European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00001.16W.0309.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter P***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A) und nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und anderenorts als Mitglied einer kriminellen Vereinigung
A) kurz vor oder kurz nach dem 30. November 2005 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich 8.280,30 Gramm Cannabisblüten mit einer Reinsubstanz von 400 Gramm Delta‑9‑THC und etwa 400 Gramm THCA, dem abgesondert verfolgten Janos L***** überlassen und
B) dazu bestimmt, die Suchtgiftmenge über den Grenzübergang N***** aus‑ und nach Ungarn einzuführen, um diese dort an eine von ihm genannte Person zu übergeben (1), nachdem dies misslang, am 7. Dezember 2015 dazu, das Suchtgift nach Österreich zurückbringen (2).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a, 8 und 9 (lit) b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, wie das Erstgericht zu den Feststellungen gelangt sei, sich dabei aber nicht an den in der Entscheidung angeführten Gründen (US 7 bis 11) orientiert, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Mit dem Aktenwidrigkeit behauptenden Vorbringen gegen die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, der THCA-Gehalt sei „nie ermittelt“ worden (vgl dagegen US 10), spricht die Rüge den herangezogenen Nichtigkeitsgrund somit nicht an.
Zwischen den Feststellungen, wonach vom Angeklagten zwar nicht beim ersten, aber beim zweiten, den Rücktransport beinhaltenden Auftrag ein Dolmetscher beigezogen wurde (US 4), ist dem Beschwerdevorbringen (Z 5 dritter Fall) zuwider kein Widerspruch zu erblicken.
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt einer
Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die
Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS‑Justiz RS0119422). Mit dem Hinweis auf eine im Akt (ON 58) als „Befragung J*****“ titulierten, in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aktenkonform referierte Aussage des Genannten in Bezug auf einen Streit des Angeklagten mit einer Person, die später ermordet wurde, zeigt die Rüge (Z 5 zweiter Fall) keinen erörterungsbedürftigen Umstand auf.
Gleiches gilt für den Einwand, dass die zur Begründung der Feststellungen herangezogene Handypeilung erst um 20:30 Uhr durchgeführt wurde, und der Behauptung, es würden keine gesicherten Angaben darüber bestehen, wer die angepeilte Rufnummer am Tattag tatsächlich benutzt habe (vgl dazu US 8). Die Angaben des Zeugen Janos L***** wurden vom Erstgericht sehr wohl erwogen, aber als unglaubwürdig verworfen (US 8).
Das am Ende der Mängelrüge (Z 5) erstattete Vorbringen, wonach „dies“ „auch gleichsam als Nichtigkeit gem. § 281 Abs. 1 Z 5a moniert“ werde, entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902; vgl auch RS0116733).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).
Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit b) nicht gerecht.
Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, soweit hier von Bedeutung, im zu AZ 44 Hv 110/06 des Landesgerichts für Strafsachen Wien geführten Verfahren vom zu Punkt A/I/1 der dortigen Anklageschrift erhobenen Vorwurf freigesprochen, von Mitte November 2005 bis 21. Februar 2006 den bestehenden Vorschriften zuwider zur Ein‑ und Ausfuhr von 80 Kilogramm Marihuana von den Niederlanden über andere Länder nach Österreich durch Unbekannte beigetragen zu haben (US 5 f; ON 23).
Weshalb die vorliegende Verurteilung, wie der Angeklagte reklamiert, gegen das durch § 17 Abs 1 StPO und Art 4 7. ZPMRK normierte Verbot wiederholter Strafverfolgung („Ne bis in idem“) verstoßen sollte, macht die Beschwerde mit der Bezugnahme auf diesen, andere Taten betreffenden Freispruch nicht klar (RIS‑Justiz RS0116565).
Gleiches gilt, wenn die Rüge auf eine Passage der damaligen Anklagebegründung verweist, wonach Laszlo J***** Drahtzieher des versuchten Schmuggels von 10 Kilogramm Marihuana von Ungarn nach Österreich am 7. Dezember 2005 gewesen sei (vgl auch US 6 sowie 12 f).
Die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit verfehlt die Rüge nach dem Gesagten auch, wenn sie auf zu verschiedenen Verfahren übermittelte Berichte der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. März 2006 und vom 11. April 2006 verweist, wonach angenommen werden könne, dass die bei L***** sichergestellten zehn Kilogramm Marihuana für den Angeklagten „bestimmt waren“, oder darauf, dass die Staatsanwaltschaft Wien im Verfahren AZ 44 Hv 110/06 des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Beischaffung eines Laszlo J***** betreffenden Kopienaktes (Beilage ./D) beantragt habe.
Inwiefern die urteilskonträr (vgl US 14) behauptete Verlesung eines Laszlo J***** betreffenden Kopienaktes im Verfahren AZ 44 Hv 110/06 des Landesgerichts für Strafsachen Wien ein den Angeklagten betreffendes Verfolgungshindernis zur Folge haben könnte, erklärt die Rüge (Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 8) ebensowenig (vgl im Übrigen Lewisch , WK‑StPO § 263 Rz 12).
Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass auch der konkret auf Verkäufe in W***** bezogene Freispruch in jenem wegen des zwischen Mitte 2005 und 26. Februar 2006 erfolgten Überlassens von 66,5 Kilogramm Haschisch und Marihuana an Richard N***** und weitere unbekannte Abnehmer den Schuldsprüchen nicht entgegen steht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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