Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kamuran D***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A) und des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er am 16. April 2010 in Wien anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, nämlich
(A) im einverständlichen Zusammenwirken mit der hiefür bereits rechtskräftig verurteilten Jessica K***** dem Florian S***** mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe ein Mobiltelefon und 420 Euro, indem einer der Täter Florian S***** niederschlug, Kamuran D***** dem sodann am Boden Liegenden eine Injektionsnadel an die Hand drückte, wobei einer der Täter äußerte, dass diese HIV-infiziert sei und sie Geld wollen, sie ihm das Mobiltelefon und 20 Euro wegnahmen und ihn unter weiteren Drohungen sowie mittels eines von Kamuran D***** ausgeführten Faustschlags ins Gesicht dazu zwangen, 400 Euro von einem Bankomaten zu beheben, die sie in der Folge ebenfalls an sich nahmen,
(B) der Tanja G***** eine Handtasche mit 100 Euro sowie Substitol-, Somnubene- und Parkemed-Tabletten, wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen eine Person anwendete und mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) drohte, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er Tanja G***** die Handtasche entriss und den sich ihm in den Weg stellenden Alessandro Gu***** mit einer angeblich HIV-infizierten Injektionsnadel bedrohte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 3, 5, 5a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Protokolle über Vernehmungen der Tanja G***** finden sich nicht in den Akten (vgl ON 3 S 69), aus welchem Grund insoweit die Bezugnahme der Verfahrensrüge (Z 3) auf die Verlesungsbestimmungen des § 252 StPO unverständlich ist.
Die Abweisung oder Nichterledigung eines Antrags des Beschwerdeführers, Tanja G***** in der Hauptverhandlung zu vernehmen, wird - der Aktenlage entsprechend - nicht (aus Z 4) eingewendet. Der Beschwerdehinweis, Tanja G***** sei „trotz entsprechender Antragstellung“ nicht vor dem erkennenden Gericht vernommen worden, bezieht sich demnach ersichtlich auf die Anklageschrift (ON 51 S 3) und ist solcherart nicht geeignet, eine damit allenfalls angesprochene Verfahrensrüge des Angeklagten aus Z 4 zu tragen (RIS-Justiz RS0099244; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 306).
Im Hinblick darauf, dass die Mängelrüge (Z 5) die Feststellung, der Beschwerdeführer habe den Raub (A) unter Verwendung einer Injektionsnadel und solcherart einer Waffe (Eder-Rieder in WK² § 143 Rz 18) begangen, als offenbar unzureichend begründet kritisiert (Z 5 vierter Fall), ist vorweg festzuhalten, dass die Urteilsbegründung unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes dahin zu prüfen ist, ob sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entspricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Indem die angefochtene Entscheidung die relevierte Feststellung aus der als glaubwürdig erachteten Aussage des Zeugen Florian S*****, er habe „etwas Spitzes“ an seiner Hand gespürt und sei von einem der Mittäter damit bedroht worden, dass dies eine „infizierte Spritze“ sei, im Zusammenhalt mit der Überlegung, dass der Beschwerdeführer auch bei dem am selben Tag ausgeführten räuberischen Diebstahl (B) und im Zuge von Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen zu Grunde lagen, eine Injektionsnadel einsetzte, ableitet (US 6), ist sie aus dem Blickwinkel der dargelegten Kriterien zureichender Begründung nicht zu beanstanden.
Soweit die Beschwerde diesen Überlegungen eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Inwieweit der - im Übrigen vom Erstgericht berücksichtigte (US 6) - Umstand, dass sich der Beschwerdeführer mit einer Erinnerungslücke verantwortete, für den Beschwerdestandpunkt sprechen soll, wird nicht klar.
Durch Berufung auf den Zweifelsgrundsatz des Art 6 Abs 2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, dass der Angeklagte unschuldig ist, wird keiner der von Z 5 bezeichneten Fehler behauptet, der Nichtigkeitsgrund daher nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162).
Der von den Tatrichtern vorgenommene Schluss vom gezeigten Verhalten auf das zu Grunde liegende Wollen ist keineswegs unvertretbar, sondern bei Angeklagten, welche die Tatvorwürfe leugnen oder sich - wie hier - mit mangelndem Erinnerungsvermögen verantworten, in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Indem die Beschwerde aus einer Aussagepassage anhand eigener Beweiswerterwägungen auf fehlende Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers schließt, greift sie einmal mehr unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter an.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) - im Übrigen ohne die gebotene Bezugnahme auf konkrete Aktenstellen (RIS-Justiz RS0124172) - die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Suchtmittelkonsum sowie dessen Behauptung einer Erinnerungslücke hervorhebt, gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken an den Feststellungen zur Dispositionsfähigkeit zu wecken. Das Erstgericht bezieht sich insoweit auf das Gutachten der Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie (ON 93 S 5 f iVm ON 40) sowie die Überlegung, dass der Beschwerdeführer zum - am selben Tag wie den Raub verübten- räuberischen Diebstahl (B) hinreichende Erinnerungen hatte (US 7), und gebrauchte damit das ihm gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen (§ 258 Abs 2 StPO) keineswegs in erheblich bedenklicher Weise.
Indem sie als Aufklärungsrüge zu (B) in der unterlassenen Vernehmung der Tanja G***** vor dem erkennenden Gericht eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung einwendet, lässt die Tatsachenrüge - insoweit erforderliche (RIS-Justiz RS0114036; Lässig, Das Rechtsschutzsystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006, 406 [409]) -Darlegungen vermissen, wodurch der Beschwerdeführer an der Ausübung seines Rechts auf sachgerechte Antragstellung gehindert gewesen sei.
Rechts-(Z 9 lit b) und Subsumtions-(Z 10)Rüge erschöpfen sich in der substratlosen Bestreitung der Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer anlässlich der dem Schuldspruch (A) zu Grunde liegenden Tat dispositions- und diskretionsfähig gewesen ist (US 5), und verfehlen solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade in den Feststellungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-SPO § 281 Rz 584).
Die aggravierende Wertung des Umstands, dass der Beschwerdeführer die Tatbestände des Raubes und des räuberischen Diebstahls hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale sowohl der Gewalt als auch der gefährlichen Drohung erfüllt hat (US 9), verstößt - der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider - nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil das Zusammentreffen dieser beiden Tatbestandsvarianten nicht schon die Strafdrohung bestimmt (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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