Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 24.Juni 1929 geborene Karl S***** wurde aufgrund des (einstimmigen) Wahrspruchs der Geschwornen (1./) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und (2./) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 22.Februar 1992 in Zeltweg (1./) seine Gattin Erika S***** durch Schüsse aus einem Trommelrevolver vorsätzlich getötet und (2./) seine Tochter Brigitte K*****, als diese ihrer Mutter Erika S***** helfen wollte, durch einen Schuß aus dem Trommelrevolver fahrlässig an der linken Hand schwer verletzt, indem er ihr eine Fraktur des dritten Mittelhandknochens, eine Rißquetschwunde am Handrücken und Verletzungen im Handgelenk zufügte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 und 10 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund zu der (anklagekonformen) Hauptfrage nach Mord sowie zu den dazu gestellten Eventualfragen nach Totschlag (§ 76 StGB), absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) vermißten Zusatzfragen (§ 313 StPO) nach rauschbedingter Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) war dem Beschwerdestandpunkt zuwider nach den in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen (§§ 313, 314 Abs 1 StPO) ebensowenig indiziert wie die zu den einzelnen Schuldfragen weiters (im Sinn des sogenannten Drei-Fragen-Schemas) jeweils reklamierten Eventualfragen nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB).
Die Beschwerde stützt sich in diesem Zusammenhang primär auf die Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren, wonach er die sowohl zum Tathergang als auch zu den unmittelbar vorangegangenen Ereignissen behaupteten massiven Erinnerungslücken mit dem Konsum von Schnaps und fünf Flaschen Bier begründete (ON 6/I), ohne allerdings zu beachten, daß der Angeklagte diese Version in der Hauptverhandlung ausdrücklich widerrief, sein in den wesentlichen Punkten intaktes Erinnerungsvermögen einbekannte und das Eskalieren der zunächst bloß verbalen Auseinandersetzung mit der Gattin ebenso detailliert wiedergab wie die Tatausführung selbst (103 ff/II). Daß er dabei den Tatentschluß mit einer alkoholisierungsbedingten Enthemmung erklärte und aus demselben Grund mit der Behauptung, er hätte seine Gattin nur verletzen wollen und wisse nicht, wie oft, wo, ob von hinten und von wo aus erstmals er auf sie geschossen habe (104 bis 107/II), jedweden Tötungsvorsatz bestritt, tut der Bekundung des im wesentlichen intakten Erinnerungsvermögens umsoweniger Abbruch, als das nach eigenen Angaben psychodynamisch weitgehend koordinierte Vorgehen des Angeklagten zur Tatzeit jede Indikation einer auf toxischer Beeinträchtigung des Zentralnervensystems beruhenden Bewußtseinstrübung mit einem den Voraussetzungen der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) entsprechenden Verlust der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit vorweg ausschloß. Damit stimmt die (im Beschwerdevorbringen nur bruchstückhaft aufgegriffene) Begutachtung durch den psychiatrischen Sachverständigen überein, der unter Mitberücksichtigung des für den Tatzeitpunkt objektivierten (in dieser Größenordnung eine volle Berauschung regelmäßig nicht indizierenden - dazu Leukauf-Steininger3 RN 30 zu § 11 StGB) Blutalkoholgehalt von maximal (bloß) 1,94 %o sowie des negativen Ergebnisses der (die Aspekte eines allfälligen pathologischen Rausches miteinbeziehenden) EEG-Untersuchung (ON 61/II) einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (physiologischen oder pathologischen) Rauschzustand des Angeklagten zur Tatzeit definitiv verneinte (ON 27/I, 127 bis 131/II).
Der behauptete erstgerichtliche Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 313, 314 Abs 1 StPO liegt demnach nicht vor.
Nicht anders verhält es sich mit jenen erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen (Z 10 a), die der Beschwerdeführer hinsichtlich der Annahme des Tötungsvorsatzes durch die Bejahung der ersten Hauptfrage nach Mord sowie in bezug auf die Verneinung einer im Tatzeitpunkt wirksamen allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten als privilegierender Voraussetzung einer Tatbestandsverwirklichung nach § 76 StGB zu aktualisieren trachtet.
Daß der Angeklagte seiner Gattin lediglich einen "Denkzettel verpassen" wollte und ihre Tötung nicht (wenigstens) ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs 1 StGB), steht in denklogisch unvereinbarem Widerspruch dazu, daß der Angeklagte auf engem Raum (die Tat ereignete sich an der Treppe des ehelichen Einfamilienhauses) aus einer großkalibrigen Faustfeuerwaffe (194, 212/I) drei Schüsse gegen den Rücken des Tatopfers abfeuerte, von denen einer eine Niere und die Leber zerriß und solcherart unmittelbar tödlich war. Der dazu - unter Hinweis auf Provokationen seitens der Gattin durch Beschimpfungen und durch das angebliche Eingeständnis ehebrecherischen Verhaltens - eingewendete Gemütszustand des Angeklagten, seine alkoholisierungsbedingte Enthemmung und der Selbstmordversuch unmittelbar nach der Tat sprechen - der Beschwerdeauffassung zuwider - erfahrungsgemäß eher für als gegen den dem Angeklagten angelasteten (zumindest bedingten) Tötungsvorsatz.
Auch gegen die in der Bejahung der Hauptfrage wegen Mordes gelegene (negative) Feststellung, daß der Angeklagte bei der Tötung der Gattin nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung handelte, ergeben sich aus den Akten keine Bedenken (geschweige denn solche erheblichen Grades). In Ansehung dieses sowohl tatsächliche als auch rechtliche Komponenten enthaltenden Ausspruchs vermag der Beschwerdeführer weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die - wie dies der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund voraussetzt - nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der die relevierte Frage betreffenden Beweiswürdigung aufkommen ließen (ua EvBl 1988/116). Die in der Beschwerde angeführten Argumente sprechen zwar - ausgehend von der Verantwortung des Angeklagten zu der Vorgeschichte der Tat, der angeblich jahrelangen Mißachtung und Beschimpfung durch seine Gattin, deren behaupteter sexueller Untreue und zu der neuerlichen Provokationshandlung unmittelbar vor der Tat - für einen heftigen tatauslösenden Affekt. Aus der Sicht der dem Angeklagten vom psychiatrischen Sachverständigen attestierten psychischen Abnormität ist dieser auch verständlich, weil der Angeklagte zu neurotischen Störungen und Spannungszuständen mit egozentrisch-aggressiven Verhaltensweisen bei unrealistischem Denken neigt, weiters unfähig ist, Probleme produktiv zu lösen, von Selbstunsicherheit, Eigenliebe und Kritikschwäche dominiert wird und aus Angst, eine drohende Hüftoperation nicht zu überleben, dazu tendierte, die (wenn auch) ungeliebte und vermeintlich in seinem "Besitz" stehende Gattin keinem "Rivalen zukommen" zu lassen (248/I, 128 ff/II). Damit fehlt es jedoch an der in § 76 StGB vorausgesetzten allgemeinen Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung, die - nach einem objektiv-normativen Maßstab beurteilt - immer dann ausscheidet, wenn sie aus einer abnormen charakterlichen Beschaffenheit des Täters resultiert (Leukauf-Steininger3 RN 12 f zu § 76 StGB). Da im konkreten Fall in diesem Sinn gerade die psychische Anormität des Angeklagten von bestimmender Wirkung war, erweist sich die gerügte (indirekte) Nichtannahme einer Tatbestandsverwirklichung nach § 76 StGB als insgesamt unbedenklich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht als erschwerend lediglich das Zusammentreffen von zwei Delikten, als mildernd dagegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, daß die Tat in auffallendem Widerspruch zum sonstigen Verhalten des Angeklagten stand, die Enthemmung durch Alkohol sowie den abnormen Geisteszustand des Angeklagten und verhängte über ihn gemäß §§ 28, 75 StGB eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren.
Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte eine Strafreduktion (in Anwendung des § 41 StGB) unter das gesetzliche Mindestmaß an.
Die Berufung ist nicht begründet.
Auch wenn man der Rechtsmittelargumentation beitritt, wonach dem Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels im Hinblick auf das fortgeschrittene Lebensalter des Angeklagten ebenso erhöhte Bedeutung zukommt, wie seiner (durch eine unharmonische Ehebeziehung und langjährigen Alkoholmißbrauch geförderte) psychischen Abnormität, stehen der angestrebten Strafherabsetzung schon nach den - im Berufungsvorbringen nur unvollständig berücksichtigten - allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 StGB) wesentliche Tatkomponenten entgegen. Bei der Gewichtung sowohl des Tatunrechts als auch der Täterschuld kommt nämlich dem Umstand dominierende Bedeutung zu, daß sich der Angeklagte nach den Verfahrensergebnissen primär aus egozentrischen Beweggründen zur Tötung seiner (nicht zuletzt wegen seiner Trunksucht innerlich längst von ihm distanzierten) Gattin bestimmen ließ und bei der Tatausführung derartig entschlossen vorging, daß die Tat auch zu einer schweren Körperverletzung der zur Unterstützung ihrer Mutter eingreifenden Brigitte K***** führte, wobei der Eintritt für diese noch fatalerer Folgen nur durch Zufall unterblieb. Daß das solcherart exzeptionelle Tatunrecht und die außergewöhnliche Täterschuld in Verbindung mit dem kapitalen sozialen Störwert der Tat die von der Berufung im einzelnen relevierten (teils nur vermeintlichen) Milderungsaspekte demgegenüber bedeutungsmäßig in den Hintergrund drängen, versteht sich dabei von selbst. Vor allem aus generalpräventiver Sicht erweist sich die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe, die den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzeigen und die Erreichung des Strafzwecks gewährleisten soll, der beantragten Reduktion als nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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