OGH 12Os79/99 (12Os80/99)

OGH12Os79/99 (12Os80/99)5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt N***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 1998, GZ 11b Vr 5.010/96-121, sowie über diese Rechtsmittel selbst nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Angeklagten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung seiner Rechtsmittel bewilligt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt N***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil durch seinen Verteidiger rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (S 395 und 453 f/II), diese Rechtsmittel jedoch innerhalb der Frist des § 285 Abs 1 StPO nicht ausgeführt, weshalb der Vorsitzende des Schöffensenates die Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluß vom 17. März 1999 gemäß §§ 285a Z 2, 285b Abs 1 StPO zurückgewiesen hat (ON 127).

Nach dem glaubhaften Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hat die ansonsten verläßliche Kanzleileiterin des Verteidigers die am 12. Feber 1999 (Freitag) zugestellte Urteilsausfertigung nicht sofort mit dem Eingangsstempel versehen und ist - wie durch die Bestätigung der T***** nachgewiesen wurde - ab dem 15. Feber 1999 (Montag) der Arbeit wegen Krankheit ferngeblieben.

An diesem Monat versah die in der Kanzlei tätige Rechtsanwaltsanwärterin das in Rede stehende Schriftstück - in der irrtümlichen Annahme, den aktuellen Posteingang zu bearbeiten - mit dem Eingangsstempel "15.02.1999", sodaß die Frist zur Ausführung der Rechtsmittel irrtümlich ab diesem Tag berechnet wurde.

Nach Lage des Falles kann dem Verteidiger nur ein Versehen minderen Grades zur Last gelegt werden (§ 364 Abs 1 Z 1 StPO), sodaß dem Restitutionsantrag stattzugeben war.

Zu der Nichtigkeitsbeschwerde:

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat Kurt N***** in Wien im Bereich des Finanzamtes für Körperschaften als Geschäftsführer der L***** Handels-GmbH vorsätzlich in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung nachangeführter Abgaben bewirkt, nämlich

I. eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung der nachgenannten bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, indem er unrichtige, Erlös und Gewinn zu gering ausweisende Steuererklärungen (samt zugehörigen Bilanzen) abgab, sodaß darauf beruhende Bescheide erlassen wurden, und zwar

1. am 13. Mai 1988 für das Jahr 1986 an Umsatzsteuer um 128.400 S, an Körperschaftssteuer um 212.490 S und an Gewerbesteuer um 69.200 S;

2. am 10. April 1989 für das Jahr 1987 an Umsatzsteuer um 136.500 S, an Körperschaftssteuer um 273.290 S und an Gewerbesteuer um 73.200 S;

3. am 28. Juli 1989 für das Jahr 1988 an Umsatzsteuer um 174.784 S, an Körperschaftssteuer um 334.600 S und an Gewerbesteuer um 110.200

S;

II. eine in unterbliebener Entrichtung gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragssteuer für die verheimlichten, aus den verschwiegenen Eingängen zugeflossenen Erlöse als verdeckte Gewinnausschüttung, indem er ihre Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr unterließ, und zwar in der Zeit von Anfang 1986 bis Ende 1988

1. im Jahr 1986 um 192.600 S;

2. im Jahr 1987 um 204.750 S;

3. im Jahr 1988 um 262.175 S;

der strafbestimmende Wertbetrag beträgt insgesamt 2,172.189 S.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Im Zuge der finanzbehördlichen Erhebungen verfaßte Protokolle kommen als nichtige Vorerhebungsakte im Sinn der Z 2 des § 281 Abs 1 StPO von vornherein nicht in Betracht (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 2 E 4 mwN), weshalb die Rüge der trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers vorgenommenen Verlesung der Aussagen der verstorbenen Zeugen Edith und Johann D***** vor den Finanzbehörden (teilweise nominell auch Z 5) versagt.

Gleiches gilt für den Einwand (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 3), "das Finanzstrafverfahren, insbesondere die Betriebsprüfung" sei zu Unrecht nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung statt nach jenen des Finanzstrafgesetzes durchgeführt worden, weil einerseits übersehen wird, daß die "Betriebsprüfung" regelmäßig dem Abgabenfestsetzungsverfahren zuzuordnen ist und es dem Steuerpflichtigen unbenommen bleibt, deren Ergebnisse im Finanzstrafverfahren nach Maßgabe der dort gesetzlich eröffneten Möglichkeiten zu problematisieren, und andererseits allein in der Strafprozeßordnung mit Nichtigkeit sanktionierte, nicht aber andere - hier nur vermeintliche - Verfahrensfehler Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO bewirken.

Die Beischaffung des Aktes 1 Sw 132/84 des Bezirksgerichtes Hernals zum Beweis dafür, "daß Johann D***** zumindest seit 21. August 1985 geschäftsfähig war" und die Einvernahme des Zeugen Gerhard K***** zum Nachweis dafür, daß der Genannte mit Johann D***** in einer gleichartigen Geschäftsbeziehung stand und ein "auf Grund des selben Sachverhaltes" eingeleitetes Finanzstrafverfahren eingestellt wurde, unterblieben ohne Verletzung von Verteidigungsrechten (Z 4), weil das Erstgericht ohnedies die damit unter Beweis gestellten Tatsachen annahm (S 252/II).

Der Antrag auf "Vorlage" von Buchhaltungsunterlagen zum Beweis dafür, daß (zusammengefaßt) den ordnungsgemäß verbuchten und jeweils mit Scheck durchgeführten Zahlungen tatsächlich erbrachte Leistungen zugrunde lagen, verfiel gleichfalls zu Recht der Ablehnung, weil damit - trotz fehlender Einsichtigkeit - nicht dargetan wurde, woraus sich buchhalterisch konkret ergeben könnte, daß die dokumentierten Vorgänge nicht bloß vorgetäuscht wurden.

Auch dem Antrag auf Einvernahme des Zeugen Herbert M***** fehlt es an der Darlegung, warum sie ein von seinem - in die Hauptverhandlung eingebrachten (Beil./2 zu ON 106) - schriftlichen Bericht abweichendes, für den Angeklagten günstigeres Ergebnis erbringen könnte.

Mit dem "gegen die Finanzbehörden" gerichteten Vorwurf des in der langen Verfahrensdauer gelegenen Verstoßes gegen Art 6 MRK wird der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund nicht dargetan (14 Os 191/93 uva), zumal er bloß eine Strafzumessungstatsache (§ 34 Abs 2 StGB) betrifft.

Mit dem Einwand (Z 5), das Erstgericht habe es unterlassen, dem Angeklagten Fragen nach dem Verbleib der in den als Scheinfakturen gewürdigten Rechnungen bezeichneten Verkaufsstände zu stellen, wird von vornherein kein Begründungsmangel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt. Daß eine entsprechende Erweiterung der Verfahrensergebnisse in der Hauptverhandlung weder dem Beschwerdeführer noch seinem Verteidiger der Sache nach unentbehrlich schien, sei nur vollständigkeitshalber festgehalten.

Indem die Mängelrüge eine Feststellung dahin urgiert, daß "Johann D***** zu Lebzeiten als wohlhabend zu bezeichnen ist", ficht sie die - der Beschwerde zuwider aktengetreu auf die Erhebungen der Gendarmerie (ON 84) und die Aussage des Zeugen M***** gegründeten - gegenteiligen Beweiswürdigungsargumente, wonach der Genannte "in eher bescheidenen Verhältnissen" lebte, keine erheblichen Vermögenswerte, wohl aber beträchtliche Schulden hinterließ (US 9, 18), bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung an.

Gleiches gilt für die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobene Kritik an der Einschätzung der Beweiskraft der belastenden Angaben des Johann D*****, womit der notwendige Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozeßordnungsgemäße Darstellung des materiellen Nichtigkeitsgrundes verfehlt wird.

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine Bedenken, geschweige denn solche erheblichen Gewichts, gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die außerdem ergriffene Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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