OGH 12Os82/91 (12Os83/91)

OGH12Os82/91 (12Os83/91)8.8.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard D***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Februar 1991, GZ 3 b Vr 11898/89-128, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlichen Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1/ Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teilweise, nämlich im Schuldspruch wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges (A I. bis IV. des Urteilssatzes), im Strafausspruch, in den Privatbeteiligtenzusprüchen (1. bis 16.), mit Ausnahme des Zuspruchs an Maria D***** (17.) sowie ferner der gemäß § 494 a StPO gefaßte Beschluß, womit eine Probezeit verlängert wurde, aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

2/ Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie sich auf den vorgenannten Schuldspruch bezieht, ebenso wie die Berufung und die Beschwerde gegen den gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß auf die zu Punkt 1/ getroffene Entscheidung verwiesen.

3/ Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" zurückgewiesen.

4/ Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.Juli 1948 geborene Reinhard D***** wurde (zu A) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 erster Fall StGB und (zu B) des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Deliktsfall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Vortäuschung von Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit sowie durch die wahrheitswidrige Behauptung, in der Zeit vom 1. bis 24. Dezember 1989 im Brauhof M***** einen Adventmarkt veranstalten zu wollen, Christine M***** zur Vermietung des Brauhofes M***** (A I.; Schaden zumindest 126.000 S), insgesamt vierzehn, im Urteil näher bezeichnete Interessenten zur Bezahlung von Kautionen und Übergabe von Anzahlungen für Standplätze bzw. Schaukästen (A II.; Schaden insgesamt 132.500 S), Gertraud W***** zur Übergabe von 5.000 S (A II a; Schaden 5.000 S), Angestellte des Rosenhotels in M***** zur Vermietung eines Zimmers samt Telefon sowie Verabreichung von Speisen und Getränken (A III.; Schaden 20.055 S) und schließlich in insgesamt acht Fällen Personen bzw. Firmen zur Durchführung von Arbeiten und Erbringung von Leistungen (A IV.; Schaden insgesamt 239.417 S) mit Bereicherungsvorsatz bewogen. Ferner hat er - gleichfalls in gewerbsmäßiger Absicht - am 13.März 1989 Renate F***** 4.800 S, am 22.August 1989 Angelika G***** eine Kellnerbrieftasche im Wert von ca. 600 S und 3.000 S Bargeld und am 23.August 1989 Maria D***** 5.500 S Bargeld gestohlen (B I. bis III.).

Gleichzeitig mit dem Urteil wurde (gemäß § 494 a StPO) der Beschluß gefaßt, die zum Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 17.April 1989, AZ 13 U 2081/89, gewährte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 1, 4, 5, 5 a, 9 lit. b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit sie sich auf den Schuldspruch weegen Diebstahls bezieht, kann ihr Berechtigung nicht zuerkannt werden.

Der zunächst erhobene Vorwurf, die Vorsitzende des Schöffensenats sei nach der Art ihrer Verhandlungsführung befangen gewesen, bedarf keiner weitwendigen Erwiderung, weil damit weder der Nichtigkeitsgrund nach der Z 1 des § 281 Abs. 1 StPO, noch - mangels einer hierauf bezüglichen Antragstellung in der Hauptverhandlung - jener der Z 4 der angezogenen Gesetzesstelle zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird.

An dieser formellen Voraussetzung zur Geltendmachung einer Verfahrensrüge (Z 4) gebricht es auch in Ansehung der Behauptung, der Beschwerdeführer habe keine ausreichende Gelegenheit zur Akteneinsicht gewährt erhalten, ganz abgesehen davon, daß die Akteneinsicht keineswegs auf eine halbe Stunde beschränkt war (siehe Band III S 79) und im übrigen primär seinem Verteidiger Akteneinsicht gewährt wurde.

Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden aber auch durch die Abweisung des von ihm in der Hauptverhandlung am 5.Februar 1991 gestellten Beweisantrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür nicht geschmälert, daß der Angeklagte in keinem ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis zur Verübung der inkriminierten Diebstähle gestanden sei (Band III S 132); haben doch die Tatrichter - wie die Beschwerde insoweit selbst einräumt - ein derartiges alleiniges Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten gar nicht angenommen (Band III S 192 f) und damit dem Beweisbegehren die sachliche Zweckbestimmung entzogen. Daß das Erstgericht aber dieser Annahme nicht die vom Angeklagten beigemessene Bedeutung zuerkannt, sondern ihn auf Grund durchaus schlüssig gewürdigter anderer Verfahrensergebnisse für überführt angesehen hat, kann keinen Gegenstand der Verfahrensrüge bilden.

Es versagt aber auch die gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit (§ 130 erster Fall StGB) gerichtete Qualifikationsrüge (Z 10), weil sie sich in der bloßen Negierung dieser Qualifikation erschöpft und mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung an Hand der tatrichterlichen Erwägungen (Band III S 193) entzieht.

In diesem Faktum war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Auf gleiche Weise war mit seiner "Berufung wegen Schuld" zu verfahren, weil gegen Urteile von Kollegialgerichten ein derartiges Rechtsmittel in der Strafprozeßordnung nicht vorgesehen ist.

Eine Erörterung der Beschwerdeausführungen in Ansehung des Schuldspruchs wegen Betruges (A) erübrigt sich, weil sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugen konnte, daß das Urteil in den Fakten A I und A IV mit einer vom Ants wegen wahrzunehmenden materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 9 lit. a) behaftet ist und davon auch die restlichen Betrugsvorwürfe berührt werden:

Nach den maßgeblichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in der Zeit von September bis Dezember 1989 Organen und Gewerbetreibenden der Stadt M***** vorgetäuscht, einen Adventmarkt veranstalten zu wollen, wobei diese Vorspiegelung mit dem Ziel erfolgte, Geschäftsleuten Anzahlungen und Kautionen betrügerisch herauszulocken. Denselben Täuschungszweck verfolgte der Angeklagte nach den schöffengerichtlichen Konstatierungen auch mit der Anmietung von Veranstaltungsräumlichkeiten und mit der Auftragserteilung an diverse Firmen.

Obgleich die Tatrichter mehrfach und ausdrücklich konstatierten, daß der Angeklagte niemals vorhatte, den Adventmarkt tatsächlich zu organisieren und abzuhalten (siehe etwa Band III S 164), beurteilten sie auch den Abschluß des Mietvertrages und die der Gestaltung des Mietobjektes dienenden Auftragserteilungen als gewerbsmäßig verübte Betrugshandlungen, weil sie meinten, daß auch dadurch über eine Täuschung und Schädigung der Betroffenen an ihrem Vermögen hinaus eine tätergewollte Bereicherung im Sinne des § 146 StGB bewirkt werden sollte (siehe Band III S 196).

Diese im Kern lediglich die verba legalia reproduzierende Diktion läßt nicht erkennen, worin nach Ansicht des Schöffengerichtes konkret eine Bereicherung im Sinne einer faktischen Vermögensvermehrung gelegen sein soll und läßt sich überdies mit dem als erwiesen angenommenen Tatplan des Angeklagten, überhaupt keinen Adventmarkt zu veranstalten, nicht in Einklang bringen. Denn es ist nicht einzusehen, wie die bloß als Täuschungsmittel gedachten Auftragserteilungen zur Ausgestaltung der Markträumlichkeiten und deren Anmietung nach Lage des Falles eine Vermögensverschiebung zu Gunsten des Angeklagten zur Folge haben konnten. Wollte er nach Meinung des Erstgerichtes doch die gemieteten Räumlichkeiten nicht benutzen (sondern sogar durch Nichtzahlung des Mietzinses seine Aussperrung provozieren:

Band III S 171) und mußten unter diesem Aspekt auch die Leistungen der von ihm beauftragten Firmen ohne Abhaltung des Adventmarktes notwendig in ihrer Gesamtheit wirtschaftlich wertlos bleiben.

Da der aufgezeigte, den Bereicherungsvorsatz betreffende und damit tatbestandsrelevante Feststellungsmangel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann und die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung der betreffenden Schuldsprüche vorzugehen (§§ 285 e iVm 290 Abs. 1 StPO), wobei aber wegen des untrennbaren Sachzusammenhanges (§ 289 StPO) auch die übrigen, diesen Faktenkomplex betreffenden Schuldsprüche aufzuheben waren. Denn der Bewertung der dem Angeklagten zu den Fakten A I und A IV angelasteten Tathandlungen kommt nach Lage des Falles ersichtlich sowohl für die - nur an Hand einer Prüfung des Sachverhaltes in seiner Gesamtschau durchführbaren - Beurteilung seines übrigen Verhaltens (A II, II a und III), insbesondere in subjektiver Hinsicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB maßgebliche Bedeutung zu. Es soll damit dem Schöffengericht auch im zweiten Rechtsgang eine neuerliche Überprüfung des gesamten Tatkomplexes ermöglicht werden.

Mit seiner den Schuldspruch wegen Betruges betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde, der Berufung (wegen Strafe) und seiner Beschwerde gegen den gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß war der Angeklagte auf die Kassierung des betreffenden Schuldspruchs, des Strafausspruches und die Beseitigung des Verlängerungsbeschlusses zu verweisen.

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