European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00073.23M.0907.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Jugendstrafsachen
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten * M*, * A* und * S*, demgemäß auch in den Strafaussprüchen sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche und der zugleich ergangene Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe hinsichtlich * M* aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurden * M*, * A* und * S* der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB und nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie am 14. Februar 2020 in W* in verabredeter Verbindung mit weiteren unbekannten Tätern * T* am Körper verletzt, indem „sie“ ihm mehrere Faustschläge gegen das Gesicht und Fußtritte versetzten, wodurch der Genannte einen Bruch des Jochbeins und des linken Kiefers sowie eine Zertrümmerung des „Nasenbereichs“, somit eine an sich schwere Verletzung, erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der gegen den Schuldspruch gerichteten, zum Nachteil der Angeklagten * M*, * A* und * S* aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter und fünfter Fall StPO (sowie eventualiter zum Vorteil dieser Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall und Z 9 lit a StPO) erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
[4] Nach dem Urteilssachverhalt verabredeten sich * M*, * A* und * S* dazu, * T* am Körper zu verletzen (US 9, 11). In Umsetzung dieses Vorhabens versetzten * M* und * A* dem T* Faustschläge in das Gesicht und * M* trat dem Opfer überdies gegen den Oberschenkel (US 5), wodurch * T* einen Bruch des Jochbeins, des Kiefers und des „Nasenbereichs“ erlitt (US 6). * S* stand dabei, um eine eventuelle Flucht T*s zu verhindern (US 9). Die Angeklagten hielten es dabei ernstlich für möglich, * T* in verabredeter Verbindung mit den Mittätern eine schwere Körperverletzung zuzufügen, und fanden sich damit ab (US 6, 9, 11).
[5] Die – von der Anklagebehörde angenommene – Verwirklichung des Tatbestands des schweren Raubes nach – soweit hier wesentlich – §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB verneinten die Tatrichter, weil sie nicht feststellen konnten, dass * M*, * A* und * S* oder ein unbekannter Täter Zigaretten und Geldbörse von * T* verlangt hätten (US 5) und „es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, um sich oder Dritte dadurch unrechtmäßig zu bereichern“ (US 6).
[6] Begründend stützte das Erstgericht die in objektiver Hinsicht getroffene Negativfeststellung auf Angaben des * T*, wonach dieser nicht mehr sicher sei, dass tatsächlich Zigaretten und Bargeld von ihm verlangt worden wären, er aber „tatsächlich Zigaretten bei sich hatte, die auch nach dem Vorfall noch in seiner Jackentasche waren“ (US 10). Auch die Verneinung des Bereicherungsvorsatzes wurde auf diese Aussage (US 10) und die insoweit als glaubwürdig erachteten Verantwortungen des * M* und des * A* gegründet (US 8).
[7] Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) eine unrichtige Wiedergabe des Inhalts wesentlicher Teile der Aussagen des Zeugen * T* sowie der Angeklagten * M* und * A* auf.
[8] Denn nach den Angaben des * T* wurde er nach Zigaretten und Geld gefragt, „ob“ er „etwas dabei habe“. Dies habe er verneint (ON 64 S 25; vgl auch ON 9 S 43). Dass er sich nicht mehr sicher sei, ob ihm die in Rede stehende Frage gestellt worden sei, brachte * T* hingegen nicht zum Ausdruck.
[9] Ebenso wenig ist den Depositionen der Angeklagten * M* und * A* eine Aussage zu einem allfälligen (fehlenden) Bereicherungsvorsatz zu entnehmen. Die Genannten bestritten vielmehr grundsätzlich, * T* nach Bargeld und Zigaretten gefragt zu haben (ON 64 S 6 f und 11).
[10] Da schon diese Begründungsdefizite die Aufhebung des Schuldspruchs erforderten, erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
[11] Es waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil wie im Tenor ersichtlich sowie der – verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommene (US 3 f; vgl RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0120887&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T2 und T3]) – Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe hinsichtlich * M* aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.
[12] Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
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