OGH 13Os10/05b

OGH13Os10/05b2.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Martin F***** und die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Corinna H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 25. Oktober 2004, GZ 36 Hv 190/04z-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martin F***** wird zurückgewiesen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Corinna H***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem diese Angeklagte betreffenden Schuldspruch und im Ausspruch nach § 13 Abs 1 JGG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Martin F***** werden die Akten (vorerst) dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Martin F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gerhard G***** der Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (A 1) und der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (A 2), Martin F***** jeweils als Beitragstäter der Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach §§ 12 dritter Fall, 15, 169 Abs 1 StGB (B 1) und der Brandstiftung nach §§ 12 dritter Fall, 169 Abs 1 StGB (B 2) und Corinna H***** zweier Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (C 1 und 2) schuldig erkannt. Danach haben in Absam

A) Gerhard G*****

1. am 10. April 2004 im Sägewerk des Hubert K***** ohne dessen Einwilligung dadurch, dass er zunächst hinter dem Eingang der Sägewerkshalle Benzin verschüttete und danach Feuerzeugbenzin auf einem Sägespanhaufen verschüttete und anzündete, eine Feuersbrunst zu verursachen versucht;

2. am 17. April 2004 im aufgelassenen Vintschgerhof des Johann U***** ohne dessen Einwilligung dadurch, dass er mit einem Feuerzeug einen unmittelbar hinter dem Tennentor befindlichen sehr trockenen Heuhaufen anzündete, eine Feuersbrunst verursacht;

B) Martin F***** zu den unter A 1 und 2 beschriebenen Taten des Gerhard G***** dadurch beigetragen, dass er

1. sich am 10. April 2004 gegenüber Gerhard G***** für eine Brandlegung aussprach, dessen Entschluss, das Sägewerk des Hubert K***** anzuzünden, entscheidend beeinflusste und diesem einen Kanister mit Benzin mitbrachte und ihn in seinem Auto gemeinsam mit Corinna H***** zum Sägewerk begleitete;

2. am 17. April 2004, indem er sich gegenüber Gerhard G***** für eine Brandstiftung im Vintschgerhof des Johann U***** als Objekt einer Brandstiftung mit anschließendem Feuerwehreinsatz aussprach, dadurch dessen Entschluss, den Vintschgerhof anzuzünden, entscheidend beeinflusste;

C) Corinna H***** dadurch, dass sie jeweils vorsätzlich unterlassen

hat, die unmittelbar bevorstehende oder schon begonnene Ausführung einer Handlung, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, nämlich das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB, zu verhindern, wobei die eine strafbare Handlung versucht (A 1) und die andere vollendet worden ist (A 2), indem sie es unterließ, über das Mobiltelefon, das sie bei sich trug, die Gendarmerie zu verständigen, und zwar

1. am 14. April 2004 Gerhard G***** an der zu Punkt A 1 beschriebenen Tat und

2. am 17. April 2004 Gerhard G***** an der zu Punkt A 2 beschriebenen Tat.

Dagegen wenden sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Martin F***** (aus Z 5, 5a und 9 lit a) und Corinna H***** (aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Während die Beschwerde des Angeklagten F***** ihr Ziel verfehlt, ist jene der Angeklagten H***** berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martin F*****:

Das zur Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5, 5a) in einem erstattete Vorbringen besteht teils aus einer Erörterung von Vorverfahrensergebnissen und der Anklageschrift, zum anderen in Hinweisen darauf, dass in der Hauptverhandlung die Rolle des Beschwerdeführers durch den Mitangeklagten (hinsichtlich der Auswahl der Brandobjekte) hervorgehoben wurde. Damit werden jedoch weder Begründungsmängel (Z 5) aufgezeigt noch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen geweckt (Z 5a). Die beanstandeten Feststellungen zu dem die Taten fördernden Verhalten des Beschwerdeführers sind vielmehr mängelfrei. Sie begegnen auch angesichts des ins Treffen geführten Gutachtens zum Geisteszustand des Mitangeklagten keinen erheblichen Bedenken (eingehend US 13 ff). Worin der behauptete Widerspruch zwischen den zur Wissens- und zur Willenskomponente des Vorsatzes (vgl Leukauf/Steininger Komm³ § 5 Rz 1) im Urteil getroffenen Feststellungen liegen soll, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; US 8), ebenso wenig, weshalb das Erstgericht hätte Feststellungen darüber treffen müssen, dass es dem Beschwerdeführer in anderen Fällen gelungen sei, den Mitangeklagten von einer Brandlegung abzuhalten.

Ein Widerspruch zwischen Feststellungen kann entgegen der Beschwerde auch darin nicht erblickt werden, dass der Beschwerdeführer zunächst den Mitangeklagten in seinen Tatentschlüssen bestärkte und später äußerte, er wolle an der Tat laut Schuldspruch Punkt A 2 nicht teilnehmen, der Erstangeklagte solle sie bleiben lassen (US 9). Der Beschwerdeführer zeigt mit der Erörterung der „Aussagekraft" des Umstandes, dass er am 17. April 2004 in einem bestimmte Restaurant eine Rechnung verlangte (US 15 f), keinen Begründungsmangel deutlich und bestimmt auf (Z 5; §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht, indem sie zu den Schuldsprüchen B 1 und 2 „sachverhaltsmäßige Grundlagen" zur Kausalität des als Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) beurteilten Verhaltens vermisst, über die diesbezüglichen Konstatierungen (US 7 und 9) hinweg. Bei Ausführung einer Rechtsrüge ist jedoch nach der Prozessordnung stets der im Urteil festgestellte Sachverhalt zugrunde zu legen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F***** war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Corinna H*****:

Zwar umfasst der Urteilssachverhalt entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) auch jene Feststellungen, die für die Beurteilung der - unterlassenen - Verständigung der Gendarmerie in den vorliegenden Fällen als Handlung mit Erfolgsabwendungstendenz erforderlich sind (US 7 bis 10; vgl dazu Kienapfel/Höpfel AT I11 Z 28 Rz 4, Z 29 Rz 3 ff).

Zu Recht macht die Angeklagte jedoch geltend, dass ihre den Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite entgegenstehende Verantwortung in der Beweiswürdigung mit Stillschweigen übergangen wurde (Z 5 zweiter Fall).

Sie sagte, worauf die Beschwerdeargumentation zutreffend verweist, in der Hauptverhandlung in Ansehung der ersten Brandstiftung bezüglich des Erstangeklagten aus, dass sie „nicht dachte, dass er die Tat begeht", und dass sie „ihm eine solche Tat nicht zutraute" (S 79/II). Zur zweiten Brandstiftung gab sie an, sie habe die Gendarmerie nicht gerufen, weil sie sich „das Gleiche dachte wie eine Woche davor" bei der ersten Tat (S 99/II).

In der Beweiswürdigung zu den Feststellungen über die Willensausrichtung der Beschwerdeführerin wird ausgeführt, nach ihren Schilderungen sei „klar" gewesen, „dass der Erstangeklagte hingeht, um eine Brandstiftung zu begehen" (US 17). Ihre dem widersprechende Aussage in der Hauptverhandlung blieb unerörtert.

Wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ, ist das Urteil unvollständig im Sinn des zweiten Falles der Z 5 (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 421). Dies ist hier, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, der Fall.

Dieser Begründungsmangel zieht die Aufhebung des Schuldspruchs der Angeklagten H***** - über die gemäß § 13 Abs 1 JGG keine Strafe verhängt wurde - und die Anordnung der Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung nach sich (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO).

Daher kann die übrige Mängelrüge auf sich beruhen.

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