OGH 13Os107/85

OGH13Os107/8518.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juli 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführers in der Strafsache gegen Albin Markus A und einen anderen wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Albin Markus A gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 17.April 1985, GZ. 22 Vr 3824/84-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (u.a.) der am 27.Mai 1957 geborene Albin Markus A des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (durch Einbruch) nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1, 130, erster Fall, und § 15 StGB schuldig erkannt. Er hat in Gesellschaft des rechtskräftig mitverurteilten Andreas B am 25., 26. und 27.Oktober 1984 gewerbsmäßig sechs Einbruchs- bzw. Einsteigdiebstähle vollendet (A I 1 a bis f) und einen versucht (A II). Tatobjekte waren Einfamilienhäuser und Wohnungen. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte A mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Unter dem erstzitierten Nichtigkeitsgrund rügt er die Abweisung (S. 272 unten) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung seiner Mutter zum Beweis dafür, daß sich in ihrem Schrank keine Diebsbeute befunden habe (S. 272 oben). Könnten doch durchaus seiner Mutter etwa die Pelzjacke oder der Pelzmantel, welche der Stefanie C gestohlen worden waren (A I 1 c), in ihrer Wohnung aufgefallen sein, zumal nach den Annahmen des Erstgerichts die Diebsbeute in ihrer Wohnung gelagert worden sei. Die in Abweisung dieses Beweisantrags gegebene Begründung, es sei ohne weiteres möglich, daß A Diebsgut in der Wohnung seiner Mutter nie versteckt hat, die es aber auch, falls es dort doch versteckt gewesen sein sollte, nicht bemerkt haben könnte (S. 272 unten, wiederholt in den Urteilsgründen S. 288/289), weise der Beschwerde zufolge 'sachliche Gesichtspunkte' nicht auf.

Rechtliche Beurteilung

Eine Verletzung von Verteidigungsrechten liegt indes nicht vor:

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, daß die vom Schöffengericht im Zwischenerkenntnis und in den Urteilsgründen angeführte Möglichkeit, daß das Diebsgut nie in der Wohnung der Mutter gelagert worden sei, dem Urteil insoweit widerspricht, als das Erstgericht annahm, daß A den bei Stefanie C

gestohlenen Schmuck (A I 1 c) in der Wohnung seiner Mutter vorübergehend verstaute (S 283); solche Konstatierungen fehlen jedoch hinsichtlich der dort gleichfalls gestohlenen Pelzbekleidung, sodaß diesbezüglich die Argumentation der Beschwerde (siehe oben) versagt. Auch läßt diese jede Begründung dafür vermissen, und es ist auch nicht erkennbar, weshalb der sich nur auf den Schmuck, nicht auch auf die in der Beschwerde hervorgehobene Pelzbekleidung beziehende Widerspruch relevant sein und die Unterlassung der begehrten Zeugenvernehmung eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten bewirken soll.

Wenn die Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) Feststellungen zur Rauschgiftsucht BS und über dessen 'Rädelsführerschaft' vermißt, wird ebenso wie mit dem Hinweis auf die (Mit- und Vor-)Verurteilung BS wegen Verleumdung nur in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung bekämpft; gleiches gilt für die Ausführungen zum Inhalt und zur Deutung der Kassiber (ON. 22), die der Beschwerdeführer dem Mitangeklagten B zukommen ließ.

Die Beschwerde zeigt in diesen Belangen keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds auf, sondern weist lediglich auf die spekulative Möglichkeit hin, aus den Angaben BS und dem Inhalt der Kassiber andere Schlüsse zu ziehen als das Schöffengericht, das dabei - übrigens ohne Verstoß gegen die Denkgesetze - nur die Beweisergebnisse frei würdigte (§ 258 Abs. 2 StPO). Dazu sei noch bemerkt, daß der Nichtigkeitswerber selbst einräumt, daß das Schöffengericht die Drogensucht BS im Rahmen des Milderungsumstands der verminderten Zurechnungsfähigkeit (S. 290) - wenn auch ohne ausdrückliche Nennung - berücksichtigte, diese also (auch) bei der Beweiswürdigung ebenso präsent war wie die Verleumdung Erich D, derer B im selben Urteil schuldig erkannt wurde (B). Die Rädelsführereigenschaft (hier laut Beschwerbehauptung: des Mittäters) betrifft einen Strafzumessungsgrund, der mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar ist.

Auch im Unterbleiben einer nochmaligen Befragung des Mitangeklagten B zu diversen Aussagen über Vorgänge am 26. Oktober 1984 und einer 'Hinterfragung' der Aussagen des genannten Mitangeklagten liegt kein geeignetes Substrat für die Geltendmachung eines Begründungsmangels. Die fehlende Ausschöpfung aller möglichen Beweise könnte nur als Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO releviert werden, wozu es aber an den formellen Voraussetzungen gebricht: Es wäre dem Beschwerdeführer und seinem Verteidiger nämlich freigestanden, dem Andreas B ihnen wichtig scheinende Fragen zu stellen. Wäre eine dieser Fragen (mit Senatsbeschluß, vgl. dazu u.a. Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 6 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO 2 ) abgelehnt worden, hätte sich im Fall

der - behaupteten - Verletzung von Verteidigungsrechten deren Geltendmachung im Wege einer Verfahrensrüge eröffnet. Mit dem Hinweis auf die fehlende Verwertung der am Tatort in Mils (A I 1 c) von der Gendarmerie gesicherten Schuhsohlenabdrücke (siehe dazu S. 33 f., 89 unten, 93 ff.) macht der Beschwerdeführer abermals keinen Nichtigkeitsgrund geltend. Der Schuldspruch zu A I 1 c wird nämlich auf die belastenden Angaben des Mittäters B und (auch) auf den Inhalt der Kassiber gestützt, nicht jedoch (auch) auf die sichergestellten Spuren am Tatort. Von diesen berichtete die Gendarmerie übrigens, daß das Profil ('Muster') und die Größe der vom Angeklagten A bei der Verhaftung getragenen Schuhe eine 'starke ähnlichkeit' mit den am Tatort (unter Nr. 2 laut Beschreibung in der Tatbestandsmappe, S. 93 ff.) vorgefundenen Spuren der kleineren Schuhe hatten (S. 34 oben).

Auch in diesem Punkt gilt das über die mangelnde Ausschöpfung aller möglichen Beweismittel Gesagte: es fehlt an der erforderlichen Antragstellung.

Schließlich wirft die Mängelrüge dem Schöffengericht zur (hier) für die Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit relevanten Beschäftigungslosigkeit einen Begründungsfehler vor, weil es die Angaben des Angeklagten A beim Untersuchungsrichter am 3. November 1984 über sein Einkommen (S. 7) mit 200 S täglich (laut Beschwerdevorbringen als freiberuflicher Zeitschriftenwerber), die Unterstützung durch seine Mutter und seine Freundin sowie die Sozialhilfeleistungen nicht berücksichtigte.

Indes: Wenn auch der Nichtigkeitswerber bei der Polizei am 30. Oktober 1984 angab, von Zuwendungen der Mutter und der Freundin zu leben (S. 42) und sich in der Hauptverhandlung (s. S. 264) hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse auf Angaben beim Untersuchungsrichter (laut S. 7) bezog, so bezeichnet - die in der Hauptverhandlung verlesene (s. S. 271 i.V.m. S. 240) - Anzeige (vgl. S. 20) Albin Markus A als erwerbs-, einkommens- und vermögenslos.

Unter diesen Umständen konnte das Schöffengericht bei Beurteilung der Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit der Diebstähle ohne einem Begründungsfehler zu unterliegen, davon ausgehen, daß der Angeklagte A im relevanten Zeitraum (vor bzw. bei der Tatbegehung) keine Beschäftigung und kein 'gesichertes' Einkommen hatte (s. S. 289). Eine entsprechende Frage- bzw. Antragstellung ist auch hiezu unterblieben.

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO), welche die vom Gericht angenommene Gewerbsmäßigkeit (§ 130, erster Fall, StGB) bestreitet, geht nicht vom Urteilssachverhalt aus, demzufolge der Angeklagte, wie einleitend angeführt, insgesamt sieben Diebstähle (in gewerbsmäßiger Absicht) beging, sondern beruht vielmehr auf der urteilsfremden Prämisse, der Rechtsmittelwerber habe nur einen einzigen Diebstahl (nämlich den zu A I 1 a) begangen. Sie ist damit nicht zu einer dem Gesetz entsprechenden Darstellung gelangt. Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO) teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i. V.m. § 285 a Z. 2 StPO) in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Für die Erledigung der Berufung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

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