European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00098.16B.0922.000
Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 24. Juni 2015, GZ 216 U 137/14y‑20, verletzt § 57 Abs 2 StGB.
Dieses Urteil wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Milovan N***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 21. Juni 2013 in G***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Andreas W***** durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen, zum Verkauf eines Motorrads der Marke Honda Goldwing zum Preis von 3.000 Euro sowie eines Motorradhelms zum Preis von 70 Euro, also zu einer Handlung verleitet, die Andreas W***** durch Nichtbezahlung des restlichen Kaufpreises von 1.470 Euro am Vermögen schädigte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Privatbeteiligte Andreas W***** wird mit seinen Ansprüchen
auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gründe:
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 24. Juni 2015, GZ 216 U 137/14y‑20, wurde Milovan N***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je fünf Euro, im Nichteinbringungsfall zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Milovan N***** am 21. Juni 2013 in G***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Andreas W***** durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen, zum Verkauf eines Motorrads der Marke Honda Goldwing zum Preis von 3.000 Euro sowie eines Motorradhelms zum Preis von 70 Euro, also zu einer Handlung verleitet, die Andreas W***** durch Nichtbezahlung des restlichen Kaufpreises von 1.470 Euro am Vermögen schädigte.
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 24. Juni 2015, GZ 216 U 137/14y‑20, das Gesetz in § 57 Abs 2 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht.
Nach § 57 Abs 2 erster Satz StGB erlischt die Strafbarkeit anderer als der in Abs 1 leg cit angeführten Taten durch Verjährung. Wenn die Handlung mit mehr als sechsmonatiger, aber höchstens einjähriger Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 57 Abs 3 StGB ein Jahr. Sie beginnt mit Beendigung des deliktischen Verhaltens.
Da auch keine Hinweise dafür vorliegen, dass die betrügerisch herausgelockten Gegenstände bei anzunehmendem Bereicherungsvorsatz nicht unmittelbar nach Vertragsabschluss (am 21. Juni 2013) noch im Juni 2013 an Milovan N***** ausgefolgt wurden (vgl ON 2 S 2, 5, 9; ON 3 S 13, 17), der Vermögensschaden daher – ungeachtet der Bezahlung einzelner Raten durch den Verurteilten – ebenfalls noch in diesem Monat eingetreten ist (vgl § 58 Abs 2 StGB; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 248), lief die Verjährungsfrist jedenfalls im Juni 2014 ab und trat im Folgenden Verjährung ein. Die erstmalige Vernehmung des Milovan N***** als Beschuldigter (vgl § 58 Abs 3 Z 2 StGB) erfolgte erst am 13. August 2014 (ON 3 S 11).
Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten unzweifelhaft zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Weil die Frage der Verjährung kein prozessuales Verfolgungshindernis betrifft, sondern einen materiellen Strafaufhebungsgrund (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 619 ff; Marek in WK2 StGB Vorbem §§ 57–60 Rz 1), scheidet eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst bei nicht ausreichender Feststellungsbasis an sich aus. Da die Ergänzung aktuell fehlender Feststellungen (hier zu sonstigen fristverlängernden Umständen im Sinne des § 58 StGB) nach der Aktenlage auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten ist, war aus prozessökonomischen Erwägungen von einer Verweisung an die erste Instanz abzusehen und in der Sache selbst zu entscheiden (Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 24; Marek in WK2 StGB § 57 Rz 19). Demzufolge war der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Einer Aufhebung der vom Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 24. Juni 2015 rechtslogisch abhängigen Entscheidungen, insbesondere des Kostenbestimmungsbeschlusses vom 14. Oktober 2015 (ON 24), bedurfte es nicht (RIS‑Justiz RS0100444).
Der Zulässigkeit der Durchbrechung der Rechtskraft steht auch die im Sinne des Art 1 des 1. ZPEMRK geschützte Position der Privatbeteiligten nicht entgegen, weil bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) im Strafverfahren stets der Schutz des Angeklagten prävaliert (RIS‑Justiz RS0124740 [insbesondere T3]; Ratz, WK‑StPO § 362 Rz 3).
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