franziska Ru***** und des Franz O***** in dieser Einrichtung vereinbarte, die darüber zwischen ihm als Sachwalter und der genannten Gesellschaft abgeschlossenen Verträge unterzeichnete, die „überhöhten monatlichen Rechnungsbeträge vereinnahmte“ und Gerhard K***** dafür monatlich 1.000 Euro in bar „ausfolgte bzw ausfolgen ließ“ (Schaden 248.153,42 Euro);
(B) Gerhard K***** zu der von Punkt I G erfassten strafbaren Handlung bestimmt, indem sie ihn gemeinsam mit Herbert R***** dazu aufforderte (Schaden 1.599 Euro);
(C und E) vier ‑ im Ersturteil namentlich genannte ‑ Angestellte der Seniorenpark U***** *****gmbH dazu bestimmt, in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung als Zeugen bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem sie sie vor deren polizeilichen Vernehmungen aufforderte, dabei wahrheitswidrig anzugeben, dass Franziska Ru***** „zunächst im Bereich des betreuten Wohnens aufhältig gewesen und in weiterer Folge erst aufgrund einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in den Pflegeheimbereich verlegt worden wäre“, wobei es in einem Fall infolge wahrheitsgemäßer Aussage des betreffenden Angestellten beim Versuch blieb;
(D) Daniela W***** dazu bestimmt, ein falsches Beweismittel herzustellen, indem sie sie dazu aufforderte, in die Pflegedokumentation Franziska Ru***** einen Vermerk des (US 17:) wahrheitswidrigen Inhalts einzufügen, diese sei im Juli 2012 vom Bereich des betreuten Wohnens in den Pflegeheimbereich verlegt worden, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dass das Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren gebraucht werde;
(III) Herbert R*****
(A) zu der von Punkt I A erfassten strafbaren Handlung beigetragen, indem er (US 8 f:) als Vorstandsmitglied der Re***** Privatstiftung, der Alleingesellschafterin der Seniorenpark U***** *****gmbH, mit Gerhard K***** die „überhöhten Preise“ für die Unterbringung der Franziska Ru***** und des Franz O***** in dieser Einrichtung (US 14 f:) sowie die zu I A und II A beschriebene Vorgangsweise aushandelte (Schaden 248.153,42 Euro);
(B) Gerhard K***** zu der von Punkt I G erfassten strafbaren Handlung bestimmt, indem er ihn gemeinsam mit Daniela H***** dazu aufforderte (Schaden 1.599 Euro);
(C) Daniela H***** zu den von Punkten II C, D und E erfassten strafbaren Handlungen bestimmt, indem er sie telefonisch dazu aufforderte.
Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte Gerhard K***** auf Z 9 lit a und 10, die (gemeinsam ausführenden) Angeklagten Daniela H***** und Herbert R***** auf Z 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO.
Die Beschwerden der Angeklagten H***** und R***** bekämpfen ‑ der Sache nach ‑ nur die Schuldsprüche II A und B sowie III A und B.
Rechtliche Beurteilung
Ausnahmslos ohne Aktenbezug (siehe aber RIS‑Justiz RS0117446, RS0124172 [insbesondere T3, T5]) bleibt die Kritik der Tatsachenrügen (Z 5a), das Erstgericht habe „erhebliche Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen“ (inhaltlich Z 5 zweiter Fall). Indem sie aus ‑ losgelöst vom Akteninhalt ‑ eigenständig entwickelten Überlegungen von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse ziehen, erschöpfen sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Damit wird Nichtigkeit weder aus Z 5 noch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO prozessordnungskonform behauptet.
Mit der Formulierung, wonach H***** und R***** „wussten“, dass K***** bei seinem von den Schuldsprüchen I A und G erfassten Verhalten seine ihm als Sachwalter „eingeräumte Befugnis wissentlich missbrauchte“ (US 15), ging das Erstgericht deutlich genug davon aus, dass sie (auch) um die Pflichtwidrigkeit der Vertretungshandlungen des Mitangeklagten selbst wussten (zu dieser Voraussetzung der Strafbarkeit als Bestimmung oder Beitrag zur Untreue siehe RIS‑Justiz RS0103984, RS0108964).
Indem die Rechtsrügen (Z 9 lit a) dieses Feststellungssubstrat teils bestreiten, teils beweiswürdigend durch eigene Auffassungen ersetzen, verfehlen sie den (im Urteilssachverhalt gelegenen) Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Ebendies gilt für die Subsumtionsrügen (Z 10), soweit sie aufgrund urteilsfremder Überlegungen (siehe dagegen US 11, 14 f) die Annahme eines die Qualifikation nach § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 begründenden, 50.000 Euro übersteigenden Schadens bezweifeln.
Weshalb die (Vereinbarung von) „Provisionszahlungen an den Erstangeklagten“ (nicht als Beitrag zur Untreue, sondern) als „Beitragstäterschaft zur Geschenkannahme eines Machthabers gemäß § 153a StGB“ zu qualifizieren sein sollten (Z 10), wird nicht erklärt (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565). Sollte damit ‑ in Anbetracht der weiteren von den bekämpften Schuldsprüchen (nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB aF) erfassten Bestimmungs- und Beitragshandlungen ‑ die Annahme einer zusätzlichen strafbaren Handlung angestrebt werden, sind die Rechtsmittel (schon) nicht zum Vorteil der Angeklagten ausgeführt.
Verwirklicht im Übrigen die Handlungsweise des Vorteilsnehmers ‑ wie hier ‑ eine Untreue (§ 153 StGB), kommt § 153a StGB wegen materieller Subsidiarität nicht zur Anwendung (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153a Rz 19).
Soweit sich die Beschwerden der Daniela H***** und des Herbert R***** ‑ mangels ausdrücklicher Einschränkung ihrer Anfechtungserklärungen ‑ auch gegen die Schuldsprüche II C, D und E sowie III C wenden, war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) auf sie keine Rücksicht zu nehmen.
Gleiches gilt für die Beschwerde des Gerhard K*****, soweit sie die ‑ diesen Angeklagten betreffenden - Schuldsprüche I A und G inhaltlich unbekämpft lässt.
Das gegen den Schuldspruch I B gerichtete, auf Z 9 lit a und 10 gestützte Beschwerdevorbringen des Genannten versagt:
Soweit er Feststellungen zur Frage vermisst, ob es sich bei den tatverfangenen Versicherungsverträgen um „kombinierte Ab‑ und Erlebensversicherungen“ gehandelt habe, hält er prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht am Urteilssachverhalt fest, der (bloß) von den Angeklagten begünstigenden (Ab‑)Lebensversicherungen ausgeht (US 2, 12, 20).
Schon deshalb kann, wie mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO hinzugefügt sei, von einer im wohlverstandenen Interesse des Machtgebers gelegenen Gegenleistung (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 39) für die (vertragsgemäße) Bezahlung der Versicherungsprämien aus dessen Vermögen (US 12, 14) keine Rede sein.
Das Erstgericht nahm an, dass K***** (zu Schuldspruchgruppe I) einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführen wollte und (allein) seine vom Schuldspruch I A erfassten Taten einen solchen von mehr als 248.000 Euro (tatsächlich) bewirkten (US 13, 14).
Aus welchem Grund es darüber hinaus noch der Feststellungen zur Höhe des durch die Taten laut Schuldspruch I B verursachten Schadens und dazu bedurft haben sollte, ob sein „Vorsatz sich auch auf den Wert einer bestimmten Leistung aus den Lebensversicherungsbeträgen bezogen“ hat, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
Ebenso wenig macht er deutlich, weshalb die von ihm geforderte Abgrenzung von Versuch und Vollendung - entgegen ständiger Judikatur (RIS‑Justiz RS0122138) - subsumtionsrelevant (Z 10) sein sollte.
Es waren daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ die Nichtigkeits-beschwerden der Daniela H***** und des Herbert R***** zur Gänze sowie jene des Gerhard K***** im angeführten Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Dagegen sind die zu I D und E ergangenen Schuldsprüche des Gerhard K***** mit ‑ im ersteren Punkt von seiner Rechtsrüge (zumindest der Sache nach) aufgezeigter, im zweiteren Punkt von Amts wegen wahrzunehmender (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) ‑ Nichtigkeit aus Z 9 lit a behaftet.
Nach den erstgerichtlichen Konstatierungen zu diesen Schuldsprüchen beantragte K***** beim jeweiligen Pflegschaftsgericht die Gewährung teils von Aufwandersatz, teils von Entschädigung (vgl §§ 229, 230 Abs 2 ABGB; § 137 Abs 2 AußStrG) in höherem als dem ihm als Sachwalter des jeweiligen Pflegebefohlenen tatsächlich gebührenden Ausmaß (US 12). Damit aber hätte nicht er selbst (als Machthaber), sondern ein ‑ durch seine unrichtigen Angaben allenfalls getäuschter ‑ Dritter eine Vermögensverfügung getroffen. Die Subsumtion dieses Verhaltens als Untreue (§ 153 StGB) ist demnach verfehlt; ob ein insoweit indiziertes Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB (vgl zur Abgrenzung Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 50) verwirklicht wurde, ist nicht durch Feststellungen geklärt.
Dies führte ‑ abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 289 StPO, teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Gerhard K***** darauf zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird entsprechend § 29 StGB die Subsumtionseinheit betreffend aller diesem Angeklagten (letztlich) zur Last liegenden Untreue-Taten neu zu bilden sein (RIS‑Justiz RS0116734; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 10). Mit Blick auf die am 1. Jänner 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 153 StGB (BGBl I 2015/112 und BGBl I 2015/154) sei dazu angemerkt, dass ein Günstigkeitsvergleich (§§ 1, 61 StGB) insoweit nicht mehr anzustellen ist, als der Schuldspruch durch die vorliegende Entscheidung bereits in (Teil‑)Rechtskraft erwachsen ist (14 Os 106/15t mwN).
Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Daniela H***** und Herbert R***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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