OGH 12Os94/21x

OGH12Os94/21x16.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lampret in der Strafsache gegen ***** E***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 7. Mai 2021, GZ 38 Hv 97/20m‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00094.21X.0916.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte ***** E***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (1./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (2./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (3./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in H***** und an anderen Orten

1./ ***** P***** am 1. Dezember 2019 außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie unter Ausnützung seiner überlegenen Körperkraft auf ihr Bett niederdrückte, ihre Hände festhielt und währenddessen seinen bekleideten erigierten Penis an ihrer bekleideten Schamgegend rieb, ihre Beine mit seinem Knie auseinanderdrückte, ihr mit der Hand in die Hose fuhr und ihren nackten Schambereich berührte sowie ihr schließlich mit seinem entblößten Penis auf den Bauch ejakulierte;

2./ am 24. Mai 2019 durch die Übermittlung der Nachrichten „So i fahr zu dia, ruaf die Pullen“ und „Du bist Tot“ gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und

3./ am 17. Juni 2018 durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich dem Ausspruch, dass sie ihn liebe, genötigt, indem er mit überhöhter Geschwindigkeit mit dem Auto fuhr, noch weiter beschleunigte und zu ihr sagte, sie solle ihm sagen, dass sie ihn liebe, ansonsten werde er ihr zeigen, was er für ein Psycho sei und sie umbringen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Die gegen den Schuldspruch 1./ gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bekämpft mit eigenständiger Würdigung der Chatnachrichten des Angeklagten an das Opfer und der Argumentation, dass er als liebevoller Vater keinesfalls einen solchen Übergriff zu Lasten der Mutter seines Sohnes begehen würde, bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

[5] Betreffend den Schuldspruch 2./ vermisst der Beschwerdeführer (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) eine beweiswürdigende Auseinandersetzung der Tatrichter damit, dass die inkriminierten Äußerungen im Zuge eines Streits zwischen dem Angeklagten und dem Opfer erfolgten. Indem er jedoch selbst nur pauschal die Herstellung „eines konkreten“ Bezugs zu diesem Streit fordert, benennt er selbst kein konkretes, den Feststellungen der Tatrichter zur Ernstlichkeit der Drohung und der Absicht des Angeklagten, die Bedrohte in Furcht und Unruhe zu versetzen, widersprechendes Verfahrensergebnis (vgl RIS‑Justiz RS0118316 [T4, T5], Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.124).

[6] Einen erneut unzulässigen Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung unternimmt die Beschwerde, indem sie die Erwägungen des Schöffensenats zu früheren Übergriffen des Angeklagten (US 11: „22–24 Jahre Hefen sind nicht viel, wenn ich dich umbringe“; Vorfall vom 17. Juni 2018 [Schuldspruch 3./]) kritisiert und einen Teil der inkriminierten Äußerungen („ruaf die Pullen“) eigenständig zu Gunsten des Angeklagten interpretiert.

[7] Die gegen den Schuldspruch 2./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt die Besorgniseignung der konstatierten verbalen Ankündigung in Frage. Indem sie diese Äußerungen als eine spontane Augenblicks- und Protestreaktion des Angeklagten darzustellen sucht, übergeht sie prozessordnungswidrig die Feststellungen, wonach das Opfer zwischen der Ankündigung, ***** P***** solle die Polizei rufen und der konkreten Todesdrohung zwei Chatnachrichten an den Angeklagten übermittelte (US 6).

[8] Bleibt daher lediglich der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass selbst auf Basis des vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalts die Besorgniseignung bei gebotener Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs (vgl dazu RIS‑Justiz RS0092753; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 33) nicht zu bezweifeln wäre.

[9] Der gegen den Schuldspruch 3./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden, dass sich das Erstgericht bei Lösung der Schuldfrage auf die belastenden Angaben des Opfers stützte.

[10] Der Vorwurf, das Erstgericht hätte sich insoweit auf ein generell gewaltbereites Verhalten des Angeklagten gestützt, trifft im Übrigen nicht zu.

[11] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit Zweifeln an den Feststellungen zum Fahrverhalten des Angeklagten (US 7), der Argumentation, wonach die Mutter des Opfers keine Gewaltaktionen gegenüber ihrer Tochter wahrgenommen habe sowie mit dem Hinweis, dass es bis zur gegenständlichen Tat zu keinen Vorkommnissen gekommen sei, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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