OGH 12Os59/06b

OGH12Os59/06b27.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 3. April 2006, GZ 24 Hv 36/06h-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des Vergehens des Diebstahls (1 a) sowie des Verbrechens des Raubes (1 b) und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Linz zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1 b) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (1 a) schuldig erkannt. Danach hat er

(1) Anfang Jänner 2006 Daniela M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

(a) 100 Euro Bargeld weggenommen und

(b) durch die Drohung, sie zu schlagen, 200 Euro Bargeld abgenötigt

sowie

(2) am 25. Jänner 2006 Daniela M***** durch die Äußerung, „mach die Tür auf, lass mich hinein, ich bring dich um", zum Öffnen der Wohnungstür zu nötigen versucht.

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b, unausgeführt auch aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a, teilweise nominell verfehlt auch Z 5) zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Schuldspruchs 1 b keine hinreichenden Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" enthält (s insb US 4, 6, 7, 9). Dieses wird nämlich nur durch die Androhung eines Angriffs auf die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit erfüllt, nicht jedoch durch eine Drohung mit körperlicher Misshandlung iSd § 83 Abs 2 StGB (Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 32).

Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 5) releviert bezüglich des Schuldspruchs 1 a zu Recht einen Feststellungsmangel hinsichtlich des allfälligen Vorliegens des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue (§ 167 StGB). Nach den Angaben des Beschwerdeführers (S 116) und der Zeugin Daniela M***** (S 120) soll Ersterer den entfremdeten Geldbetrag nämlich jedenfalls vor seiner wegen der gegenständlichen Vorwürfe erfolgten Verhaftung zurückgestellt haben. Da aber nach der Aktenlage die Behörde erst am Verhaftungstag (25. Jänner 2006 - S 39) von den dem Schuldspruch 1 a zugrunde liegenden Vorwürfen erfahren hat (ON 2), ist aufgrund dieser Aussagen (bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen des § 167 StGB) grundsätzlich der bezeichnete Strafaufhebungsgrund indiziert. Zumal die angefochtene Entscheidung diesbezüglich nur feststellt, dass die Rückzahlung „noch im Jänner 2006" erfolgt ist (US 5), liegt insoweit der herangezogene Nichtigkeitsgrund vor.

Aufgrund der dargelegten Mängel war der Nichtigkeitsbeschwerde in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird mittels aufgrund neuerlicher Befragung des Beschwerdeführers und der Zeugin Daniela M***** zu treffender Feststellungen zu klären sein, ob zur Erwirkung der Übergabe von 200 Euro Bargeld (1 b) allenfalls geäußerte Drohungen im Sinne der obigen Darlegungen dem Tatbestandserfordernis der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben entsprochen haben. Sollte dies verneint werden, werden die Tatrichter zu prüfen haben, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 144 Abs 1 StGB erfüllt worden sind (vgl Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 10).

Zum Vorwurf des Vergehens des Diebstahls (1 a) wird - nach Befragung des Beschwerdeführers und der Zeugin Daniela M***** zum genauen Zeitpunkt der Geldrückgabe sowie zur Frage der Freiwilligkeit - zu erwägen sein, ob der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) vorliegt.

Im Übrigen (zum Schuldspruch 2) verfehlt die Beschwerde ihr Ziel. Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den mängelfrei gewürdigten Umständen (US 7, 8) dass die Zeugin M***** in der Hauptverhandlung teilweise von ihren im Vorverfahren geäußerten Angaben abwich und dass die Zeugin Mag. Gabriele J***** die dem Schuldspruch 2 zugrunde liegenden Verbaldrohungen nicht wahrgenommen hat, anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten trachtet, ist sie nicht geeignet, (erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Die Subsumtionsrüge (Z 10) wurde nicht ausgeführt, aus welchem Grund auf die Beschwerde insoweit keine Rücksicht zu nehmen war (§ 285 Abs 1 StPO).

In ihrem erfolglosen Teil war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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