OGH 12Os75/86

OGH12Os75/863.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen W*** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 10.Februar 1986, GZ 11 b Vr 1229/85-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Kodek als Vertreter der Generalprokuratur, des Angeklagten Jürgen W*** und des Verteidigers Dr. Tauchner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen W*** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB schuldig erkannt, weil er am 18.August 1985 in Reisenberg den Karl T*** durch Versetzen eines Stoßes, wodurch T*** zu Boden stürzte, am Körper mißhandelte, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Ziffern 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an. In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer eine mangelhafte Begründung der Urteilsfeststellung, daß er dem Karl T*** im Zuge der "Ranglerei" Schläge bzw. Stöße versetzt habe, geltend; der Zeuge G***, auf dessen glaubwürdige Aussage das Erstgericht seine Feststellung stützte, habe lediglich von Stößen, weder vor der Gendarmerie, noch in der Hauptverhandlung aber von Schlägen gesprochen.

Dem ist zu entgegnen, daß das Erstgericht die Urteilsfeststellungen nicht nur auf die Aussage des Zeugen G***, sondern auch auf die Verantwortung des Angeklagten stützte (siehe S 145); dieser hat jedoch anläßlich seiner Vernehmung durch die Gendarmerie einbekannt (siehe S 87), dem Karl T*** höchstens zwei Schläge auf die Brust versetzt zu haben; ob er dabei mit der Faust hinschlug oder mit der flachen Hand, wisse er nicht mehr. Selbst wenn daher den Vernehmungsprotokollen bezüglich des Zeugen G*** nichts darüber zu entnehmen ist, daß im Verlauf der "Ranglerei" der Angeklagte dem Karl T*** auch Schläge versetzte, erweist sich die diesbezügliche Urteilsannahme angesichts der erwähnten Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie und dem Urteilshinweis darauf als zureichend begründet. In Anbetracht der in der Hauptverhandlung verlesenen Gendarmerieanzeige (siehe S 140) kann daher keine Rede davon sein, daß das Erstgericht im Urteil Umstände verwertet habe, die im Beweisverfahren nicht vorgekommen seien.

Daß die Verantwortung des Angeklagten, er hätte sich bloß durch einen Stoß gewehrt, durch die Aussage des Zeugen G*** widerlegt wird, konnte das Erstgericht - den Beschwerdeausführungen zuwider - deshalb mängelfrei als erwiesen annehmen, weil für die Annahme der vom Angeklagten behaupteten Notwehrsituation die angeführte Zeugenaussage nicht den geringsten Anhaltspunkt bietet. Mit den Behauptungen, der Zeuge G*** habe den Umstand, daß Karl T*** das Hemd des Angeklagten gehalten und dieser T*** berührt habe, "offensichtlich als Stöße empfunden", sowie daß der Sturz beider Kontrahenten darauf zurückzuführen sei, daß der Angeklagte Karl T*** wegstoßen wollte, um sich anschließend von ihm entfernen zu können, begibt sich der Beschwerdeführer auf das ihm verwehrte Gebiet der Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes; jedenfalls wird damit ein formeller Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt.

Das Vorliegen von Mißhandlungsvorsatz hat das Erstgericht zwar bloß abstrakt festgestellt (S 150), aber doch auch fallbezogen unter Hinweis auf die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes in ausreichender Weise begründet, wobei es ersichtlich diesen Vorsatz aus dem Versetzen von Stößen und Schlägen durch den Angeklagten und der Tatsache, daß dieser die Konfrontation mit T*** geradezu suchte, ableitete (siehe S 151).

In der Mängelrüge (der Sache nach allerdings Z 9 lit a) wird das Vorliegen von Feststellungsmängeln in bezug auf die subjektive Vorhersehbarkeit des Todeseintrittes bei Karl T*** behauptet; dies jedoch zu Unrecht. Denn der Täter muß lediglich allgemein voraussehen können, daß der Erfolg in einer Weise zustandekommt, die den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhanges genügt; die Vorhersehbarkeit des konkreten Kausalverlaufes innerhalb dieses Rahmens ist nicht erforderlich (vgl. Burgstaller, Wiener Kommentar, Rz. 93 zu § 6). Bei dem im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindlichen Angeklagten, der sich keineswegs im Zustand besonderer Erregung befand (siehe S 151), fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten für die Einschränkung der subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges, sodaß es im Urteil weiterer diesbezüglicher Feststellungen nicht bedurfte.

Auch in der Rechtsrüge vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, ihm wie jedem Durchschnittsmenschen sei nicht erkennbar gewesen, daß der verfahrensgegenständliche Stoß zur tödlichen Verletzung bei Karl T*** führen könnte; der Sachverständige Prim. Dr. S*** habe ausgeführt, die tödlichen Verletzungen T*** wären nicht vorhersehbar, sie seien auch nicht für einen Sturz als typisch anzusehen. Damit wird aber der Sache nach in Zweifel gezogen, daß der tatbildmäßige Erfolg dem Angeklagten auch objektiv zurechenbar, der Adäquanzzusammenhang daher nicht gegeben sei.

Objektive Zurechnung des Erfolges setzt objektive Voraussehbarkeit von Erfolg und Kausalzusammenhang in seinen wesentlichen Merkmalen voraus. Erfolgseintritt und Kausalablauf müssen objektiv erkennbar gewesen sein, sie dürfen nicht gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen. Dabei genügt die Erkennbarkeit eines nicht völig atypischen, sondern vielmehr nach der Erfahrung des täglichen Lebens denkmöglichen Verlaufs im allgemeinen (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. 2 RN 27 zu § 80). Erforderlich ist also nicht, daß die eingetretene Folge dem typischen Kausalverlauf entspricht. Tatfolgen, die im Rahmen des vom Täter eingegangen, im Urteil durch die Hinweise auf das Alter des Tatopfers und den harten Untergrund (Asphalt) treffend bezeichneten Gefahrenrisikos lagen und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung unvorhersehbarer Umstände eintraten, sind adäquat verursacht; inadäquat hingegen sind nur solche Folgen, die völlig außerhalb der gewöhnlichen Lebenserfahrung liegen und solcherart gänzlich atypisch sind (LSK 1984/170), was weder von einem Sturz zufolge eines kräftigen Stoßes, noch von einer tödlichen Verletzung durch Aufschlagen mit dem Hinterkopf auf Straßenasphalt gesagt werden kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 86 StGB unter Anwendung der §§ 37 Abs 1 (richtig wohl: Abs 2) und 41 Abs 1 Z 4 StGB eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des Tagessatzes mit 170 S festgesetzt wurde. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend keinen Umstand, mildernd den Beitrag zur Wahrheitsfindung, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren und die Provokation durch den Gegner. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte ausschließlich die bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Geldstrafe. Angesichts des objektiven Gewichtes der verschuldeten Tat, die immerhin den Tod eines Menschen zur Folge hatte, bedarf es vorliegend aus spezialpräventiven Gründen zur Erzielung größtmöglicher Effektivität der Strafe des tatsächlichen Vollzuges der Geldstrafe, sodaß dem Berufungsbegehren kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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