European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00104.23B.1220.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* H* jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom Jänner 2006 bis zum 4. Juli 2009 in P*
(I) „in 15 Angriffen“ mit dem * 1995 geborenen, sohin unmündigen M* H* eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er
1) in vier Angriffen Oralverkehr an ihm vollzog sowie
2) einmaldessen Kopf – ohne dabei Gewalt anzuwenden – gegen seinen Penis drückte und an sich Oralverkehr vornehmen ließ,
(II) in insgesamt rund 80 Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB an dem unmündigen M* H* eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von diesem an sich vornehmen lassen, indem er dessen Penis angriff und masturbierte oder ihn anleitete, seinen Penis anzugreifen und zu manipulieren, sowie
(III) durch die zu I und II angeführten Tathandlungen mit dem minderjährigen und seiner Aufsicht unterstehenden M* H* unter Ausnützung seiner Stellung ihm gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen sowie von diesem an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende, also – soweit hier von Interesse (die Grenzen der Sanktionsbefugnis werden insoweit nicht angesprochen) – für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen (RIS‑Justiz RS0106268). Umstände hingegen, welche bloß die Individualisierung betreffen, sind ebenso wenig entscheidend (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 406 mwN) wie jene, die etwa nur für die Strafbemessung von Bedeutung sind (RIS-Justiz RS0099497).
[5] Solcherart versagen die gegen die Feststellung des Beginns der Tathandlungen, wonach es zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Jänner 2006 und 4. Juli 2009 zum ersten Übergriff durch den Angeklagten kam (US 4), gerichteten Einwände der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall).
[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, den Feststellungen zum Schuldspruch I seien insgesamt bloß fünf Angriffe zu entnehmen, und fordert einen Freispruch in Ansehung der zehn weiteren, allein in der Formulierung „in 15 Angriffen“ (US 5) enthaltenen Tathandlungen, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthalte.
[7] Unter dem Aspekt der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ist jedoch (allein) zu prüfen, ob der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) den Schuldspruch (§ 260 Abs 2 Z 2 StPO) I wegen mehrerer (in der Anzahl unbestimmt gebliebener) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (US 2) trägt (vgl jüngst 13 Os 77/21d mwN).
[8] Davon ausgehend leitet die Rüge nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer am Unmündigen in vier Angriffen Oralverkehr vollzog sowie in einem Fall Oralverkehr an sich vornehmen ließ (US 5 f), für die vorgenommene Subsumtion nicht ausreichen sollten.
[9] Mit der Kritik der Sanktionsrüge (Z 11), der Milderungsgrund des Wohlverhaltens seit länger zurückliegender Tatbegehung (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) sei gänzlich unbeachtet geblieben, wird nur ein Berufungsgrund geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0099892 [T5], RS0099920 und RS0099869 [T12, T13 und T14]).
[10] Die Persönlichkeit des Angeklagten, den Grad seiner Schuld sowie die Art der Tat hat das Erstgericht entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen zu Recht im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung berücksichtigt (siehe § 32 Abs 1 bis 3 StGB).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[12] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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