OGH 13Ns17/90

OGH13Ns17/9025.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Wilhelm P*** sen und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 7 Vr 1366/89-389 des Landesgerichtes Klagenfurt über die Erklärung des Angeklagten Ing. Wilhelm P*** sen, das Oberlandesgericht Graz abzulehnen, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz ist nicht zulässig.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Klagenfurt wird zu 7 Vr 1366/89 gegen Ing. Wilhelm P*** sen und andere die Voruntersuchung wegen des Verdachtes der Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2,

2. Fall, StGB sowie der Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 2 StGB und nach dem § 24 Abs. 1 lit b iVm § 3 Z 2 Devisengesetz geführt.

In diesem Verfahren macht der Beschuldigte Ing. Wilhelm P*** sen ohne namentliches Anführen von Richtern die Ablehnung (des die Voruntersuchung führenden Landesgerichtes Klagenfurt und auch) des Oberlandesgerichtes Graz (als Gerichtshof zweiter Instanz) geltend.

Er stützt dies auf eine massive Presseberichterstattung zu mit der Voruntersuchung im Zusammenhang stehenden Ereignissen, die zu einer massiven Meinungsbildung innerhalb der Kärntner Bevölkerung geführt habe, wobei die Richter des Landesgerichtes Klagenfurt davon nicht unberührt geblieben seien. Sie hätten sich als Leser der Zeitungen eine Meinung gebildet und den Beschuldigten deswegen in den Mittelpunkt des allgemeinen Schuldvorwurfes gerückt. Auch die Richter der Oberlandesgerichtes Graz wären "in dieses öffentliche Meinungsdiktat einbezogen" worden. Ohne sachliche Begründung würde dem Beschuldigten jede Schuld zugewiesen werden, was sich aus den vom Oberlandesgericht Graz in diesem Verfahren getroffenen Entscheidungen ergäbe.

Rechtliche Beurteilung

Mitglieder eines Gerichtes können nach dem § 72 Abs. 1 StPO abgelehnt werden, wenn (außer den Fällen der Ausgeschlossenheit nach den §§ 67 bis 69 StPO) Gründe angegeben und dargetan werden, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen. Dafür müssen Umstände glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die Annahme ableiten läßt, der Richter werde sich bei seiner Entscheidung von anderen als allein sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen, wobei die bloß subjektive Annahme oder Besorgnis einer Partei, ein Richter könne befangen sein, nicht ausreicht (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 7 zu § 72; Foregger-Serini, StPO4, Anm I zu § 72). Dies ist umsoweniger der Fall, wenn nicht einmal der äußere Anschein richterlicher Befangenheit vorliegt. Entgegen den Ausführungen im Ablehnungsantrag kann aus den bisher ergangenen Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Graz, die sich mit Verdachtslage und Haftgründen bezüglich des Beschuldigten Ing. Wilhelm P*** sen beschäftigen (sh ON 118, 233, 309 und 390; die Entscheidung ON 119 bezieht sich auf den Mitbeschuldigten Dipl.Ing. Klaus K***, ON 341 und 357 haben lediglich Sachverständigengebühren zum Gegenstand), keineswegs auf eine hinreichende Grundlage für die Annahme oder den bloßen Anschein einer Befangenheit des Oberlandesgerichtes Graz insgesamt als Gerichtshof zweiter Instanz geschlossen werden, weil die (bloß subjektive) Befürchtung mangelnder objektiver richterlicher Einstellung aus dem Inhalt bestimmter Rechtsmittelentscheidungen abgeleitet wird, ohne daß in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für unsachliche Komponenten der entscheidungstragenden Meinungsbildung vorlägen oder auf eine solche Unsachlichkeit hindeutende Umstände glaubhaft gemacht worden wären (12 Ns 20/90). Insbesondere die vom Ablehnungsantrag in den Vordergrund gestellte Frage der Unternehmensführung ab Juni 1987 hat das Oberlandesgericht Graz in seiner letzten Entscheidung (vom 24. August 1990, ON 390 d.A) durchaus ersichtlich in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen (sh AS 446/XVII), sodaß daraus Gründe, die an seiner vollen Unbefangenheit zweifeln ließen, nicht abgeleitet werden können.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Ablehnung des Gerichtshofes zweiter Instanz (dessen Mitglieder sich - mit zwei Ausnahmen, die sich zur Zeit der Befragung auf Urlaub befanden - sämtlich für nicht befangen erachteten) als ungerechtfertigt. Da ohne namentliche Bezeichnung einzelner Mitglieder das Oberlandesgericht Graz als Gerichtshof zweiter Instanz insgesamt abgelehnt wurde, war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden (§ 74 Abs. 2 letzter Satzteil StPO). Über die Ablehnung der Richter des Landesgerichtes Klagenfurt wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben.

Soweit im Ablehnungsantrag des Beschuldigten Ing. Wilhelm P*** sen (ON 389) sowie vom Mitangeklagten Dipl.Ing. Klaus K*** (ON 398) die Delegierung der Strafsache an ein außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Oberlandesgerichtes Graz gelegenes Gericht beantragt wird, sei vorweg darauf hingewiesen, daß eine Delegierung nach den §§ 62, 63 StPO auf Befangenheit einer Gerichtsperson nicht gestützt werden kann (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 12 zu § 61; 15 Os 187,188/87). Über die beantragte Delegierung aus den Gründen des § 62 StPO wird allerdings nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft und neuerlicher Aktenvorlage gesondert zu entscheiden sein.

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