OGH 12Os84/85

OGH12Os84/8527.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr.Friedrich, Dr.Hörburger und Dr.Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Maximilian A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 20.November 1984, GZ 25 Vr 2961/84-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Maximilian A ist schuldig, er hat am 23.Oktober 1983 in Innsbruck versucht, Hildegard B durch Vorhalten einer Schreckschußpistole, verbunden mit der Aufforderung, sich zu entkleiden, sohin durch gefährliche Drohung, zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen.

Er hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach § 202 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Die Höhe des Tagessatzes wird mit 170 S festgesetzt. Gemäß § 26 StGB wird die Schreckschußpistole Marke Röhm, Kal. 8 mm samt Magazin eingezogen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die getroffene Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maximilian

A - abweichend von der auf das Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 23. Oktober 1983 in Innsbruck die (Geheim-)Prostituierte Hildegard B durch gefährliche Drohung zu einem unentgeltlichen Geschlechtsverkehr zu nötigen versuchte. Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge waren der Angeklagte und Hildegard B übereingekommen, einen gemeinsamen Geschlechtsverkehr auszuüben, wobei zunächst über die Höhe des hiefür vom Angeklagten zu leistenden Preises nicht gesprochen worden war. Nachdem der Angeklagte seinen PKW an einem abgelegenen Parkplatz abgestellt hatte, forderte Hildegard B für die Gewährung eines Geschlechtsverkehrs 300 S, wogegen der Angeklagte erklärte, daß er nicht gewillt sei, 'noch einmal' zu bezahlen, zumal er zuvor von einer anderen Prostituierten (die mit dem von ihm erhaltenen Betrag von 400 S vor Erbringung einer Leistung weggelaufen war) betrogen worden sei. Er forderte B auf, sich auszuziehen, entnahm dem Handschuhfach seines Kraftfahrzeuges eine Schreckschußpistole und hielt diese in der Absicht in der Hand, seiner Begleiterin 'Furcht einzujagen, damit sie eher zur Durchführung eines unentgeltlichen Geschlechtsverkehrs einverstanden sei'. Unter dem Vorwand, gewissermaßen für ihre 'Kollegin' einzuspringen, jedoch den Geschlechtsverkehr in ihrer Wohnung ausüben zu wollen, bewog B den Angeklagten, zu ihrer Wohnung zu fahren. Dort gelang es ihr, ihn durch eine weitere List endgültig abzuschütteln.

Bei der rechtlichen Subsumtion des Verhaltens des Angeklagten ging das Erstgericht von der Erwägung aus, daß sich die Prostituierte B grundsätzlich zum Geschlechtsverkehr bereitgefunden und somit, wenngleich unter der Voraussetzung einer Bezahlung, ihre geschlechtliche Freiheit aufgegeben habe, bei welcher Sachlage aber die Schutznorm des Tatbildes der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 StGB ihren Zweck verloren hätte. Verweigere eine Prostituierte die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs ausschließlich deshalb, weil es zu keiner Einigung über den Preis komme, und werde sie sodann zum Geschlechtsverkehr genötigt, komme daher nicht das erwähnte Tatbild, sondern jenes der Erpressung nach § 144 (Abs. 1) StGB zur Anwendung.

Rechtliche Beurteilung

Diese Auffassung bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich als berechtigt erweist:

Den Überlegungen des Erstgerichtes zuwider besteht kein Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung zwischen Nötigung zum Beischlaf und Erpressung (in Fällen der Nötigung einer bloß zur entgeltlichen Duldung eines außerehelichen Geschlechtsverkehrs bereiten Person weiblichen Geschlechtes, dies unentgeltlich zu tun) abzugehen (vgl. EvBl. 1978/133 = Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 15 zu § 144 StGB). Darnach ist es aber rechtlich ohne Bedeutung, aus welchen Motiven das Opfer einer im Sinne des § 202 Abs. 1 StGB ausgeübten Gewalt oder gefährlichen Drohung den vom Täter damit angestrebten außerehelichen Beischlaf verweigert. Auch die Nötigung einer Prostituierten zu einem unentgeltlichen Beischlaf, zu dem sie (nur) wegen der Unentgeltlichkeit nicht bereit war, ist daher nach § 202 StGB zu beurteilen; Erpressung im Sinne des § 144 StGB käme nur dann in Betracht, wenn der Täter die Prostituierte (durch Gewalt oder gefährliche Drohung) nach Vollziehung des Geschlechtsverkehrs zu einem nachträglichen Verzicht auf das vereinbarte Entgelt zu veranlassen und sie solcherart mit Bereicherungstendenz zu einer sie in ihrem Vermögen schädigenden Duldung oder Unterlassung zu nötigen trachtet. Das Tatbild der Nötigung zum außerehelichen Beischlaf nach § 202 StGB pönalisiert gleich den Bestimmungen der §§ 201, 203, 204 und 205 StGB Verletzungen der Sexualfreiheit. Dieses zu den Persönlichkeitsrechten zählende Selbstverfügungsrecht ist unverwirkbar und in seinem Bestehen unabhängig von der Art und Weise seiner Ausübung. Unter diesem Blickwinkel bewirkt der Umstand, daß eine Prostituierte sich grundsätzlich zu einem außerehelichen Beischlaf bereiterklärt, keineswegs den Verlust der Sexualfreiheit. Bei der Annahme einer solchen Verwirkung der Sexualfreiheit durch Hildegard B ist somit das Erstgericht einem Rechtsirrtum unterlegen. Das dem Angeklagten laut den - zur inneren und äußeren Tatseite getroffenen - Urteilsfeststellungen zur Last liegende Verhalten ist vielmehr dem Tatbestand der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB zu unterstellen, da der Vorsatz des Täters auf die Durchführung

eines - unentgeltlichen - Geschlechtsverkehrs und nicht bloß auf irgendeine andere Duldung oder Unterlassung des Opfers gerichtet war, weshalb der diese Subsumtion anstrebenden Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Berechtigung zukommt. Bei der nach § 202 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, daß es beim Versuch geblieben ist und daß der Angeklagte ein reumütiges Geständnis abgelegt hat.

Da das Verbrechen im Anfangsstadium des Versuches geblieben ist, es keine ernsten Folgen für die Genötigte nach sich gezogen hat und der Angeklagte bei der Tatverübung mit keiner gefährlichen Waffe vorging, ist weder aus Gründen der Spezial-, noch der Generalprävention die Verhängung einer Freiheitsstrafe über den Angeklagten geboten. Gemäß § 37 Abs. 1 StGB war daher an Stelle der im Gesetz vorgesehenen Freiheitsstrafe (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) eine Geldstrafe zu verhängen, die dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen strafbaren Handlung entsprechend mit 360 Tagessätzen auszumessen war. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 19 Abs. 3 StGB mit 180 Tagen festzusetzen.

Die Höhe des Tagessatzes war aus den vom Erstgericht zutreffend angeführten Erwägungen mit 170 S zu bestimmen.

Da die spezial- und generalpräventiv erforderliche Effektivität der Strafe vorliegend nur durch die tatsächliche Bezahlung der Geldstrafe erreicht werden kann, konnte die Bestimmung des § 43 Abs. 1 StGB keine Anwendung finden.

Die Entscheidungen über die Einziehung und den Kostenersatz gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen; von einer Einziehung der Pistolentasche war jedoch Abstand zu nehmen, da diese keinen Bestandteil der Waffe darstellt und nicht anzunehmen ist, daß von ihr die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten droht (vgl. Leukauf-Steininger 2 , Kommentar, RN 4 und 5 zu § 26 StGB).

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