OGH 12Os69/85

OGH12Os69/8520.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger (Berichterstatter), Dr.. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred A und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alfred A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 7.März 1985, GZ 20 Vr 1120/84-104, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidiges Dr. Heißl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Alfred A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 20-jährige Alfred A (im zweiten Rechtsgang) auf Grund des - einstimmigen - Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 28.Dezember 1983 in Innsbruck durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich unter Vorhalten einer geladenen Gaspistole, somit unter Verwendung einer Waffe, der Anna B eine fremde bewegliche Sache, und zwar 2.000 S Bargeld, mit Bereicherungsvorsatz weggenommen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Als Nichtigkeit begründende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) rügt der Beschwerdeführer, daß die Stellung einer Eventualfrage nach versuchtem schweren Raub hinsichtlich eines Bargeldbetrages von 2.000 S, einer Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch und einer weiteren Eventualfrage nach gefährlicher Drohung unterblieben ist. Seinen diesbezüglichen Antrag (§ 310 Abs. 3 StPO) hatte der Schwurgerichtshof abgewiesen, weil die begehrten Fragen nach der eigenen Verantwortung des Angeklagten nicht indiziert seien (S 497/III). Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber ein, nach den besonderen Umständen des Falles sei durch die Wegnahme der vier 500-S-Banknoten der Gewahrsam der überfallenen an diesem Geld noch nicht gebrochen worden, sodaß das Tatbild des Raubes noch nicht vollendet gewesen sei; es wäre daher auch die in der Hauptverhandlung hervorgekommene Tatsache, daß der Angeklagte den aus der Kassa entnommenen Betrag von 2.000 S freiwillig der Trafikantin zurückgegeben hat, zum Gegenstand einer Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom - unbeendeten - Versuch zu machen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rüge kommt keine Berechtigung zu.

Hinsichtlich der Rechtsrüge genügt es, auf das den zweiten Rechtsgang anordnende Vorerkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 15. November 1984, 12 Os 137/84-8, zu verweisen. Darin wurde dargelegt, daß im ersten Rechtsgang eine Fragestellung zwecks rechtlicher Beurteilung des Sachverhalts durch die Geschwornen in zwei Richtungen denkbar war. Die damalige Rechtsbelehrung ließ jedoch die Geschwornen über den Kern der maßgebenden Rechtsfragen im Dunkeln. Die eine Sachverhaltsvariante, daß nämlich der Angeklagte, wie er eingestand, nicht nur vier 500-S-Noten der Geldlade entnahm, sondern darüber hinaus das gesamte darin befindliche Bargeld wegnehmen wollte, wäre in rechtlicher Beziehung gegebenenfalls als teils vollendeter, teils versuchter Raub zu beurteilen gewesen. Wäre aber der Sachverhalt so gelagert gewesen, daß die bloße Ansichnahme der Banknoten unter den besonderen Umständen des Falles noch nicht den Bruch des Gewahrsams der überfallenen an dem Bargeld bewirkt hätte, weil es dem Täter, eben wegen der besonderen Fallgestaltung, noch nicht gelungen wäre, die zweitausend Schilling in seinen ausschließlichen Alleingewahrsam zu bringen, so wäre das gesamte Täterverhalten nur als versuchter Raub zu beurteilen gewesen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre eine entsprechende Eventualfrage (und allenfalls auch eine Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch sowie eine Eventualfrage nach gefährlicher Drohung) indiziert gewesen.

Der Schwurgerichtshof erkannte aber auf Grund der Verfahrensergebnisse des zweiten Rechtsganges zutreffend, daß nach der eigenen Verantwortung des Angeklagten - der sich in seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf andere Verfahrensergebnisse nicht zu berufen vermag - ausschließlich die erste Tatvariante in Betracht kam und daß daher eine Eventualfrage nach versuchtem Raub in Ansehung eines Betrages von 2.000 S ebensowenig indiziert war wie eine Eventualfrage, durch die den Geschwornen die Beurteilung des gesamten Tatgeschehens einheitlich als versuchter Raub ermöglicht worden wäre. Nach der Tatschilderung des Beschwerdeführers (S 455/III) entnahm er nämlich der Kassenlade vier 500-S-Noten und steckte sie ein, wobei er die Waffe gegen die Trafikantin gerichtet hatte. Damit war der Raub des genannten Geldbetrages vollendet (vgl Kienapfel, BT II § 142 RN 20; Zipf, Wr. Kommentar § 142 RN 6), zumal sich die Vollendung des Wegnehmens bzw Abnötigens beim Raub weniger als beim Diebstahl an den räumlichen Gewahrsamsverhältnissen ausrichtet als vielmehr an der Abwehr- und Verteidigungssituation des Opfers. Darnach ist der Raubtatbestand vollendet, wenn das Tatobjekt dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist, wie dies vorliegend durch das Einstecken des Geldes bei gleichzeitiger anhaltender Bedrohung der Eigentümerin mit einer Schußwaffe der Fall gewesen ist. Eine Beurteilung dieses Geschehens als versuchter Raub kommt daher nicht in Betracht, womit auch die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch ausscheidet.

Erst nach dem vollendeten Raub der 2.000 S hat der Angeklagte, weil er in der Kassa noch mehr Geld gesehen hatte, den Entschluß gefaßt, 'nachzugreifen', diesen aber unter dem Eindruck des Zuredens der Verkäuferin noch vor einem neuerlichen Griff in die Kassa wieder aufgegeben. Anders als im ersten Rechtsgang kann somit nun davon ausgegangen werden, daß der Gedanke des Beschwerdeführers an ein 'Nachgreifen' zur Entnahme des weiteren Bargeldes über ein inneres und freiwillig wieder aufgegebenes Vorhaben nicht hinausgediehen ist. Auch eine diesbezügliche Frage (nach versuchtem Raub in Ansehung eines 2.000 S übersteigenden Betrages) war daher, wie der Schwurgerichtshof gleichfalls richtig erkannte, nicht indiziert, wobei, was der Vollständigkeit halber bemerkt sei, der Beschwerdeführer andernfalls durch ihr Unterbleiben nicht beschwert gewesen wäre, weil es sich dabei nur um eine weitere Hauptfrage hätte handeln können, deren Bejahung zu einem (zusätzlichen) Schuldspruch auch wegen teils versuchten Raubes geführt hätte, falls nicht, wie anzunehmen, dem Angeklagten von den Geschwornen durch die Bejahung einer entsprechenden Zusatzfrage diesbezüglich Rücktritt vom Versuch zugebilligt worden wäre.

Eine den Angeklagten benachteiligende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung liegt daher in keiner Beziehung vor. Der Rüge nach der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO hinwieder ist entgegenzuhalten, daß die Rechtsbelehrung nur zu den tatsächlich gestellten Fragen zu erteilen ist. Da - nach dem Vorgesagten zu Recht - Fragen nach versuchtem Raub und Rücktritt vom Versuch unterblieben, bedurften diese Rechtsbegriffe auch keiner Erläuterung in der Rechtsbelehrung.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten Alfred A für das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB sowie für die dem Genannten nach dem bereits im ersten Rechtsgang insoweit in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.Juli 1984, GZ 20 Vr 1120/84-59, zur Last liegenden weiteren strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und das Vergehen nach § 16 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG, nach §§ 28, 143 StGB unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, weiters die mehrfache Qualifikation des Diebstahls, daß bei der beim Raub bedrohten Person ein schwerer Schock hervorgerufen wurde und daß das Vergehen nach § 16 SuchtgiftG wiederholt wurde; als mildernd zog es dagegen in Betracht, daß der Angeklagte umfassend und reumütig geständig war, weiters sein Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit, die sofortige Schadensgutmachung beim Raub und eine gewisse Abhängigkeit des Angeklagten von der von ihm geliebten Zweitangeklagten, sowie schließlich eine durch Suchtgiftmißbrauch verursachte geringgradige Wesensänderung.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie deren bedingte Nachsicht an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die vom Berufungswerber ins Treffen geführten besonderen Umstände des Falles hat das Geschwornengericht bei der Strafbemessung ohnedies hinreichend berücksichtigt, indem es die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung als gegeben erachtete und daher die Strafe unter dem gesetzlichen Mindestmaß der Strafdrohung des § 143 (erster Strafsatz) StGB festsetzte. Bei der Gewichtung der Schuld des Berufungswerbers darf allerdings - was die Berufung offenbar übersieht - nicht außeracht bleiben, daß ihm außer dem Verbrechen des Raubes auch noch zwei weitere strafbare Handlungen - darunter ein Verbrechen - zur Last liegen, womit sich aber das vom Erstgericht gefundene Strafmaß als durchaus schuldangemessen erweist. Dem Begehren um Strafreduktion konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Angesichts der Höhe der verhängten Strafe scheidet die Gewährung bedingter Strafnachsicht kraft Gesetzes aus, sodaß auf das bezügliche Berufungsvorbringen nicht einzugehen ist. Sohin war über die Rechtsmittel des Angeklagten Alfred A spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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