OGH 13Os119/06h

OGH13Os119/06h20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nikolai A***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgaben(richtig:)hehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Juli 2006, GZ 123 Hv 72/06v-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Fuchs, des Vertreters des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz Dr. Teibinger, des Angeklagten Nikolai A***** und seines Verteidigers Mag. Patrick, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die (anteilige) Wertersatzstrafe nach § 19 Abs 1 lit a iVm §§ 37 Abs 2 und 44 Abs 3 FinStrG einschließlich des Ausspruches über die Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit der Wertersatzstrafe aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Gem § 19 Abs 1 lit a, Abs 3, Abs 4 und Abs 6 iVm §§ 37 Abs 2, 44 Abs 3 FinStrG wird hinsichtlich der nicht sichergestellten, bereits verhandelten 10.000 Stück Zigaretten auf Wertersatzstrafe in Höhe von 1.000 Euro erkannt. Gemäß § 20 Abs 2 FinStrG wird im Falle der Uneinbringlichkeit dieser Wertersatzstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe mit einer Woche festgesetzt.

Der Berufung wegen des Ausspruches über die gemäß §§ 38 Abs 1, 44 Abs 2 FinStrG verhängte Strafe wird teilweise Folge gegeben und gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43a Abs 1 StGB der Vollzug eines Teils der verhängten Geldstrafe in der Höhe von 18.000 Euro - darauf entfallend 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe - für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nikolai A***** der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen (richtig:) Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Alkohol-, des Salz- oder des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 (zu ergänzen: lit a) FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum Mitte März 2006 bis zum 16. April 2006 im Bereich des Zollamtes Wien vorsätzlich

I. gewerbsmäßig eingangsabgabenpflichtige Waren, nämlich 346.800 Stück Zigaretten verschiedener Marken an sich gebracht und teilweise verhandelt;

II. durch das unter I. angeführte Verhandeln von 10.000 Stück dieser Zigaretten vorsätzlich zu seinem oder eines anderen Vorteil das in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltene Verbot des Handelns mit Monopolgegenständen verletzt.

Nikolai A***** wurde hiefür unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach § 38 Abs 1 iVm § 44 Abs 2 FinStrG zu einer Geldstrafe von 36.000 Euro, im Falle deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Gemäß § 17 Abs 2 lit a FinStrG wurden sichergestellte 336.800 Stück Zigaretten für verfallen erklärt und gemäß § 19 Abs 1 lit a iVm §§ 37 Abs 2 und 44 Abs 3 FinStrG eine (anteilige) Wertersatzstrafe in Höhe von 10.000 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe für nicht sichergestellte, bereits verhandelte 10.000 Stück Zigaretten über Nikolai A***** verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich ausschließlich gegen das Überschreiten des zulässigen Höchstbetrages bei Verhängung der Wertersatzstrafe richtet, kommt Berechtigung zu.

Aus dem Bezug auf den „schlüssigen und nachvollziehbaren Prüfungsberichtes des Zollamtes" (US 4) lässt sich entnehmen, dass die Tatrichter von verhandelten 2000 Stück der Marke Lucky Strike zu einem Preis von 36 Euro/Stange, 2000 Stück der Marke Marlboro 10mg & Marlboro Blend 29 zu einem Preis von 37 Euro/ Stange und von je 2000 Stück der Marken „Meine Sorte", Memphis Blue und Memphis Sky-Blue zu einem Preis von je 34 Euro/Stange (S 59) ausgingen, welcher dem - als Bemessungsgrundlage der Strafbemessung für vorsätzliche Eingriffe in die Rechte des Tabakmonopols dienenden - Inlandsverschleißpreis (§ 44 Abs 2 lit c FinStrG) entspricht und begrifflich mit dem die Grundlage für den Wertersatz darstellenden gemeinen Wert (dem inländischen Detailverkauspreis; 10 Os 161/86, SSt 58/87) identisch ist, und solcherart eine Bemessungsgrundlage für die Wertersatzstrafe von 1.750 Euro ermittelten (US 4).

Davon ausgehend zeigt die Sanktionsrüge im Ergebnis zutreffend auf, dass das Erstgericht durch Verhängung einer Wertersatzstrafe in Höhe von 10.000 Euro - in den Entscheidungsgründen selbst eingestanden - seine Strafbefugnis zum Nachteil des Angeklagten überschritten hat (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO). Denn der Wertersatz stellt das Äquivalent für den nicht realisierbaren Verfall dar und darf solcherart die Höhe des gemeinen Wertes nicht übersteigen. Der Ausspruch über die Wertersatzstrafe einschließlich des Ausspruchs über die Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit der Wertersatzstrafe war daher aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Bei Bestimmung der nach §§ 19 Abs 1 lit a, Abs 3, Abs 4 und Abs 6, 37 Abs 2, 44 Abs 3 FinStrG zu verhängenden Wertersatzstrafe ist entgegen der Ansicht des Erstgerichtes aber keine Quotenberechnung iSd § 19 Abs 4 FinStrG vorzunehmen, weil bei der Aufteilung nur auf bekannte Tatbeteiligte Bedacht zu nehmen ist, soferne damit zu rechnen ist, dass sie in absehbarer Zeit in Österreich vor Gericht gestellt und zu Wertersatz verurteilt werden können (11 Os 9/04; 11 Os 113/04). Im konkreten Fall sind aber weder den Urteilsgründen noch den aktenkundigen Verfahrensergebnissen hinreichende Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine absehbare Realisierung der strafrechtlichen Verantwortung zusätzlicher Beteiligter für anteiligen Wertersatz realistisch erwarten ließe, da hinsichtlich des Lieferanten der geschmuggelten Zigaretten nur Staatsbürgerschaft und Vorname, in Ansehung der Abnehmer der Schmuggelware gar keinerlei Daten bekannt sind.

Auf dieser Grundlage war - nach den Regeln des § 23 FinStrG, also unter Beachtung der Strafbemessungsgründe (§ 19 Abs 6 zweiter Fall FinStrG) - die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 19 Abs 5 FinStrG durchzuführen.

Dabei war kein Umstand erschwerend, der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und sein umfassendes reumütiges Geständnis dagegen mildernd zu werten.

Entgegen dem Berufungsstandpunkt liegt der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 6 StGB schon angesichts der Verurteilung des Angeklagten wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei und des unmittelbaren Eingriffs in ein monopolrechtliches Verbot (jeweils als Einzeltäter) keineswegs vor.

Die vom Angeklagten selbst angegebenen regelmäßigen Einkünfte in Höhe von 726 Euro pro Monat als Schuster stehen selbst unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für seine nicht berufstätige Ehefrau und drei Kinder der weiters reklamierten Annahme des Milderungsgrundes einer drückenden Notlage entgegen, weil darunter ein - nicht einmal behaupteter - bestehender oder drohender Mangel am notwendigen Lebensunterhalt zu verstehen ist (Leukauf-Steininger Komm³ § 34 RN 16; Mayerhofer, StGB5 § 34 E 35b, c). Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, der Bedeutung der Tat und der durch Ausnützung des Kundenstocks seines Geschäftsbetriebes als Abnehmer für geschmuggelte Zigaretten akzentuierten Schuld des Angeklagten ergibt sich, dass die Voraussetzungen für ein gänzliches Absehen von der Auferlegung eines Wertersatzes zwar nicht vorliegen, dass aber mit einer Wertersatzstrafe von 1.000 Euro das Auslangen gefunden werden kann. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe war mit einer Woche festzusetzen. Der - ausschließlich gegen den Ausspruch über die gemäß §§ 38 Abs 1, 44 Abs 2 FinStrG verhängte Strafe gerichteten - Berufung des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Ausgehend von den aufgezeigten Strafzumessungsgründen erweist sich die vom Erstgericht bei einer Strafdrohung von bis zu 183.716,89 Euro ausgemessene Geldstrafe im Ausmaß von 36.000,-- Euro mit Blick auf das Handlungsunrecht, welches sich auch in der detaillierten Tatplanung und -organsiation manifestiert, zwar der Höhe nach als tat- und täteradäquat.

Ausgehend von der oben beschriebenen Fallgestaltung liegen die Voraussetzungen für eine gänzlich bedingte Strafnachsicht aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht vor, der Vollzug der Hälfte der verhängten Strafe konnte jedoch angesichts des bisher ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten und seines umfassenden Geständnisses unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden (§ 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43a Abs 1 StGB). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO. Die Beschlussfassung nach § 26 Abs 2 FinStrG ist Sache des Erstgerichtes (Ratz, WK-StPO § 295 Rz 12; RIS-Justiz RS0086098).

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