OGH 12Os56/85

OGH12Os56/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Loidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Christian A gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 5.Februar 1985, GZ 3 a Vr 2089/84-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian A - neben anderen strafbaren Handlungen auch - des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs 1, 143 StGB schuldig erkannt, weil er am 11. Dezember 1984 in Wien in Gesellschaft des Andreas B und Alfred C als Beteiligte (§ 12 StGB) versucht hat, der Margarethe D mit Gewalt gegen ihre Person und mit Bereicherungsvorsatz Bargeld wegzunehmen oder abzunötigen, indem er ihr die Handtasche mit solcher Wucht entriß, sodaß sie zum Sturz kam (Punkt A des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Nach den Urteilsfeststellungen (vgl. S. 359) näherte sich der Angeklagte der Margarethe D von hinten und versuchte ihr die Handtasche zu entreißen. Da das Opfer die Tasche aber energisch festhielt, mußte er größere Kraft aufwenden, wodurch einer der beiden Bügel abriß, die Frau zu Boden stürzte und dabei verletzt wurde.

Die Mängelrüge (Z. 5) bezeichnet das Urteil als unvollständig, weil es sich nicht damit auseinandersetze, daß nach der (in der Hauptverhandlung verlesenen, vgl. S. 337) Aussage der Margarethe D vor der Polizei es zu keiner Gewaltanwendung i.S. des § 142 StGB gegen ihre Person gekommen sei, weil - wie die Beschwerde dazu ausführt - der Angriff so unversehens erfolgte, daß die Genannte einen auch dem Angreifer zum Bewußtsein kommenden Behauptungswillen in bezug auf die zu entziehende Sache und daher einen Willensentschluß gar nicht erst fassen konnte.

Der geltend gemachte Begründungsmangel liegt jedoch nicht vor. Im Falle des Entreißens einer Handtasche hängt die Entscheidung, ob Raub oder Diebstahl vorliegt, davon ab, ob die Wegnahme der Sache unter gewaltsamer Brechung des widerstrebenden Willens des Angegriffenen durch Einsatz körperlicher Kraft des Täters erfolgt ist, wozu ein gewaltsames Zerren an der vom Angegriffenen festgehaltenen Sache oder selbst einmaliges Reißen genügen kann (Leukauf-Steininger, Komm.2 § 142 StGB, RN. 22). Muß der Täter effektive Gewalt anwenden (z.B. bei der über die Schulter gehängten Tasche den Riemen durchreißen), so liegt bereits eine relevante und für § 142 StGB

ausreichende Kraftentfaltung vor (Zipf, Wiener Kommentar, § 142 StGB, RN. 52).

Im vorliegenden Falle ergibt sich schon aus der (den Feststellungen zugrundeliegenden, vgl. S. 353) Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S. 331) und vor der Polizei (S. 100), daß er bei Entreißen der Tasche solche effektive Kraft aufgewendet hat, daß dabei einer der beiden Bügel abriß. Die Aussage der Zeugin Maria D, daß sie vermutlich durch das starke Anreißen zu Boden stürzte (S. 79), steht dieser Verantwortung des Beschwerdeführers somit im Ergebnis nicht entgegen und bedurfte daher im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO) keiner besonderen Erwähnung.

Mit dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge, das Urteil enthalte keine Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten, Gewalt zu üben und gebe - wenn die Verwendung des Begriffes 'mit Gewalt gegen eine Person' im Urteilsspruch als eine Feststellung hinsichtlich der subjektiven Tatseite zu interpretieren sei - für diese Annahme keine Begründung, wird der Sache nach teils ein Feststellungsmangel i.S. der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, teils eine unzureichende Begründung in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht. Die Rechtsrüge übergeht jedoch die diesbezüglichen Ausführungen der Begründung, wonach der Angeklagte in Ausführung seines Tatplanes beim Entreißen der Handtasche größere Kraft und damit Gewalt angewendet hat (vgl. S. 359 und 362), womit vom Erstgericht eine auf einen Willensentschluß zurückgehende vorsätzliche Aktion bezeichnet wird und somit auch - gerade im Hinblick auf diese Verantwortung des Beschwerdeführers über die von ihm angewendete Gewalt - Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden. Im Urteil wird weiters - neben der pauschalen Anführung der Verantwortung des Angeklagten als Urteilsgrundlage - auch insbesondere auf die Aussage des Johann E, daß der Beschwerdeführer mit seinen Freunden im Gasthaus F einen Raubplan abgesprochen hat (S. 360) und auf jene der Mitangeklagten Marion G verwiesen (S. 361), wonach von einem überfall auf eine Frau die Rede war, sodaß auch hier eine zureichende Begründung der Entscheidung vorliegt.

Die Rechtsrüge (Z. 10) zielt auf eine Beurteilung der Tat als Diebstahl ab und geht dabei nicht von den gesamten, oben wiedergegebenen Entscheidungsgründen über die Gewaltanwendung sondern nur davon aus, daß sich die Täter eine alte Frau als Opfer auswählten, von welcher sie kaum Gegenwehr erwarteten und dieser die Handtasche zu entreißen versuchten. Weil der geltend gemachte Subsumtionsirrtum demnach nicht, so wie dies das Gesetz für die Relevierung materieller Nichtigkeitsgründe erfordert, aus einem Vergleich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes mit den in Betracht kommenden Tatbeständen des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, liegt keine gesetzmäßige Ausführung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

über die Berufung wird abgesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

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