OGH 12Os8/87

OGH12Os8/8726.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther S*** wegen des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 12.Juni 1986, GZ 4 Vr 4510/85-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler und des Verteidigers Dr. Romig jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (neben anderen Angeklagten) der am 30.Dezember 1969 geborene Günther S*** des Vergehens der Schändung nach dem § 205 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 25. September 1985 in Ebersdorf, Bezirk Hartberg, im bewußten Zusammenwirken mit den nachangeführten Mitangeklagten die Maria T***, die wegen Schwachsinns unfähig war, der Einsicht in der Bedeutung der nachangeführten Vorgänge gemäß zu handeln, dadurch zur Unzucht mißbrauchte, daß er ihr nachdem sich Maria T*** auf Geheiß vor ihnen entblößt hatte und sich rücklings mit gespreizten Beinen auf die Motorhaube des PKW des Anton H*** gelegt hatte, ebenso wie Anton L*** mit einem Baumast an die Schamlippen langte, Anton L*** ihr mit dem von Anton H*** und Gerald N*** zu diesem Zweck herbeigeholten Wagenheber zwischen die Schamlippen eindrang, Gerald N*** ihr mit einem um den rechten Mittelfinger gewickelten Handtuch an die Schamlippen fuhr und - wie das Erstgericht zur illustrativen Beschreibung der Tat weiter feststellte - ihr Günther S*** auf den Oberkörper und Anton L*** auf den rechten Oberschenkel urinierten.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Günther S*** mit einer auf die Gründe der Z 4, 9 lit a und lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung vom 12.Juni 1986 gestellten Antrages auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens über die gesundheitliche und geistige Beeinträchtigung der Zeugin Maria T***, "weil ihr Eindruck bei der heutigen Hauptverhandlung in einem gewissen Widerspruch zum Gutachten Dris.Z*** steht" (AS 162).

Der Verfahrensrüge kann kein Erfolg beschieden sein.

Rechtliche Beurteilung

Im Strafverfahren ist grundsätzlich nur ein Sachverständiger beizuziehen; lediglich unter bestimmten, im Gesetz angeführten Voraussetzungen (§§ 118 Abs. 2, 125, 126 StPO), ist ausnahmsweise das Gutachten eines zweiten Sachverständigen einzuholen. Mit der bloßen Behauptung, das Gutachten des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen stehe "in einem gewissen Widerspruch zum Eindruck", den die Zeugin Maria T*** in der Hauptverhandlung hinterlassen habe", wird aber weder eine besondere Schwierigkeit der Begutachtung noch ein Mangel des Gutachtens in der Bedeutung der §§ 125, 126 StPO aufgezeigt. Der Einwand der Beschwerde, die genannte Zeugin habe in der Hauptverhandlung eine "normale Zeugenaussage" abgelegt, was den Beschwerdeführer zu dieser Antragstellung veranlaßt habe, ist gleichfalls nicht geeignet, einen der vorerwähnten Mängel aufzuzeigen.

In seiner auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gegründeten Rechtsrüge meint der Beschwerdeführer, Deliktsobjekt des Vergehens der Schändung nach dem § 205 StGB könne fallbezogen nur eine "hochgradig schwachsinnige Frauensperson" sein, bei der "die Freiwilligkeit der Hingabe zum Unzuchtsakt mit Sicherheit auszuschließen ist"; dies treffe bei der nur leicht schwachsinnigen Maria T***, deren Schwachsinn nach den Urteilskonstatierungen nicht so hochgradig sei, daß sie unfähig wäre, die Bedeutung und Tragweite eines Geschlechtsverkehrs einzusehen, nach Lage des Falles aber nicht zu.

Diese Ansicht ist verfehlt.

Nach den insoweit maßgebenden Urteilsfeststellungen erreicht der geistige Zustand der Maria T*** "insgesamt betrachtet" (intellektuelle Abschwächung mit Beeinträchtigung der ethischen Vorstellungen und des Kritikvermögens; Verminderung der Antriebslage bei erhöhter Beeinflußbarkeit) einen "Krankheitswert", der sie "zum Zeitpunkt des gegenständlichen Deliktes" trotz "teilweise bestehender Einsicht in die gegenständlichen unzüchtigen Handlungen" nicht in die Lage versetzte, dieser Einsicht "zu folgen" (AS 174, 175). Damit bringt der Schöffensenat mit zureichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß Maria T*** zum Tatzeitpunkt - entgegen der auch ihre Diskretionsfähigkeit verneinenden Formulierung AS 183 - zwar allenfalls im Stande war, die Bedeutung eines Geschlechtsverkehrs und - in Grenzen - auch der gegenständlichen Unzuchtshandlungen zu erfassen, daß ihr aber zumindest die Fähigkeit fehlte, durch verstandesmäßige Erwägungen über ihren eigenen Körper in geschlechtlicher Hinsicht entsprechend dieser Einsicht zu verfügen und dem an sie gestellten Verlangen mit freier Entscheidung zu begegnen. Dieser ursächlich auf den - wenn auch nur leichtgradigen - Schwachsinn der Maria T*** zurückgehende Mangel an Dispositionsfähigkeit rechtfertigt aber die Beurteilung der Genannten als geschützte (schwachsinnige) Person im Sinne des § 205 Abs. 2 StGB durch das Erstgericht (vgl Leukauf-Steininger, Komm 2 , RN 6 zu § 205; Pallin im WK, RN 17, 18 zu § 205). Der Schuldspruch erfolgte daher zu Recht.

Die auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO gestützte Rechtsrüge schließlich, mit der behauptet wird, daß das Erstgericht eine Prüfung der Frage hätte anstellen müssen, ob der Beschwerdeführer allenfalls einem Rechtsirrtum (§ 9 StGB) unterlegen ist, weil "nicht selbstverständlich sei, daß einem kaum 16-jährigen bewußt ist, daß die Vorfälle gegen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstoßen", ist gleichfalls verfehlt. Denn der Angeklagte hat sich in keinem Stadium des Verfahrens dahin verantwortet, daß er sein Verhalten infolge eines Rechtsirrtums für erlaubt hielt. Das Erstgericht war daher mangels in dieser Richtung deutender Anhaltspunkte nicht verpflichtet, auf die Frage eines - auch in der Nichtigkeitsbeschwerde nur hypothetisch als Denkmöglichkeit aufgezeigten und keineswegs konkret behaupteten - Rechtsirrtums (§ 9 Abs. 1 StGB) einzugehen und dessen allfällige Vorwerfbarkeit (§ 9 Abs. 2 StGB) zu prüfen. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther S*** war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 205 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 11 JGG zu drei Monaten Freiheitsstrafe, deren Vollzug es unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen hat. Bei deren Bemessung war erschwerend nichts, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit und das Teilgeständnis.

Die Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, ist nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt sowie auch zutreffend gewürdigt. Der Angeklagte vermag in seiner Berufung nichts aufzuzeigen, was eine Strafminderung rechtfertigen könnte: Ein die Schuld nicht ausschließender Rechtsirrtum liegt nicht vor. Eine gegenseitige Beeinflussung der von der Tat Beteiligten mag zwar bestanden haben, nach dem im Urteil konstatierten Tathergang kann jedoch keine Rede davon sein, daß der Angeklagte die Tat unter Einwirkung eines Dritten iS des § 34 Z 4 StGB begangen hat. Nach Lage des Falles ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe, welche den im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung trägt und auch auf die nicht unmaßgebliche Tatbeteiligung des Angeklagten (vgl die Aussage der Zeugin Maria T***) gebührend Bedacht nimmt, nicht überhöht.

Es war darum auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

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