OGH 13Os100/03

OGH13Os100/033.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Miroslav J***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14. Mai 2003, GZ 427 Hv 3/02a-156, und die implizierte Beschwerde des Angeklagten (§ 498 Abs 3 StPO) gegen den zugleich mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die implizierte Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Miroslav J***** der Verbrechen des Mordes nach 75 StGB (1) und (in drei Fällen) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2 a bis c) schuldig erkannt, weil er 20. März 2002 in Wien nachgenannte Personen durch Messerstiche „getötet bzw. zu töten versucht hat", und zwar

1.) Vera J***** durch einen Stich gegen den Brustkorb mit Herzverletzung, der eine innere Verblutung zur Folge hatte, getötet;

2.) zu töten versucht, und zwar

a) Slobodan B***** „durch eine 4 cm lange Stichwunde im linken Rückenbereich über dem Schulterblatt", die zu einer Eröffnung der Brusthöhle führte;

b) Javorka B***** „durch eine Stichwunde im rechten Brustkorbbereich in der Höhe der rechts neben dem Brustbein, eine zweite Stichwunde im rechtsseitigen Oberbauch", wodurch es zu einer Eröffnung der rechten Brusthöhle mit Blutbrustfüllung und zu einer Eröffnung der Bauchhöhle mit Verletzung des Zwerchfelles und der Leber kam;

c) Bozidar B***** durch einen Stich in die rechte Brustkorbhälfte in der Höhe des vierten Zwischenrippenraumes in der Schlüsselbeinlinie, wodurch es zu einer Prellung der linken Brustkorbhälfte und „zu der genannten Stichverletzung von 2 cm Länge" kam.

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Z 4, 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Beschwerde (Z 4) zuwider hat der in der Hauptverhandlung als Zeuge befragte Sohn des Angeklagten durch die nach Belehrung gemäß § 152 Abs 1 Z 2 und Abs 5 StPO abgegebene Erklärung, aussagen zu wollen (S 445/III), auf sein Entschlagungsrecht gesetzeskonform verzichtet. Urteilsnichtigkeit nach Z 4 iVm § 250 Abs 2 StPO tritt, wenn der Vorsitzende den Angeklagten nach § 250 Abs 1 StPO während der Abhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal hat abtreten lassen, nur ein, wenn die Mitteilung von dem, was der in Abwesenheit des Angeklagten Vernommene ausgesagt hat, nicht vor Schluss des Beweisverfahrens (§ 255 Abs 1 erster Satz, § 310 Abs 1 erster Satz) nachgetragen wurde. Im gegebenen Fall begründete daher entgegen der Beschwerdeauffassung die Information des Angeklagten über den Inhalt der während seiner Abwesenheit abgelegten Aussage seines Sohnes erst am Tag nach dessen Vernehmung keine Nichtigkeit. Mangelhafte Protokollierung - hier: dass unklar sei, ob der Angeklagte „bei Verkündung des Beschlusses des Vorsitzenden über die Fortsetzung der Hauptverhandlung sowie (über) die Gebühren der beigezogenen Dolmetscherin der Hauptverhandlung wieder persönlich beiwohnte" - kann aus Z 4 nicht geltend gemacht werden. Mit Nichtigkeit ist bedroht, wenn überhaupt kein Protokoll geführt wird (Ratz, WKStPO § 281 Rz 262).

Die Vorschrift des § 260 StPO betrifft nur die Fassung des (schuldig sprechenden) Urteils, nicht dessen Wiedergabe im Hauptverhandlungsprotokoll. Auf den Umstand, dass dort der Inhalt des Urteils nicht aufscheint, kann ein Einwand nach Z 4 iVm § 260 StPO daher nicht gestützt werden.

Aus welchen Erwägungen eine „Überforderung der Geschworenen", die der Beschwerdeführer daraus ableiten will, dass in der vorliegenden Strafsache vor dem nunmehrigen Wahrspruch ein (dann ausgesetzter) anderer - auch in Richtung des Verbrechens des Totschlags - nach vierstündiger Beratung ergangen war, während nunmehr das Abstimmungsergebnis nach „einer relativ kurzen Beratung" einstimmig ausfiel, Nichtigkeit nach Z 6 bewirken soll, wird in der Beschwerde nicht aus dem Gesetz abgeleitet.

Letzteres gilt auch für den Einwand (Z 8), den Geschworenen hätte Rechtsbelehrung „zur Straffrage" erteilt werden müssen (vgl § 321 Abs 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die implizierte Beschwerde folgt (§§ 344, 285i StPO).

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