Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 27.Juni 1984, GZ U 391/83-17, soweit damit der Angeklagte Hubert A gemäß § 366 Abs. 2 StPO zur Bezahlung eines (Schmerzengeld-)Betrages von 5.000 S binnen 14 Tagen an den Privatbeteiligten Manfred B verurteilt wurde, und das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 10. Oktober 1984, AZ Bl 112/84, soweit damit (der Sache nach) der Berufung des Angeklagten gegen diesen Privatbeteiligtenzuspruch nicht Folge gegeben und der Privatbeteiligtenzuspruch aus dem Ersturteil übernommen wurde, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 366 Abs. 2 und 369 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 333 Abs. 1 ASVG.
Die bezeichneten Urteile, die im übrigen unberührt bleiben, werden in den erwähnten Aussprüchen aufgehoben und es wird gemäß § 292 StPO in der Sache selbst erkannt:
Der Privatbeteiligte Manfred B wird mit seinen Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 27.Juni 1984, GZ U 391/83-17, wurde der Zimmermanngeselle Hubert A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 (erster Fall) StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer - mit 3-jähriger Probezeit bedingt nachgesehenen - Geldstrafe sowie gemäß § 366 Abs. 2 StPO zur Bezahlung eines (Schmerzengeld-)Betrages von 5.000 S an den Privatbeteiligten Manfred B verurteilt.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen sollte am 13.September 1983 ein Ausstellungsstand der Bregenzwälder Handwerksausstellung auf dem Parkplatz der Haupt- und Handelsschule in Bezau abgebrochen werden. Die Abbrucharbeiten fanden unter der Leitung und Verantwortung des Hubert A statt, der dieses Vorhaben zunächst mit zwei weiteren Arbeitern der Fa. Arthur A in Angriff nahm. In der Folge erklärte sich auch der anwesende Schulwart Manfred B (freiwillig und unentgeltlich) bereit, beim Niederlegen der Gerüstwand zu helfen. Hubert A unterließ es hierauf, das Abtragen des Gerüstes unter Anwendung eines Hubstaplers durchzuführen und versuchte, das Ständerwerk zusammen mit seinen drei Mithelfern händisch niederzubringen. Dabei wurde ihnen jedoch die Last zu schwer, die Männer konnten das Gerüst nicht mehr halten und dieses fiel auf Hubert A und Manfred B (die hiedurch schwere Verletzungen erlitten, wogegen die beiden anderen Arbeiter noch ausweichen konnten).
Gegen das erwähnte Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 27.Juni 1984 erhob der Verurteilte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und wegen des Privatbeteiligtenzuspruchs. Das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht gab mit Entscheidung vom 10.Oktober 1984, AZ Bl 112/84 (ON 21 im Akt U 391/83 des Bezirksgerichtes Bezau), der Berufung nach keiner Richtung hin Folge (inhaltlich des Urteilsspruchs wurde die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit verworfen, seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und Strafe keine Folge gegeben und der Privatbeteiligtenzuspruch aus dem Ersturteil übernommen) und begründete die Erfolglosigkeit der Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch damit, daß Manfred B lediglich eine einmalige und kurze Gefälligkeitsleistung erbracht habe, die keine Versicherungspflicht auslöste, sodaß kein Arbeitsunfall (und demgemäß keine Haftungsbefreiung im Sinne des § 333 Abs. 1 ASVG) anzunehmen sei.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 27.Juni 1984, GZ U 391/83- 17, soweit damit dem Privatbeteiligten Manfred B ein ihm gegen Hubert A zustehender (Schmerzengeld-)Betrag von 5.000 S - unter Setzung einer nicht vorgesehenen Leistungsfrist (vgl. SSt 6/87) - zuerkannt wurde, und das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 10.Oktober 1984, AZ Bl 112/84, soweit damit der Berufung des Angeklagten gegen den erwähnten Privatbeteiligtenzuspruch (der Sache nach) nicht Folge gegeben wurde, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 333 Abs. 1 ASVG ist der Dienstgeber dem versicherten Dienstnehmer gegenüber zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat, wobei diese Einschränkung der Schadenersatzpflicht des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer gemäß dem Abs. 4 des § 333 ASVG auch für die Ersatzansprüche Versicherter (und ihrer Hinterbliebenen) gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmens und gegen Aufseher im Betrieb gilt. Gemäß § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG sind den Arbeitsunfällen im Sinne des § 333 ASVG Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit des Verletzten ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht, wobei der tätig werdenden Person die Leistungen der Unfallversicherung aus einem bei dieser Tätigkeit eingetretenen Unfall auch gewährt werden, wenn sie nicht unfallversichert sind (§ 176 Abs. 3 ASVG).
Angewendet auf den gegenständlichen Fall folgt hieraus, daß die Mitwirkung des Manfred B beim Gerüstabbau durch die Fa. Arthur A als betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG zu werten ist und daß der die Arbeiten leitende Zimmermanngeselle Hubert A als Betriebsaufseher gemäß § 333 Abs. 4 ASVG beurteilt werden muß (vgl. EvBl. 1980/24). Da die Verletzungen (und die darauf zurückzuführenden Schmerzen) des Manfred B somit infolge eines vom 'Betriebsaufseher' Hubert A (lediglich) fahrlässig verursachten Unfalles, der einem Arbeitsunfall gleichgestellt ist, entstanden sind, war der (dem Angeklagten demnach zum Nachteil gereichende) Privatbeteiligtenzuspruch im Hinblick auf die im § 333 Abs. 1 ASVG normierte Haftungsbefreiung unzulässig (vgl. ÖJZ-LSK 1982/197). Rechtsrichtig wäre der Privatbeteiligte, dessen gemäß § 47 Abs. 1 StPO erfolgter Anschluß an das Strafverfahren - ebenso wie etwa im Falle eines Haftungsausschlusses nach § 1 Abs. 1 AHG (vgl. ÖJZ-LSK 1982/133) - an sich jedoch zulässig war, mit seinem Schmerzengeldanspruch vielmehr auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.
Es war daher spruchgemäß über die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erkennen.
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