OGH 13Os105/03

OGH13Os105/0324.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mustafa A***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. März 2003, GZ 8 Hv 23/03a-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mustafa A***** wurde "des" Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er von 16. bis 18. Oktober 2002 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge, nämlich "9,0831 kg Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 365 +/- 50 Gramm Heroinbase und 20 +/- 2,2 Gramm Reinsubstanz an Monoacethylmorphinbase aus- und eingeführt, indem er das Suchtgift in seinem PKW versteckt von Sarajevo über Kroatien und Slowenien nach Österreich schmuggelte."

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 5, 5a, "9" und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten - so auch zutreffend die ausführliche Stellungnahme der Generalprokuratur - verfehlt ihr Ziel. Der Vorwurf der Mängelrüge, das Urteil unterstelle dem Angeklagten aktenwidrig die Aus- und Einfuhr von "9,0831 kg bzw rund 9 kg Heroin" in Reinsubstanz negiert die zwischen Gesamtmenge und darin enthaltener Reinsubstanz genau differenzierenden und im Erkenntnis just mit dieser Differenzierung wiedergegebenen Feststellungen. Davon abgesehen spricht die Mängelrüge angesichts des tatverfangenen Wirkstoffgehaltes von "365 +/- 50 Gramm Heroinbase" (im Rechtsmittel: "385 Gramm") keine für die Subsumtion nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG entscheidende Tatsache an.

Nach Maßgabe von Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung sind die zur Wissenkomponente des Vorsatzes getroffenen Feststellungen zwanglos mit den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Einklang zu bringen, dass andere das Einlagern des Suchtgiftes unter der Stoßstange besorgten und der Angeklagte auf Nachfrage nach der Art des Transportgutes von dem das Unternehmen als "gefährlich" bezeichnenden Auftraggeber nur die Antwort erhielt, "dass es letztlich besser sei, wenn er nichts wisse" (US 4). Zudem verschweigt die auf einen Widerspruch zwischen Feststellungen und Begründung - also einen speziellen Fall offenbar unzureichender Begründung (Z 5 dritter Fall; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437 f) - angelegte Mängelrüge den vereinbarten Fuhrlohn von 5.000 Euro. Schließlich haben die Tatrichter auch die Aussage des Angeklagten, wonach er das Transportgut während eines Aufenthaltes in Slowenien „mit der Hand abtastete" (US 5 f), ins Treffen geführt.

Da nach § 7 Abs 1 StGB iVm Art I Abs 1 StRAG für den Tatbestand von Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Teilsatz StGB) hinreicht, geht auch die Kritik am festgestellten Wissen des Angeklagten (§ 5 Abs 3 StGB) um die Suchtgiftqualität des Transportgutes als nicht entscheidend ins Leere.

Indem die "geringere Schuld" geltend machende Tatsachenrüge (Z 5a) die zu den entscheidenden Tatsachen getroffenen Feststellungen gar nicht mit Bestimmtheit in Abrede stellt, verfehlt sie die erforderliche Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Nicht am Prozessrecht ausgerichtet sind auch Rechts- und Subsumtionsrüge:

Die Beschwerde legt nämlich nicht dar, was die Aufnahme (auch) des Wirkstoffes Monoacethylmorphinbase in Erkenntnis und Feststellungen am Schuldspruch geändert haben soll. Gleichermaßen im Dunkeln bleibt der Bedeutungsinhalt des Vorbringens, wonach "für das als Suchtgift einzustufende(n) Heroin in der SGV verschieden hohe Grenzwerte genannt sind, sodass die Basis für eine (vielfache) Überschreitung nicht gesichert ist."

Warum es zur Hintanhaltung eines Widerspruchs zwischen Spruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und Urteilsgründen erforderlich sein sollte, auch das festgestellte Tatmotiv (Verbringung des Suchtgiftes nach Deutschland) im Erkenntnis zu referieren, ist nicht nachzuvollziehen (inhaltlich Z 5 dritter Fall; WK-StPO § 281 Rz 276). Nicht weniger unverständlich ist die Behauptung, das Erkenntnis spreche - abweichend von den Urteilsgründen - davon, dass der Angeklagte am 16. und 17. Oktober 2002 "in Österreich war" (inhaltlich Z 3; WK-StPO § 281 Rz 277). Weshalb aus der eigenständigen Verwendung des Begriffes "Durchfuhr" in der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961 und in den verwaltungsbehördlichen Überwachungsvorschriften der §§ 10, 19 und 22 SMG abzuleiten sein sollte, dass - entgegen dem auf eine derartige Einschränkung verzichtenden Wortlaut des § 28 Abs 2 SMG - nur in der Absicht, „es im Inland zu konsumieren oder in Verkehr zu bringen", eingeführtes Suchtgift als eingeführt iS dieser Vorschrift zu gelten habe (vgl dagegen Fabrizy StGB8 § 27 SMG Rz 1), wird nicht klar. Aus welchem Grund nämlich sonst in den zum Beleg der These angeführten Bestimmungen "ein eigener 'Durchfuhr'-Begriff entbehrlich gewesen wäre", lässt der Beschwerdeführer offen, sodass sich das Vorbringen in einer substratlosen Rechtsbehauptung erschöpft. Nicht weniger undeutlich (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) ist der Hinweis auf die Definition des Begriffes „Transitstaat" im Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen, BGBl III Nr 154/1997.

Gleichermaßen unbegründet bleibt die Behauptung, die österreichischen Strafgesetze gälten "nur für Inlandstaten". Soweit die Beschwerde unmittelbar anschließend - im offenen Gegensatz dazu - deren Geltung auf die im § 64 Abs 1 Z 4 StGB genannten Auslandsstraftaten grundsätzlich zugesteht, vorliegend aber mangels Verletzung österreichischer Interessen in Abrede stellt, bleibt sie jedes Argument dafür und für die weitere These schuldig, österreichische Interessen könnten dann nicht verletzt werden, wenn keine Absicht bestehe, das von der Auslandstat betroffene Suchtgift in Österreich zu verbreiten (vgl übrigens RIS-Justiz RS0092207, 15 Os 121/94). Warum entgegen dem offen zutage liegenden Wortlaut des § 64 StGB (" ... gelten unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts ...") die Geltung der österreichischen Strafgesetze von den Strafgesetzen des Tatorts gar wohl abhängig sein sollte, wird ebensowenig klar. Die für den Beschwerdestandpunkt reklamierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (13 Os 13/97) enthält eine derartige Aussage denn auch bloß zu § 65 StGB. Ins Leere geht folgerichtig auch die - zudem nicht durch Feststellungen über fehlendes Überschreiten der österreichischen Staatsgrenze gedeckte - Behauptung, dass das Handeln des Angeklagten insgesamt nur versuchte Einfuhr begründe, wurden doch durch den Transport des Suchtgiftes bis zur österreichischen Staatsgrenze bereits zwei real konkurrierende Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG verwirklicht (vgl WK-StPO § 281 Rz 292, 622 ff)

Weswegen ein (behaupteter) Strafbarkeitsirrtum - entgegen Rechtsprechung und Lehre (statt aller: Kienapfel/Höpfel AT10 Z 18 Rz 30 f, Fuchs AT I5 104) - als schuldausschließender Rechtsirrtum (§ 9 StGB) zu beurteilen gewesen wäre, bleibt nicht minder offen. Indem die Beschwerde nachfolgend die getroffenen Feststellungen zum subjektiven Unrechtselement in Zweifel zieht, verfehlt sie erneut die gesetzlichen Anfechtungskategorien der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Eine methodisch vertretbare Ableitung ihrer abschließenden Rechtsbehauptung, wonach ein zwecks Überprüfung seiner (kriminellen) Verlässlichkeit zum grenzüberschreitenden Transport eines im Kilobereich liegenden Suchtgiftgemisches mit einem Gesamtwirkstoffgehalt des immerhin 105-fachen der Grenzmenge (= 315 g Heroinbase) angeheuerter Täter nicht nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG tatbildlich handeln könne, bleibt sie gleichfalls schuldig.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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