Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Jahre erhöht.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 3.Februar 1962 geborene beschäftigungslose Ernst Karl A des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. schuldig erkannt, weil er am 6.Februar 1983 in Schwaz seine Großmutter Anna B durch zwölf Messerstiche in die Brust-, Hals- und rechte Wangengegend vorsätzlich tötete.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5, 8 und 10 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund bringt die Beschwerde vor, die fünfte Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Täters durch tiefgreifende Bewußtseinsstörung im Zeitpunkt der Tat, § 11 StGB., sei von den Geschwornen erst in Gegenwart des Schwurgerichtshofes, des öffentlichen Anklägers und des Verteidigers beantwortet worden, was Nichtigkeit im Sinne der §§ 345 Abs 1 Z. 4, 329 StPO. bedeute. Weiters sei über die Vorgänge bei der Verlesung des Wahrspruches der Geschwornen am 10.Mai 1983 ein Protokoll erst nach den darin geschilderten Ereignissen aufgenommen und nicht in Anwesenheit des Verteidigers abgefaßt worden. Auch hierin liege Nichtigkeit (§§ 271 Abs 1, 302 Abs 1 StPO.). Die behaupteten Nichtigkeitsgründe sind jedoch nicht verwirklicht worden.
Die Beschwerde übergeht gänzlich, daß nach dem Akteninhalt (Protokoll vom 10.Mai 1983 als Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON. 27 und Beschluß vom 13.Juni 1983, ON.
38) die Geschwornen die erste Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes und die fünfte Zusatzfrage (Unzurechnungsfähigkeit) allein und ohne nach § 329 StPO. bei sonstiger Nichtigkeit verbotenen Beiziehung weiterer Personen beantwortet haben. Dies wurde im StPO.Form. Prot. 15
'Fragen an die Geschwornen' entsprechend beurkundet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die fünfte Zusatzfrage sei erst in Anwesenheit des Schwurgerichtshofes, des Anklägers und des Verteidigers beantwortet worden, widerspricht daher der Aktenlage. Unter 'Abstimmung' i.S. des 329 StPO. ist nur die Abstimmung über die an die Geschwornen gestellten Fragen zu verstehen (Mayerhofer/Rieder, StPO., § 329, E.Nr. 2). Der Inhalt der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO. kann jedoch nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden (Mayerhofer/Rieder, § 331, E.Nr. 10), sodaß die in der Beschwerde gerügte Ergänzung der Niederschrift über Anregung des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs keine Nichtigkeit nach sich zieht.
Was das Protokoll vom 10.Mai 1983 (Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON. 27) anlangt, so ist nach §§ 271 Abs 1, 302 Abs 1 StPO. nur die völlige Unterlassung der Führung eines Hauptverhandlungsprotokolls mit Nichtigkeit bedroht. Jenes Protokoll vom 10.Mai 1983, das über die Vorgänge bei der Verdeutlichung des Wahrspruchs und der 'Erwägungen' der Geschwornen Auskunft gibt, ist aber außerhalb der Hauptverhandlung ergangen, die nach § 319
StPO. nach den Schlußvorträgen der Parteien vom Vorsitzenden geschlossen und erst nach den in den §§ 320 bis 339 StPO. beschriebenen Belehrungs-, Abstimmungs- und Kundmachungsvorgängen wiedereröffnet wurde. Aus ihm läßt sich ein Nichtigkeitsgrund überhaupt nicht ableiten.
Mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z. 5
StPO. wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie (S. 248 bis 250/Band II), weil das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen Dr. C Mängel aufweise: so habe dieser Sachverständige die verschiedenen Testverfahren nicht selbst, sondern durch fachlich unqualifizierte Hilfskräfte vornehmen lassen, das Gutachten befasse sich unter Einbeziehung von Aussagen aus dem Verwandtenkreis völlig unbegründet mit der Täterund Opferbeziehung, berücksichtige nicht die vom medizinischen Sachverständgen Dr. D festgestellte Alkoholisierung (bis zu 2 %o) des Täters bei der Prüfung der Frage, ob ein hochgradiger Affekt vorgelegen habe, schließe aus dem Verhalten des Täters nach der Tat, daß ein pathologischer Affekt nicht bestanden habe, obgleich nach den Regeln der Wissenschaft eine solche Schlußfolgerung unzulässig sei; der Sachverständige sei auch nicht in der Lage, zwischen einem pathologischen Affekt im Sinne des § 11 StGB. und einem Affekt im Sinne des § 76 StGB. zu unterscheiden und habe schließlich keine ausreichende Beurteilung der Täterpersönlichkeit zur Tatzeit, sowie des Motivs der Tat abgegeben. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
Im Strafverfahren ist grundsätzlich nur ein Sachverständiger beizuziehen, lediglich unter bestimmten, im Gesetz angeführten Voraussetzungen (§§ 118 Abs 2, 125, 126 StPO.), ist ausnahmsweise das Gutachten eines zweiten Sachverständigen einzuholen, wenn der bereits vorliegende Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen ist, wenn sich solche Widersprüche oder Mängel in bezug auf das Gutachten ergeben oder wenn sich zeigt, daß es Schlüsse enthält, die aus den gegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, und wenn sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung des bereits beigezogenen Sachverständigen beseitigen lassen. Von alledem kann hier nicht die Rede sein.
Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß die Beantwortung der (Rechts-) Frage, ob der Angeklagte die Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung beging (§ 76 StGB.), nicht dem Sachverständigen sondern nur den Geschwornen zustand, doch bedeutet der Umstand, daß der Sachverständige auch dazu Stellung genommen hat, keinen Mangel im oben dargestellten Sinn. Der Sachververständige hat ohnedies in der Hauptverhandlung dazu erklärt, daß dies eine nicht von ihm zu lösende Rechtsfrage sei (II S. 246).
Der Befund ist auch deshalb nicht mangelhaft i.S.
der §§ 125, 126 StPO., weil die Aufnahme der psychologischen Tests nicht durch den Gutachter selbst, sondern durch eine entsprechend ausgebildete Hilfskraft erfolgte (II S. 245). Welche Untersuchungsmethoden ein Sachverständiger nach der Erfahrung seiner Wissenschaft im einzelnen anzuwenden hat und in welcher Form sie durchgeführt werden, muß allein ihm überlassen bleiben (vgl. 10 Os 38/66). Daß aber der von dieser Hilfskraft aufgenommene Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit den erhobenen Tatumständen sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Auswertung der Testergebnisse ist, wie in der Hauptverhandlung klargestellt wurde (II S. 245), ohnedies durch den Sachverständigen selbst vorgenommen worden.
Soweit die Beschwerde behauptet, der Sachverständige Univ.Prof.Dr. C setze sich mit der Frage eines Affekts im Tatzeitpunkt nur mangelhaft auseinander und begründe die Nichtannahme eines heftigen Affekts lediglich damit, daß der Angeklagte nach der Tat die Wohnung des Opfers durchsuchte, sodann in die Wohnung seiner Mutter ging, sich dort rasierte und ein Bad einließ, übergeht sie Teile des darauf bezugnehmenden Gutachtens (vgl. II S. 245, 246 und 247) und zeigt weder damit noch mit dem weiteren Vorbringen, die Begründung des Sachverständigen stehe hier mit dem Stand der Wissenschaft in eklatantem Widerspruch, Mängel des Gutachtens i.S. der §§ 125, 126 StPO. auf. Der vom Erstgericht bestellte Sachverständige hat zur Frage der Zurechnungsfähigkeit und zu der einer Tatausführung im Affekt - und damit zu dem im Antrag angeführten Beweisthema - ausführlich Stellung genommen. Ob aber das Gutachten eines Sachverständigen ausreichend und verläßlich ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die sachliche Richtigkeit und überzeugungskraft eines solchen Gutachtens kann durch eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpft werden. Insoweit nunmehr in der Beschwerde Mängel des Gutachtens behauptet werden, zeigt der Beschwerdeführer diese in Wahrheit nicht auf, sondern bekämpft nur unzulässig die Richtigkeit des Gutachtens, das der Prüfung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten und einer Nachprüfung durch die Rechtsinstanz entzogen ist (EvBl 1959/218, RZ 1974, 214 u.v.a.).
Zu der - in der Beschwerde nicht weiter relevierten - Frage der Alkoholisierung des Angeklagten hat der Sachverständige Stellung genommen (II S. 245, 246); daß er aus dem Verhalten des Täters nach der Tat Schlußfolgerungen auf das Ausmaß des auch vom Sachverständigen festgestellten Affekts zur Tatzeit zog, entspricht durchaus den Regeln der psychiatrischen Wissenschaft. Der Beweisantrag ist daher vom Erstgericht mit Recht abgelehnt worden.
Als nichtig nach § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. bezeichnet der Beschwerdeführer das Urteil, weil sich aus dem Protokoll vom 10.Mai 1983 (Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON. 27) eindeutig ergebe, daß die Rechtsbelehrung bei den Geschwornen Mißverständnisse hervorgerufen habe:
Sie hätten erst nach der Abstimmung über die Hauptfrage über entsprechende Frage des Vorsitzenden ihre Erwägungen für den Ausschluß einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tatzeit bekanntgegeben; dessen ungeachtet habe einer der Geschwornen erklärt, es läge Mord im Affekt vor; erst dann sei, nachdem die Geschwornen vom Verteidiger auf die Bestimmung des § 76 StGB. hingewiesen worden seien, die Zusatzfrage 5 (Zurechnungsunfähigkeit) beantwortet worden. Auch könne aus der Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs 3 StPO.) abgeleitet werden, daß diese dem Angeklagten zwar das Bestehen eines (nicht bis zur Unzurechnungsfähigkeit reichenden) Affektes zugestanden, sich aber nicht mit der Frage auseinandergesetzt hätten, ob die Tat als Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB. zu beurteilen sei.
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. nur aus der schriftlichen Rechtsbelehrung selbst abgeleitet werden kann (Mayerhofer-Rieder, StPO., § 345 Z. 8, Nr. 2), der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen aber nicht einmal den Versuch unternimmt, eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung nachzuweisen.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers verwirklichen die bereits mehrmals erwähnten Vorgänge bei der Bekanntgabe des Wahrspruchs der Geschwornen auch nicht den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z. 10 StPO. Keiner der Geschwornen hat ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis behauptet; auch wenn, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptet wird, einer der Geschwornen von einem Mord im Affekt gesprochen hätte, könnte daraus nicht abgeleitet werden, daß unter den Geschwornen ein Mißverständnis über die Begriffe von Mord und Totschlag (§§ 75 und 76 StGB.) bestanden hätte. Nach dem Inhalt des Beschlusses vom 13.Juni 1983, ON. 38, ist eine solche Äußerung möglich, doch hebt das Gericht hervor, daß die Geschwornen nach den vom Obmann niedergeschriebenen Erwägungen dem Angeklagten ein Handeln im Affekt zwar zubilligten, aber einhellig der Meinung waren, daß dieser seinem Grade nach weder Zurechnungsunfähigkeit bewirkte noch zu einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung führte. Da somit weder einer der Geschwornen ein Mißverständnis behauptet hat, noch auch der Wahrspruch undeutlich, unvollständig, in sich widersprechend oder mit dem Inhalt der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO. im Widerspruch ist (§ 332 Abs 4 StPO.), bestand für die Einleitung eines Moniturverfahrens kein Anlaß.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst Karl A war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB. zu 12 Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sein zwar reumütiges, aber nicht umfassendes Geständnis, eine gewisse Enthemmung durch Alkoholgenuß, einen durch mehrere die Ehre und die Gefühle des Angeklagten verletzende Äußerungen des Opfers hervorgerufenen Affektzustand, sowie den Umstand, daß der Angeklagte die Tat ganz wenige Tage nach der Vollendung des 21.Lebens-Jahres begangen hat, als mildernd, die überaus grausame Vorgangsweise des Angeklagten und die Tatsache, daß er seine eigene Großmutter, die als sein Vormund immer ihre Pflichten ihm gegenüber erfüllt und ihm viel Gutes erwiesen hatte, ermordet hat, dagegen als erschwerend.
Während die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe anstrebt, begehrt der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel eine Strafherabsetzung unter Berücksichtigung der außerordentlichen Strafmilderung im Sinne des § 41 StGB.
Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt. Entgegen der in der Berufung des Angeklagten vertretenen Auffassung hat das Erstgericht das nahe Verwandtschaftsverhältnis zum Opfer mit Recht wegen der bestehenden Beistandspflicht als erschwerend gewertet. Daß der Angeklagte in einem durch verschiedene Äußerungen des Opfers hervorgerufenen Affektzustand gehandelt hat, wurde ihm ohnedies als Milderungsgrund angerechnet. Ungeachtet dieses Affekts wurde die über die 'Normalfälle', welche die gesetzliche Vertypung im Auge hat (vgl. Leukauf-Steininger, StGB.2, § 32 RZ. 15), hinausgehende grausame Vorgangsweise bei Ermordung der Anna B zutreffend als Erschwerungsgrund angenommen. Seine erhebliche Alkoholisierung zur Tatzeit und die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit kommt ihm gemäß § 35 StGB. dagegen nicht als mildernd zugute, weil er - wie sich aus der wegen Vergehens der Sachbeschädigung erfolgten Verurteilung des Bezirksgerichtes Schwaz vom 13.April 1982, U 373/82-3, begangen im alkoholisierten Zustand, ergibt - die enthemmende Wirkung des Alkohols kannte und ihm der Alkoholgenuß daher vorzuwerfen ist.
Auch wenn die Tatbegehung wenige Tage nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht als eigener Milderungsgrund angenommen wird, muß das Alter des Angeklagten bei Wertung seiner Schuld berücksichtigt werden. Dennoch ist die Strafe zu gering ausgemessen worden. Bei der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) des Angeklagten, der seine eigene Großmutter ermordet hat, ist die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung berechtigt. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Jahren ist angemessen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.
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