OGH 13Os1/11p

OGH13Os1/11p7.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz K***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 6. Juli 2010, GZ 15 Hv 73/09a-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. Juni 2007 in P***** als Bürgermeister dieser Gemeinde in seiner Funktion als Baubehörde 1. Instanz mit dem Vorsatz, dadurch das Land Niederösterreich in seinem konkreten Recht auf Erteilung gesetzeskonformer Baubewilligungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er unter pflichtwidriger Vorprüfung je eine Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit neun Wohneinheiten auf zwei Bauplätzen der KG P***** erteilte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Alfred R***** (ON 41 S 51) zu Recht ab (ON 41 S 53), weil dieser Antrag das Beweisthema und solcherart ein essentielles Element prozessordnungskonformer Antragstellung (§ 55 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0099301; Lässig, Das Rechtsschutzsystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006/25, 406 [408]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327) nicht erkennen ließ.

Hinzu kommt, dass Alfred R***** nach der Aktenlage zur Hauptverhandlung geladen worden war, dort aber mit Blick auf ein gegen ihn im Zusammenhang mit den gegenständlichen Vorwürfen geführtes Strafverfahren gemäß § 157 Abs 1 Z 1 StPO die Aussage verweigert hatte (ON 41 S 45), und der Beweisantrag ungeachtet dessen Ausführungen dahin vermissen ließ, weshalb Alfred R***** nach neuerlicher Ladung zur Aussage bereit sein sollte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331).

Das Begehren, Alfred R***** „nach Beendigung seines Strafverfahrens“ (ON 41 S 51) zu laden, vermag diesbezügliche Darlegungen nicht zu ersetzen. Zum einen steht die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zum - zeitlich nicht absehbaren - Abschluss eines anderen Verfahrens im Spannungsverhältnis zum besonderen Beschleunigungsgebot in Strafsachen (§ 9 StPO). Zum anderen führt allein die Beendigung eines Strafverfahrens keineswegs zwingend zum Entfall des korrespondierenden Rechts zur Aussageverweigerung (Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 3).

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ließ das Erstgericht die Feststellung, der Beschwerdeführer habe es pflichtwidrig unterlassen, einen verkehrstechnischen Sachverständigen beizuziehen (US 9), nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern stützte sich insoweit - ausgehend von den Konstatierungen zum Umfang des geplanten Bauprojekts (US 5) - auf die logisch und empirisch einwandfreie Überlegung, dass auch die Möglichkeit der Errichtung entsprechender Zufahrtswege und Abstellanlagen Voraussetzung für die gesetzeskonforme Erteilung der Baubewilligungen gewesen sei (US 9 iVm US 14 f).

Die Beschwerde hält zutreffend fest, dass die Behörde gemäß § 52 Abs 1 AVG bei Notwendigkeit der Aufnahme eines Sachverständigenbeweises grundsätzlich einen amtlichen Sachverständigen beizuziehen hat. Nur dann, wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht oder es mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Falls geboten ist, kann sie ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen (§ 52 Abs 2 AVG). Ausgehend von dieser Rechtslage lässt die Rüge aber nicht erkennen, welche Verfahrensergebnisse das Erstgericht bei der Beurteilung der Frage, ob hier die Voraussetzungen für die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen gegeben gewesen seien, übergangen haben soll (Z 5 zweiter Fall).

Den Umstand, dass der vom Beschwerdeführer beauftragte Baumeister Alfred R***** vereidigter Sachverständiger der Marktgemeinde P***** gewesen ist (Beilage ./1 zu ON 41), hat das Erstgericht keineswegs übergangen (US 6), er ändert aber nichts daran, dass Alfred R***** eben kein Amtssachverständiger des zuständigen Gebietsbauamts war, und ist solcherart hier unerheblich.

Der Aktenvermerk vom 3. April 2007, wonach der „NÖLR. Verkehrsreferent Dipl.-Ing. Z*****“, unter dem Aspekt der Verkehrssituation „generell keinen Einwand zur geplanten Bauführung“ geäußert habe (ON 41 S 53 iVm ON 5 S 53), tangiert den dem Beschwerdeführer angelasteten Fehlgebrauch seiner Befugnis nicht und war solcherart auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn der Z 5 zweiter Fall.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs würden den Schuldspruch nicht tragen, nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Konstatierungen und verfehlt solcherart den vom Gesetz vorgegebenen Bezugspunkt.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass das Erstgericht die angenommenen Pflichtverletzungen exakt bezeichnete (US 10) und zudem das Wissen des Beschwerdeführers feststellte, durch diese Verstöße seine in Rede stehende Befugnis zu missbrauchen (US 11), was in Bezug auf das angesprochene Tatbestandselement eine taugliche Feststellungsbasis darstellt.

Die Tatrichter gehen davon aus, dass der Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, Helmut N*****, dem engeren Freundeskreis des Beschwerdeführers angehörte (US 4), womit Letzterer aus dem Grund der Befangenheit verpflichtet war, sich seines Amts zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen (§ 7 Abs 1 Z 3 AVG). Diese Urteilsannahme wird - der Beschwerde (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider - eingehend begründet (US 12, 13).

Die vermisste Begründung der Feststellungen zum wissentlichen Befugnismissbrauch (der Sache nach Z 5 vierter Fall) findet sich in den US 14 und 15.

Aus welchem Grund der - im Übrigen nicht durch den gebotenen Hinweis auf eine entsprechende Fundstelle in den Akten dargelegte - Umstand, dass der Gemeindevorstand die Baubewilligungen „bestätigt“ habe, schuld- oder subsumtionsrelevant sein soll, lässt die Rüge nicht erkennen.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe den Schädigungsvorsatz nicht festgestellt, unterlässt die Beschwerde einmal mehr die gebotene Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer das Land Niederösterreich zumindest bedingt vorsätzlich am konkreten Recht auf Erteilung gesetzeskonformer Baubewilligungen schädigte (US 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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