Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Jahre erhöht.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 5.Oktober 1957 geborene Peter H***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 20.Mai 1992 in Wien den Josef L***** durch einen Stich in die linke Brusthöhle getötet hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 345 Abs. 1 Z 6, 8 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Die unter dem zuerst bezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 6) ausgeführte Rüge wird nur insofern in einer erörterungsfähigen Weise konkretisiert, als sie im Zusammenhang mit der Instruktionsrüge (Z 8) moniert, daß die (einzige) Hauptfrage - im Gegensatz zum Anklagetenor - nicht den Begriff "vorsätzlich" enthalte, weshalb die Schuldfrage nicht ausreichend individualisiert sei. Wenngleich die Aufnahme der Schuldform in die Frage unterbleiben könne, weil sie auch in der Norm des § 75 StGB fehle, sei die Übereinstimmung von Hauptfrage und Belehrung für den Laien aber dann nicht klar erkennbar, wenn - wie hier - der Vorsatz in der Belehrung als einzige Schuldform angeführt sei, diese aber in der Frage überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht werde.
Dem ist zu erwidern, daß die Geschwornen vorliegend in der schriftlichen Rechtsbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, daß das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (nur) derjenige begeht, der einen anderen Menschen tötet, und daß hiezu Vorsatz des Täters erforderlich ist, in welchem Zusammenhang sie auch über die im § 5 StGB unterschiedenen Vorsatzarten und (unter Punkt 3.) besonders ausführlich über die Voraussetzungen des bedingten bösen Vorsatzes mit dem ausdrücklichen Hinweis instruiert wurden, der dolo eventuali handelnde Täter müsse die Deliktsverwirklichung nicht nur ernstlich für möglich gehalten, sondern sich mit dem möglichen Eintritt des Erfolges auch abgefunden haben.
Nach dem Gesagten ist mithin auszuschließen, daß es bei den Geschwornen durch das Unterbleiben der Anführung der subintelligierten Schuldform zu Unklarheiten über die Schuldform der dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten strafbaren Handlung kommen konnte (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 312 ENr. 22).
Weshalb die Rechtsbelehrung "undeutlich und unrichtig" sein und zu "Mißverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen des in der Hauptfrage formulierten Tatbestandes Anlaß geben konnte" (Z 8), wird in der Beschwerde nicht weiter substantiiert und kann daher unter Hinweis auf die obigen Ausführungen auf sich beruhen.
Das weitere Vorbringen in der Instruktionsrüge (Punkt 2.), die Formulierung im letzten Absatz der Rechtsbelehrung ("Der Täter muß den Vorsatz im vorliegenden Fall, also den Vorsatz, den Josef L***** zu töten, vor oder unmittelbar bei der Tatausführung gefaßt haben.") greife der Lösung der Tatfrage vor und sei im höchsten Grad geeignet, bei den Geschwornen unrichtige Vorstellungen über die konkrete Rechtslage zu schaffen, erweist sich gleichfalls als unbegründet.
Denn wenngleich die namentliche Erwähnung des Tatopfers in der zusammenfassenden und abschließenden Belehrung der Laienrichter über die Qualität des für die Verwirklichung der inneren Tatseite des § 75 StGB vorausgesetzten Tötungsvorsatzes unnötig war und den durch § 321 Abs. 2 StPO vorgegebenen Rahmen der schriftlichen Rechtsbelehrung sprengte, die auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der Anklagetat, auf die Auslegung der in der Hauptfrage vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes und auf die Klarlegung der Folgen der Bejahung oder Verneinung zu beschränken gewesen wäre (Mayerhofer-Rieder aaO § 345 Abs. 1 Z 8 ENr. 14 ff), konnten die Laienrichter in der gerügten Passage nur einen erneuten, nachhaltigen Hinweis darauf erblicken, daß ihnen nach dem Gesetz die Prüfung der Frage obliegt, ob der Angeklagte vor oder bei Begehung der Tat den Vorsatz, Josef L***** zu töten, tatsächlich gefaßt hatte. Hierin liegt aber fallbezogen weder eine gesetzwidrige Vorwegnahme noch eine richtungsweisende fixierte Beeinflussung der Geschwornen auf das Ergebnis dieser Prüfung, weil der relevierte Hinweis bei objektiver Betrachtung nicht geeignet war, bei ihnen unrichtige Vorstellungen über ihre Aufgabe und über die dem Wahrspruch zugrundeliegende Rechtslage zu erzeugen.
Welche Anhaltspunkte sich schließlich für eine "besonders plastische Beeinflussung, der die Geschwornen infolge der gerügten unrichtigen Rechtsbelehrung unterworfen waren", aus der Niederschrift nach § 331 Abs. 3 StPO ergeben sollen (in der die Geschwornenmehrheit auf die Aussage der beiden Kellnerinnen (Margit P***** und Anna E*****) vor der Polizei und das hieraus hervorgehende ausschließliche Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten hingewiesen hat), bleibt unerfindlich und bedarf daher keiner Antwort.
Als unbegründet erweist sich schließlich auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), weil die darin ins Treffen geführten Argumente insgesamt nicht geeignet sind, Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Gewichts - gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Denn von all dem bleibt unberührt, daß der Angeklagte nach den von den Geschwornen für glaubhaft befundenen Angaben der Kellnerinnen P***** und E***** vor der Polizei zum Zeitpunkt, als Josef L***** plötzlich umfiel, die einzige in dessen Nähe befindliche Person war, wobei in der Hauptverhandlung - in der Anna E***** ihre den Angeklagten belastenden Depositionen aufrecht hielt, Margit P***** die ihrigen aber abschwächte - keinerlei Anhaltspunkte für die Täterschaft einer anderen Person hervorkamen.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren, wobei es die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstraftat als erschwerend, eine gewisse Verstandesschwäche des Angeklagten und die Vernachlässigung seiner Erziehung hingegen als mildernd wertete.
Dieser Strafausspruch wird von beiden Parteien mit Berufung bekämpft, wobei der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, die Staatsanwaltschaft hingegen deren Erhöhung beantragt.
Nur die Berufung des öffentlichen Anklägers ist im Recht.
Da das psychologische Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.Quatember inhaltlich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür enthält, daß der Angeklagte die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungsgrund iS des § 11 StGB nahekommen, hat das Geschwornengericht zutreffend trotz der gegenteiligen Globalempfehlung dieses Experten § 34 Z 11 StGB nicht angewendet, sondern sich darauf beschränkt, dem Angeklagten eine gewisse Verstandesschwäche (§ 34 Z 1 StGB) als mildernd zugute zu halten. (Die vernachlässigte Erziehung kann bei einem 35-jährigen Täter wohl nicht mehr nennenswert ins Gewicht fallen.)
Seiner Berufung zuwider hat das Geschwornengericht auch die Alkoholisierung im Tatzeitpunkt nicht als mildernd berücksichtigt. Gereicht ihm doch der Alkoholkonsum den Umständen nach zum Vorwurf (§ 35 StGB), weil ihm seit den seiner Vorverurteilung zugrundeliegenden, in alkoholisiertem Zustand begangenen Aggressionsdelikten die enthemmende Wirkung des Alkohols bewußt sein mußte. Demnach vermag der Berufungswerber in Wahrheit keinen Milderungsgrund aufzuzeigen.
Hingegen ist der Anklagebehörde dahin beizutreten, daß dem Angeklagten das völlig unadäquate Tatmotiv - Reaktion auf das Zerbrechen einer Sonnenbrille durch das spätere Opfer - zusätzlich als erschwerend anzulasten ist, weil daraus auf eine gegenüber dem rechtlich geschützten Wert des menschlichen Lebens extrem gleichgültige Einstellung (§ 32 StGB) geschlossen werden muß.
Auf der Basis der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) war die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche tatschuldadäquate Ausmaß zu erhöhen.
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