OGH 13Os114/88

OGH13Os114/8822.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Wolfgang B*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1, 107 Abs 1 und 2) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 26. Mai 1988, GZ 32 Vr 1565/87-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Blume, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.Juni 1951 geborene beschäftigungslose Wolfgang B*** wurde des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1, 107 Abs 1 und 2) StGB (I 1), des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB (I 2), des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I 3) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 3 WaffenG (I 4) schuldig erkannt. Darnach hat sich Wolfgang B*** am 30.Juni und 1.Juli 1987 in Linz, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol und die Einnahme von Medikamenten in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand dadurch, daß er Insp.Reinhold Z*** und Insp.Christian P***, die ihn wegen Störung der Ordnung festnehmen wollten, Schläge und Fußtritte versetzte, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht (a) und die beiden Beamten gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (b), mithin Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und das Vergehen der gefährlichen Drohung zugerechnet würden (I 1). In der Zeit vom 1. August 1987 bis 29.September 1987 versuchte der Angeklagte dreimal in Kaufhäusern Waren geringen Werts zu stehlen (I 2 a-c), am 6. Oktober 1987 stahl er 450 S nach Einsteigen durch ein Fenster (I 2 d), am 18.Oktober 1987 stahl er Zigaretten im Gesamtwert von 1.330 S durch Aufbrechen einer Tür (I 2 e) und am 6.November 1987 nahm er je eine Lederjacke der Michaela O*** im Wert von 2.900 S und der Claudia P*** im Wert von 1.500 S weg (I 2 f). Weiters liegt Wolfgang B*** zur Last, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung am 11.Juli, 4.November und 6.November 1987 Taxifahrten in Anspruch genommen zu haben, wobei er mangels Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit die jeweiligen Fuhrlöhne (zwischen 104 S und 800 S) nicht bezahlte (I 3 a-c). Zwischen Oktober 1987 und 7. November 1987 besaß Wolfgang B***, obwohl ihm mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 10.April 1980 gemäß § 12 WaffenG dies verboten war, eine Knallpatrone (I 4).

Rechtliche Beurteilung

Nur die Schuldsprüche I 2 f, 3 a-c und 4 ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Gegen den Ausspruch, zwei Lederjacken gestohlen zu haben (I 2 f), wendet der Beschwerdeführer Unvollständigkeit der Begründung ein, weil das Erstgericht unberücksichtigt gelassen habe, daß er selbst ohnedies eine Lederjacke besessen habe und daß die ihm als gestohlen angelastete Lederjacke der Michaela O*** zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich bereits in Haft befunden hatte, von einer unbekannten Frau rückerstattet wurde.

Damit vermag der Beschwerdeführer keinen Begründungsmangel (Z. 5) darzutun. Das Schöffengericht stützte seine Überzeugung, daß der Angeklagte trotz seiner später wechselnden, aber leugnenden Verantwortung der Täter auch in diesem Fall war, auf dessen Geständnis vor der Polizei, auf Grund dessen der Taxilenker Martin E*** ausgeforscht wurde, dem der Angeklagte die Lederjacke der Claudia P*** als Pfand überlassen hatte. Des weiteren beruft sich das Gericht auf die Wahrnehmungen der Zeugen Herbert B*** und Petra A*** (S. 337, 338 in Verbindung mit S. 295 f. sowie ON. 14 und 20 im einbezogenen Akt ON. 25). Bei dieser klaren Beweislage erübrigten sich Erörterungen über das Tatmotiv. Die trotz entsprechender Erhebungen ungeklärt gebliebene Frage, von wem und auf wessen Veranlassung die laut polizeilichem Geständnis des Angeklagten in einem Lokal zurückgelassene Lederjacke der Michaela O*** in das Gastlokal, wo sie gestohlen wurde, zurückgestellt wurde (S. 6, 41, 47, 107 in ON. 25), konnte, da dies für die Entscheidung der Schuldfrage unwesentlich ist, ohne Verstoß gegen § 270 Abs 2 Z. 5 StPO unerörtert bleiben.

Mit seiner Rechtsrüge begehrt der Angeklagte, die Betrugsfakten zum Nachteil der Taxilenker (I 3 a-c) als das nur mit Ermächtigung der Verletzten zu verfolgende Delikt des Notbetrugs nach § 150 StGB zu qualifizieren.

Not im Sinn der privilegierten Tatbestände der Entwendung (§ 141 StGB) und des Notbetrugs (§ 150 StGB) liegt aber nur dann vor, wenn sich der Täter in einer aussichtslosen persönlichen Bedrängnis befindet, in der es ihm an den dringendsten Lebenserfordernissen mangelt, er sich somit in einer Lage befindet, in der sich auch ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch in vergleichbaren sozialen und persönlichen Verhältnissen zu solchen geringfügigen Straftaten entschließen könnte (SSt. 50/62, Kienapfel BT II2 RN 34 zu § 141 StGB). Die betrügerische Inanspruchnahme von Taxis, noch dazu, um von Lokal zu Lokal zu fahren, kann diesen Erfordernissen jedenfalls nicht entsprechen. Selbst bei einer Taxifahrt, um wegen unerträglicher Kopfschmerzen ein Krankenhaus aufzusuchen (S. 26, 113 in ON. 25 und S. 312), kann sich der Angeklagte auf eine derartige Notsituation nicht berufen, weil ihm im Dringlichkeitsfall die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes offengestanden wäre. Eine Subsumtion der Taxifahrten als Notbetrug kommt daher nicht in Frage. Die für die angestrebte Änderung der rechtlichen Unterordnung (§ 150 StGB statt § 146 StGB) richtig angezogene Nichtigkeit nach Z. 10 (dies wäre der gedanklich erste Schritt i.S. des Begehrens gewesen) liegt also ebensowenig vor wie der wegen Fehlens einer Ermächtigung zur Strafverfolgung bloß weitergreifend angesprochene Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit b (13 Os 140/86 u.a.).

Die Strafbarkeit des ihm angelasteten Besitzes einer Knallpatrone (I 4) bestreitet der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß im Urteilsspruch von vorsätzlicher, in den Gründen aber nur von fahrlässiger Tatbegehung die Rede sei, sowie - der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO reklamierend - mit der Argumentation, daß Besitz den Willen einer Person voraussetze, eine Sache als die ihre zu behalten (§ 309, zweiter Satz, ABGB).

Da nach § 36 Abs 1 Z. 3 WaffenG strafbar ist, wer, wenn auch nur fahrlässig, Waffen oder Munition besitzt, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffenG verboten ist, macht es keinen Unterschied, ob der Täter in bezug auf die Tatbildmerkmale vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, sodaß aus der unklaren Formulierung dem Angeklagten letztlich ein Nachteil nicht erwachsen ist.

Unter "Besitz" von Waffen oder Munition (§ 4 Z. 1 WaffenG) ist nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt LSK 1986/52) jede tatsächliche, unmittelbare und nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Sachherrschaft zu verstehen, weshalb bloße Innehabung (§ 309, erster Satz, ABGB) zur Deliktsverwirklichung genügt. Daß der Angeklagte die Knallpatrone in seiner Wohnung verwahrt hatte, wurde aber vom Erstgericht mit zureichender Begründung festgestellt (S. 334, 340 in Verbindung mit ON. 16 a und S. 121 in ON. 25, S. 294). Der Schuldspruch erweist sich sohin auch in diesem Punkt frei von Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Wolfgang B*** nach §§ 28, 129 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe und wies ihn gemäß § 22 Abs 1 StGB in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ein. Bei der Strafzumessung wurden das Vorliegen von 21 einschlägigen Vorstrafen, die über die Voraussetzungen des § 39 StGB hinausgehen, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit drei Vergehen sowie die Wiederholung der Diebstähle und der Betrügereien als erschwerend gewertet, während als mildernd ein teilweises Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung, die psychopathische und abgebaute Persönlichkeit des Angeklagten und der Umstand berücksichtigt wurden, daß es teilweise beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte sowohl die Strafherabsetzung als auch die Aufhebung des Ausspruchs über die Anstaltseinweisung an.

Mit dem Vorbringen zur Untermauerung des Begehrens auf Strafmilderung, der Angeklagte sei durch Alkohol- und Medikamentenmißbrauch in seiner Willenskraft so geschwächt, daß man ihm durch den - als Rache der Gesellschaft zu

empfindenden - Strafvollzug nicht mehr helfen könne, setzt sich die Berufung in Widerspruch zu ihrem weiteren Begehren, von einer Unterbringung in der Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher abzusehen. Gerade diese Maßnahme, deren Grundvoraussetzungen auch vom Berufungswerber nicht in Frage gestellt werden, ist nach dem ausführlichen, vom Erstgericht übernommenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen das einzige allenfalls noch erfolgversprechende Mittel, um den Angeklagten zu bessern (§ 22 Abs 2, letzter Halbsatz, StGB), sodaß die Einweisung im gegebenen Fall als sinnvolle Reaktion des Strafgerichts anzusehen ist. Erst wenn diese vor der Strafe zu vollziehende Maßnahme erfolglos bleiben sollte (§§ 24 Abs 1, 47 StGB), wird der Rest der Strafe zu vollziehen sein. Die zwar mit dem Höchstmaß, das noch eine Maßnahme nach § 22 StGB zulässig macht, insgesamt aber im unteren Bereich des bei Anwendbarkeit des § 39 StGB bis siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens des § 129 StGB ausgemessene Strafe ist keinesfalls reduktionsbedürftig.

Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

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