OGH 12Os96/92

OGH12Os96/9226.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Ostheim als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr.Wolfgang L***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 21. Mai 1992, GZ 13 Vr 351/90-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Kodek, des Angeklagten Dr.Wolfgang L*****, des Verteidigers Dr.Hirtzberger und des Privatbeteiligtenvertreters Dr.Cudlin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.März 1941 geborene Primararzt des Krankenhauses K***** Dr.Wolfgang L***** wurde des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit von 1988 bis Ende Mai 1990 in K***** als Vorstand des Pathologischen Institutes die ihm durch Rechtsgeschäft, nämlich durch seinen Dienstvertrag eingeräumte Befugnis, den in seinem Institut tätigen Angestellten Arbeiten aufzutragen und über Gerätschaften und Materialien des Krankenhauses zu disponieren und solcherart über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er zytologische Befunde erstellen ließ und nicht über das Krankenhaus, sondern selbst mit den Sozialversicherungsanstalten abrechnete, wodurch er der Stadt K***** einen Vermögensnachteil von 235.416 S zufügte.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte sowohl als Vorstand des Pathologischen Institutes im zytologischen Labor des Krankenhauses K***** als auch im Rahmen seiner in W***** und K***** geführten Privatordinationen Untersuchungen von Abstrichen durch, die gynäkologische Fachärzte, praktische Ärzte oder auch diverse Krankenhäuser in Auftrag gaben. Soweit das Krankenhaus K***** derartige Untersuchungen mit den zahlungspflichtigen Sozialversicherungsträgern abrechnete, stellte es (nach Maßgabe der entsprechenden Tarifbestimmungen) für jede Untersuchung 60 S in Rechnung, wovon dem Angeklagten - wie bei anderen unter seiner Mitwirkung erzielten Spitalseinnahmen - jeweils 15 Prozent, somit 9 S zuflossen. Die außerhalb des Krankenhausbetriebes in den Privatordinationen des Angeklagten durchgeführten Untersuchungen verrechnete der Angeklagte unmittelbar mit den im Einzelfall Zahlungspflichtigen. In den Jahren 1988 bis 1990 ließ der Angeklagte - so das Urteil - bei zumindest 4616 Untersuchungsaufträgen der Ärzte Dr.P***** und Dr.S***** die Befunde im Rahmen des Krankenhausbetriebes durch die ihm unterstellte, für derartige Arbeiten speziell ausgebildete medizinisch-technische Assistentin Karin D***** (in deren Dienstzeit und unter Verwendung der Spitalseinrichtungen) erstellen, ohne die Verrechnung dementsprechend über das Krankenhaus K***** zu veranlassen. Durch die Abrechnung dieser Untersuchungsleistungen im Gebarungsbereich seiner Privatordinationen entgingen dem Krankenhaus Einnahmen im Gesamtbetrag von 235.416 S netto. Den nicht nur diese Summe, sondern laut Anklagevorwurf auch die Wertgrenze nach § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB wesentlich übersteigenden Schadensbetrag von (hochgerechnet) rund 4 Millionen Schilling nahm das Erstgericht nicht als erwiesen an, ohne allerdings - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft - in diesem Umfang einen förmlichen Freispruch zu fällen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angekagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu, weil sie in ihrer (weitestgehend nicht nach den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen differenzierten) Argumentation insgesamt den für die strafrechtliche Beurteilung des konkreten Falles entscheidungswesentlichen Kern verfehlt. Zusammengefaßt wiedergegeben bestreitet der Beschwerdeführer den Eintritt eines zur Tatbestandsverwirklichung der Untreue geeigneten Vermögensnachteils des Krankenhauses K*****, weil dieses (als Machtgeber) im Hinblick auf die Adressierung der bearbeiteten Aufträge durchwegs unmittelbar an den Angeklagten keinen Rechtsanspruch auf deren Abwicklung gehabt hätte, der auf die Dienstzeit beschränkt gebliebene Arbeitseinsatz der dazu - im übrigen auch zu Ausbildungszwecken - herangezogenen Angestellten wegen mangelnder sonstiger Auslastung ebenso zu vernachlässigen sei wie der Materialaufwand in Anbetracht seiner minimalen Dimension (Z 9 lit a) und der Angeklagte überdies ihm zunächst persönlich zugekommene Aufträge in einem den Deliktsschaden weit übersteigenden Gesamtvolumen an das Krankenhaus K***** zur Bearbeitung und Verrechnung abgetreten habe, was bei der Schadensbeurteilung kompensationsweise zu berücksichtigen wäre (Z 9 lit b). Als Schaden komme im übrigen nur der im Einzelfall jeweils minimale Sachaufwand in Betracht, dessen Gesamthöhe mangels Vorliegens eines entsprechenden Sachverständigengutachtens bisher offen geblieben sei (ersichtlich Z 10). Als Unvollständigkeit des angefochtenen Urteils (Z 5) wird schließlich ein stillschweigendes Übergehen der Verantwortung des Angeklagten behauptet, wonach er die Zeugin Karin D***** nur zu Übungszwecken zu den inkriminierten Untersuchungsaufträgen herangezogen und ihr gleichzeitig auch solche Arbeiten zugewiesen habe, die sich für das Krankenhaus K***** wirtschaftlich vorteilhaft auswirkten. Auch dieser Einwand stellt sich allerdings - abgesehen davon, daß die Urteilsgründe ohnedies auf die entsprechenden Angaben des Angeklagten eingehen (351, 352/III) - sachlich sinngemäß als Rüge vermeintlicher materiellrechtlich relevanter Feststellungsmängel dar.

Für die strafrechtliche Tatbeurteilung ist jedoch keiner der im Beschwerdevorbringen aufgegriffenen Umstände von zentraler Bedeutung. Steht hier doch primär im Vordergrund, daß der Angeklagte in Ausübung seiner Befugnisse als Institutsvorstand des Krankenhauses K***** im Rahmen dessen Betriebes durch eine ihm unterstellte Spitalsangestellte Untersuchungen, die im Bereich seines selbständigen ärztlichen Wirkens angefallen waren, durchführen ließ und jede derartige Untersuchung für das solcherart leistungserbringende Krankenhaus einen (nach Abzug des vertragsgemäß dem Beschwerdeführer zustehenden Erlösanteils verbleibenden) Nettowert von 51 S darstellte. Da dem Krankenhaus hinsichtlich dieser ausschließlich durch betriebseigenen Personal- und Sacheinsatz erstellten Befunde jeweils ein dementsprechender (tarifkonformer) Vermögensanspruch erwuchs, stellte die wirtschaftlich zugunsten der Privatordinationen des Angeklagten durchgeführte Verrechnung der in Rede stehenden Untersuchungsfälle einen effektiven Vermögensschaden des Krankenhauses in der inkriminierten Gesamthöhe (und nicht etwa nur einen entgangenen Gewinn) dar. Daß es dem Angeklagten freigestanden wäre, diese Untersuchungen auch tatsächlich im Bereich seiner Privatordinationen abzuwickeln, bleibt rechtlich gesehen ohne Bedeutung, weil er diese Möglichkeit aus welchen Gründen auch immer nicht wählte. Die wirtschaftlich zugunsten des Krankenhausbetriebes abgewickelten Untersuchungsaufträge aus dem privaten Ordinationsbereich des Angeklagten hinwieder begründeten mangels jedweder entsprechender rechtlicher Fundierung keine vermögenswerte Forderung an das Krankenhaus, die ihn zur kompensationsweisen eigennützigen Inanspruchnahme von Personal und sachlichen Betriebsmitteln des Krankenhauses berechtigt hätte. Die von der Beschwerde aufgeworfene Hypothese, eine Vereinbarung von "Provisionen" für die Vermittlung von Untersuchungsaufträgen durch den Angeklagten wäre von den für das Krankenhaus verantwortlichen Verfügungsberechtigten aus wirtschaftlicher Sicht nicht abzulehnen gewesen, kann (von der Frage der Zulässigkeit abgesehen) schon deshalb auf sich beruhen, weil ein derartiges Übereinkommen hier nicht aktuell war. Dazu kommt, daß Aspekte der Aufrechnung des Deliktsschadens die Strafbarkeit des ungetreuen Machthabers grundsätzlich nicht ausschließen (Kienapfel BT II Rz 73, Leukauf-Steininger, Komm3 RN 28 und 40, Tschulik im WK Rz 20 c jeweils zu § 153 StGB).

Zusammenfassend hat daher der Angeklagte in mißbräuchlicher Ausnützung seiner Befugnisse den Spitalserhalter um den wirtschaftlichen Gegenwert der im Krankenhausbetrieb erbrachten Untersuchungsleistungen im Umfang des Schuldspruchs geschädigt, wobei er - so das Urteil mängelfrei (346/III) - um seinen Befugnismißbrauch wußte und solcherart den Tatbestand strafbarer Untreue verwirklichte.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 153 Abs 2 erster Strafsatz StGB eine - gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe von acht Monaten. Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, das "Tatsachengeständnis" und den Umstand, daß der Angeklagte "insgesamt für das Krankenhaus K***** wirtschaftlich positiv" handelte.

Dem auf § 369 Abs 1 StPO gestützten Adhäsionserkenntnis liegt der Zuspruch eines Betrages von 235.416 S an die Privatbeteiligte Stadtgemeinde K***** zugrunde, die im übrigen mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde.

Sowohl den Strafausspruch als auch den Zuspruch an die Privatbeteiligte bekämpft der Angeklagte mit Berufung, welcher jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Soweit der Antrag auf schuldangemessene Strafreduktion im wesentlichen damit begründet wird, daß das Geständnis des Angeklagten höher und überdies eine Reihe weiterer Umstände (wirtschaftlich und organisatorisch für das Krankenhaus vorteilhafte Initiativen des Angeklagten, beträchtlicher Zeitraum auch in dienstlicher Hinsicht ungetrübten Wohlverhaltens seit der Tat) zusätzlich mildernd zu beurteilen wären, werden keine für die angestrebte Strafkorrektur hinreichenden Grundlagen aufgezeigt. Abgesehen davon, daß eine Benachteiligung des Berufungswerbers durch die im angefochtenen Urteil angeführten Strafzumessungsgründe schon deshalb ausscheidet, weil dabei die Tatwiederholung durch rund zwei Jahre als Erschwerungsgrund vernachlässigt wurde, Verdienste des Angeklagten um das Krankenhaus K***** ohnedies Berücksichtigung fanden und von achtenswerten tatauslösenden Beweggründen hier nicht die Rede sein kann, trägt das auf den unteren Bereich der gesetzlichen Strafdrohung beschränkte Ausmaß der ausgesprochenen Freiheitsstrafe den konkreten Straferfordernissen in angemessener Weise Rechnung. Der über einen längeren Zeitraum fortgesetzte Mißbrauch einer besonders qualifizierten Vertrauensstellung im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens läßt eine Strafreduktion nicht zu, soll die Erreichung des (auch auf eine sachgerechte Verdeutlichung des Tatunwerts ausgerichteten - § 20 Abs 1 StVG) Strafzwecks gewährleistet bleiben.

Da dem bekämpften Adhäsionserkenntnis eine mängelfrei begründete Errechnung des Deliktsschadens zugrundeliegt, war der Berufung auch nicht Folge zu geben, soweit sie in diesem Punkt ohne sachlich substantiiertes Vorbringen (sinngemäß) eine gänzliche Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg anstrebt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte