Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil eines Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19.Oktober 1988, GZ 14 E Vr 1.777/88-5, bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 21.März 1989, AZ 10 Bs 82/89, wurde der am 10.Jänner 1955 geborene Harald S***, bei dem die formellen Voraussetzungen einer Strafschärfung nach § 39 StGB vorlagen, des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu 5 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Er war weder bei der Hauptverhandlung noch im Berufungsverfahren durch einen Verteidiger vertreten.
Nach Meinung des Generalprokurators wurde bei diesen Vorgängen das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 4 StPO verletzt. Die darum erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 33 Abs. 2 StPO wird wie folgt begründet:
Nach § 41 Abs. 4 StPO idF BGBl. 1987/605 bestehe im Verfahren vor dem Einzelrichter notwendige Verteidigung, wenn für die Tat, außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 3 StGB, eine 3 Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Fraglich sei, ob dabei von der allgemein angedrohten Strafe auszugehen ist, wofür die grammatikalische Interpretation der Bestimmung des § 41 Abs. 4 StPO spreche. Der durch § 39 StGB um die Hälfte erhöhte Strafrahmen könne bei einer solchen nicht gemeint sein, da sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 39 StGB (".... so kann ..... das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe um die Hälfte überschritten werden") ergebe, daß diese Bestimmung selbst nur vom Grundstrafrahmen, der für die Tat angedroht ist, ausgeht. Die Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofes (SSt. 46/40) stelle klar, daß § 39 StGB weder zusätzliche Tatbildmerkmale noch eine Deliktsqualifikation oder einen geänderten Strafsatz schafft, sondern ausschließlich eine faktultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift darstellt. Der Übergang der sachlichen Zuständigkeit vom Einzelrichter zum Schöffengericht im Falle eines mit 5 Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Delikts bei qualifiziertem Rückfall im Sinne des § 39 StGB werde durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 (§ 13 Abs. 2 Z 1, § 8 Abs. 3 StPO) für diesen Fall ausdrücklich geregelt. Eine gleichartige ausdrückliche Regelung bei der notwendigen Verteidigung nach § 41 Abs. 4 StPO im Fall des qualifizierten Rückfalls fehle. Die Anhebung der Strafbefugnis des Einzelrichters auf grundsätzlich 5 Jahre Freiheitsstrafe durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 bewirke (§ 13 Abs. 2 StPO), daß nunmehr Strafsachen (wie die gegenständliche) dem Einzelrichter zur Ahndung zukommen, in denen vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes wegen der Zuständigkeit des Schöffengerichtes Verteidigerzwang bestanden hatte. Eine Einschränkung des Institutes der Pflichtverteidigung sollte aber nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht stattfinden (JAB zum StRÄG 359 BlgNR 17.GP. 31). Unter Berücksichtigung dieser, auf die Beibehaltung des bisherigen Rechtsschutzes abzielenden Intention des Gesetzgebers müsse daher der auf die Strafdrohung der in Frage kommenden Tat abstellende Wortlaut des § 41 Abs. 4 StPO ungeachtet der oben angestellten Erwägungen dahingehend interpretiert werden, daß - abgesehen von den kraft Gesetzes einer anderen Regelung unterworfenen Tatbeständen nach §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 3 StGB - auch in jenen Strafsachen notwendige Verteidigung besteht, in denen dem Einzelrichter, wenn auch nur fakultativ, die Möglichkeit der Verhängung einer 3 Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe zusteht (vgl. Foregger-Serini4 Erl I.3. letzter Satz zu § 41 StPO). Dementsprechend habe in Ansehung des hier aktuellen, grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bedrohten Tatbestandes nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB im Hinblick auf das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB Verteidigerzwang bestanden.
Diese Argumentation schlägt nicht durch.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung eines verstärkten Senates vom 29.Juli 1975 (SSt. 46/40) ausführlich dargelegt hat, handelt es sich bei § 39 StGB bloß um eine fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift, die keine Änderung der Strafsätze bewirkt. Wenn daher das Gesetz von der "Androhung" einer bestimmten Freiheitsstrafe oder davon spricht, daß eine bestimmte Freiheitsstrafe "angedroht" oder eine strafbare Handlung mit einer bestimmten Freiheitsstrafe "bedroht" ist (zB §§ 8 Abs. 3 aF und nF;
9 Abs. 1 Z 1; 13 Abs. 2 Z 1 aF und nF; 14 Abs. 1 Z 11 StPO; §§ 17 Abs. 1; 21 Abs. 1; 37 Abs. 1 und 2; 39 Abs. 1; 41; 42; 43 Abs. 1;
57; 164 Abs. 3; 297 Abs. 1 StGB), so sind darunter ausschließlich die bei den einzelnen Straftatbeständen des Allgemeinen Teiles des Strafgesetzbuches und in strafrechtlichen Nebengesetzen vorgesehenen Strafdrohungen zu verstehen. Dies erhellt auch daraus, daß das Gesetz in jenen Fällen, in welchen es auf die Veränderung der Strafdrohungen durch § 39 (oder § 313) StGB Bedacht genommen wissen wollte (§ 8 Abs. 3 StPO aF) oder bei denen nunmehr die Zulässigkeit einer Überschreitung der Obergrenze nach § 39 (oder § 313) StGB zu berücksichtigen ist (§ 8 Abs. 3 StPO nF), dies ausdrücklich anordnet, was andernfalls überflüssig wäre.
Sohin besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (§ 41 Abs. 4 StPO) für die Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter nur dann Verteidigerzwang, wenn für die Tat (außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 3 StGB) allgemein, also ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 (oder § 313) StGB eine 3 Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Die vom Generalprokurator vertretene gegenteilige Ansicht findet zwar in den Gesetzesmaterialien eine gewisse Stütze (359 BlgNR 17. GP, 31), doch verlieren diese ihre eigenständige Bedeutung als Mittel der Gesetzesinterpretation jedenfalls dort, wo sich - wie hier - der Sinn des Gesetzes aus diesem selbst klar ergibt (SSt. 46/40).
Dazu kommt, daß jene Fälle, in welchen bei einem (mangels der Voraussetzungen der §§ 39, 313 StGB nicht überschreitbaren) gesetzlichen Strafsatz bis zu 5 Jahren eine Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren verhängt wird, keineswegs selten sind, während die durch §§ 39, 313 StGB eröffnete Möglichkeit einer Überschreitung der (hier relevanten) Strafobergrenze von 3 Jahren von den Gerichten kaum wahrgenommen wird (aaO 26, 29), sodaß es zufolge der - unerwarteten (aaO 29) - Entwicklung der Strafanwendungspraxis durchaus sachgerecht erscheint, in dem aus der Änderung der Vorschrift des § 8 Abs. 3 StPO resultierenden Bereich, soweit dadurch eine Verschiebung der Zuständigkeit vom Schöffengericht zum Einzelrichter bewirkt worden ist, auf einen Verteidigerzwang (nunmehr) zu verzichten. Die Bestimmung des § 41 Abs. 4 StPO entzieht sich somit auch von daher gesehen einer extensiven Interpretation. Daß damit der Verteidigerzwang im Einzelrichterverfahren nicht nach einheitlichen Strafbefugnis-Grenzen determiniert ist, verschlägt nichts, weil eine derartige Uneinheitlichkeit durch die von der grundsätzlichen Regelung ausgenommenen Fälle der §§ 129 Z 1 bis 3, 164 Abs. 3 StGB im Gesetz selbst ausdrücklich angeordnet ist. Schließlich kann auch aus Foregger-Serini4 Anm. I.3. letzter Satz zu § 41 StPO für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen werden; wird doch dort auf die hier aktuelle Problematik nicht differenziert eingegangen. Die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
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