Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 28.April 1950 geborene Kellnerin Christine A des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79
StGB schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen gebar die Angeklagte am 20.Oktober 1977
ohne fremde Hilfe am Schlupfklosett ihres Wohnhauses in Hausmening (Bezirk Amstetten) einen - vollständig ausgetragenen und voll lebensfähigen - Knaben. Während des Geburtsvorganges entschloß sie sich, das Kind zu töten.
Vorsätzlich hielt sie ihm Mund und Nasenöffnung zu, unterbrach diesen Vorgang kurz, als sich beim Kind bereits deutlich Erstickungszeichen zeigten, und setzte schließlich den Erstickungsvorgang fort, was zum Tod des Kindes führte. Anschließend warf sie den leblosen Körper in das Klosett, sodaß dieser in der angrenzenden Sickergrube zu liegen kam. Dort wurde die Leiche am 23. Oktober 1977 geborgen.
Ihren Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer nur auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie geltend macht, es komme ihr der Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB zustatten.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 11 StGB handelt nicht schuldhaft, wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Für die (rechtliche) Annahme einer Zurechnungsunfähigkeit ist demnach erforderlich, daß dem Täter wegen eines der im § 11 StGB umschriebenen Zustände die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit fehlt.
Im gegebenen Fall nahm das Erstgericht an, daß bei der Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat lediglich ein durch äußere Umstände bedingter Verstimmungszustand, jedoch weder eine Psychose noch eine schwere Störung ihrer Bewußtseinstätigkeit oder eine andere schwere, einer solchen gleichwertige seelische Störung vorlag. Es stützte sich hiebei auf das - schlüssige und im Sinne der §§ 125, 126 StPO mängelfreie - Gutachten des dem Verfahren beigezogenen gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Primarius Dr. B, das in der Hauptverhandlung verlesen wurde (S. 210 d.A.) und worin ausgeschlossen wurde, daß bei der Angeklagten zur Tatzeit eine Geisteskrankheit, ein Schwachsinn, eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung oder eine solche andere schwere, einem der vorgenannten Zustände gleichwertige seelische Störung bestand, welche eine Aufhebung ihrer Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit bewirkte (vgl. S. 181 ff. d.A.). Der Auffassung der Beschwerdeführerin zuwider steht damit nicht in Widerspruch, daß sich bei ihr deutliche Störungen der seelischen Entwicklung mit Neigung zu reaktiven depressiven Verstimmungszuständen und abweichenden Verhaltensreaktionen fanden und für die Tatzeit ein bereits länger andauernder Verstimmungszustand gegeben war, der aus ihrer Persönlichkeitsentwicklung und aus ihrem Lebensschicksal resultierte. Denn als schwere seelische Störung im Sinne des § 11 StGB (letzter Fall) kommt nur ein (nicht auf pathologischer Grundlage beruhender) seelischer Ausnahmezustand in Betracht, der so intensiv und ausgeprägt ist, daß er nach seiner Bedeutung für die Geistestätigkeit und Willensbildung einer Geisteskrankheit, einem Schwachsinn oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung (vollkommen) gleichkommt (vgl. EvBl 1976/72 und 115 u.a.). Hievon kann jedoch bei den vom gerichtspsychiatrischen Sachverständigen aufgezeigten seelischen Störungen der Angeklagten nicht die Rede sein.
Dem Ausspruch des Gerichtes, wonach es auszuschließen sei, daß die Angeklagte die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat, haftet sohin ein Rechtsirrtum nicht an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach § 79 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 16.November 1977, GZ 19 E Vr 756/77-11, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 (neun) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Geständnis der Angeklagten und deren bisherigen ordentlichen Lebenswandel. Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte 'unter Anwendung des § 37 StGB die Umwandlung der unbedingten Haftstrafe in eine Geldstrafe, in eventu Anwendung des bedingten Strafnachlasses, oder aber zumindest eine wesentliche Reduzierung des Strafausmaßes' an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die Berufung geltendmacht, daß die Angeklagte die Tat im Zustand einer heftigen Gemütsbewegung begangen habe, so kann dieser Umstand schon deshalb nicht gesondert als mildernd gewertet werden, weil er als solcher bereits die Anwendung des (gegenüber dem Mord nach § 75 StGB ) privilegierten Tatbestands des § 79 StGB zur Folge hat und daher bei der konkreten Strafbemessung nicht nochmals verwertet werden darf. Für die Behauptung, die Angeklagte habe die Tat unter Umständen verübt, die einem Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgrund nahekommen, bietet die Aktenlage keine Grundlage. Die Berufungswerberin vermag mithin weitere Milderungsgründe nicht aufzuzeigen. Dagegen kommt als erschwerend hinzu, daß der Angeklagten (unter Berücksichtigung jener Vor-Verurteilung, auf welche gemäß § 31 StGB Bedacht genommen wurde) zwei verschiedene strafbare Handlungen zur Last liegen (§ 33 Z. 1 StGB ).
Unter Zugrundelegung der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe und in Beachtung der in § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung entspricht aber das vom Erstgericht gefundene Strafausmaß dem Schuldgehalt der Tat und der Täterpersönlichkeit, weshalb eine Reduzierung der Strafe nicht in Betracht kam.
Damit scheidet aber schon wegen der Höhe der (verhängten) Freiheitsstrafe die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe aus, weil § 37 StGB (unter anderem) voraussetzt, daß auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten zu erkennen wäre.
Aber auch dem Begehren auf Gewährung bedingter Strafnachsicht konnte nicht entsprochen werden.
Ob die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe (allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen) genügen werde, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht der Strafvollstreckung bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, hängt nicht nur von der Person des Täters und seinem Vorleben, sondern auch von der Art der Tat und dem Grad seiner Schuld ab (§ 43 Abs 1 zweiter Satz StGB ). Dabei ist gerade bei einem vorsätzlichen Tötungsdelikt ein strenger Maßstab anzulegen; eine bedingte Strafnachsicht kommt diesfalls nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht, die in bezug auf die Angeklagte nicht gegeben sind, befand sie sich doch - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - keineswegs in einer ausweglosen Situation.
Dazu kommt aber, daß der Angeklagten auch ein hoher Grad an Schuld vorzuwerfen ist.
So gesehen hat das Erstgericht zu Recht die Gewährung bedingter Strafnachsicht abgelehnt, sodaß der Berufung zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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