OGH 12Os53/88

OGH12Os53/8826.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Bruno P*** wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 28. Juli 1986, GZ 16 Vr 2028/85-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 47-jährige Gastwirt Bruno P*** (zu I/1) des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB und (zu I/2) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 zweiter Fall StGB, begangen in der Zeit vom 10. bis 16.August 1985 an der am 7. August 1969 geborenen, sohin damals knapp 16-jährigen, seiner Ausbildung und Aufsicht unterstehenden Kellnerin Sylvia A***, sowie (zu II/) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, begangen in der 2.Aprilhälfte 1985 an Katica B***, schuldig erkannt und hiefür zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt.

Von der weiteren Anklage, anfangs August 1985 die Serinka K*** zum Beischlaf zu nötigen versucht zu haben, wurde er hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, wobei dieser Freispruch unangefochten geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen den Schuldspruch erhobene, auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Ob der Angeklagte mittels eines Nachschlüssels (im technischen Sinn) oder unter Verwendung eines in seinem Besitz befindlichen zweiten (Original-)Schlüssels in das versperrte Zimmer der Zeugin A*** gelangt ist, ist für die Lösung der hier allein aktuellen Schuldfrage, nämlich ob der Angeklagte die Genannte unter Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses zur Unzucht genötigt habe, irrelevant. Daher betrifft der von der Beschwerde als Begründungsmangel gerügte Widerspruch zwischen dem Urteilsspruch (zu Punkt I/1) und den Urteilsgründen keine entscheidungswesentliche Tatsache, sodaß er auf sich beruhen kann.

Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) ist es aber auch nicht entscheidungswesentlich, ob der Angeklagte damals in seinem Gasthaus keine andere Übernachtungsmöglichkeit hatte und daher aus diesem Grund jeweils im selben Zimmer wie Sylvia A*** schlafen wollte. Denn auch wenn dies zuträfe, wäre damit die ihn belastende Aussage der genannten Zeugin, der das Gericht Glauben schenkte und auf welche es seine Konstatierungen zum jeweiligen Tathergang stützte (S 254), nicht entkräftet. Im übrigen haben die Tatrichter die bezügliche Verantwortung des Angeklagten ohnedies in den Kreis ihrer beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen (S 253), dem Angeklagten jedoch auch in diesem Punkt den Glauben versagt, wofür sie insbesondere auch ins Treffen führen konnten, daß das von ihm behauptete Fehlen einer Nächtigungsmöglichkeit jedenfalls nicht plausibel machen kann, warum er auch dann noch im selben Zimmer wie A*** schlafen wollte, als diese, um alleine nächtigen zu können, ein anderes Zimmer (Nr. 9) bezogen hatte, wodurch das von ihr bisher benützte Zimmer (Nr. 2) frei geworden war und dem Angeklagten, dem bekannt war, daß das Mädchen ein eigenes Zimmer haben will (S 93), zur Verfügung stand.

Keinen formalen Begründungsmangel vermag der Beschwerdeführer aber auch in Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aufzuzeigen. Mit seinem bezüglichen Vorbringen wendet er sich vielmehr lediglich gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts, die aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht angefochten werden kann.

Mit dem Einwand hinwieder, das Gericht habe den Ausspruch, wonach ihm eine bedingte Strafnachsicht sowohl aus general- wie auch aus spezialpräventiven Gründen nicht gewährt werden könne, offenbar unzureichend begründet, weil es diese Gründe nicht im einzelnen angeführt hat, wird weder der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 5 noch auch (der Sache nach) jener der Z 11 (nF) des § 281 Abs 1 StPO zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Denn zum einen wurde der Anwendungsbereich des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes durch die Neufassung der Z 11 der zitierten Gesetzesstelle durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 nicht erweitert, sodaß allfällige formale Begründungsmängel, die (nur) den Ausspruch über die Strafbemessung (im engeren oder im weiteren Sinn) betreffen, weiterhin nicht zum Gegenstand einer Rüge aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gemacht werden können (vgl. hiezu auch Tschulik in RZ 1988, 52); zum anderen wird damit aber auch nicht eine gesetzwidrige Strafbemessung in dem Sinn reklamiert, daß das Gericht die für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt (Z 11 zweiter Fall) oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen (Z 11 dritter Fall) habe. Das in Rede stehende Vorbringen wird demnach (erst) bei der Entscheidung über die (unter anderem auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebende) Berufung des Angeklagten (mit-) zu berücksichtigen sein.

Soweit in der Mängelrüge schließlich in bezug auf den Schuldspruch wegen Freiheitsentziehung (Punkt II/) releviert wird, das Gericht hätte durch einen Lokalaugenschein klären müssen, ob die Sauna, in welcher die Zeugin B*** ihrer Darstellung zufolge gefangengehalten wurde, von innen versperrt werden kann, zumal diesbezüglich widerstreitende Beweisergebnisse vorlägen, so wird damit nicht ein Begründungs-, sondern ein Verfahrensmangel (im Sinn der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO) geltend gemacht, wofür es aber - mangels entsprechender Antragstellung in erster Instanz - schon an den formellen Voraussetzungen fehlt. In der Nichtaufnahme dieses Beweises liegt vorliegend - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch nicht eine Nichtigkeit nach der (neuen) Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, daß auch nach Einführung dieses neuen Nichtigkeitsgrundes die unvollständige Ausschöpfung möglicher Beweisquellen grundsätzlich - wie bisher - nur aus der Z 4 der zitierten Gesetzesstelle, somit nur unter der Voraussetzung einer entsprechenden Antragstellung des Beschwerdeführers in erster Instanz, gerügt werden kann. Lediglich ausnahmsweise, nämlich dann, wenn aus den Akten aufgezeigt wird, daß deshalb, weil das Gericht in gravierender Weise gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) verstoßen hat, die Sachverhaltsermittlung derart mangelhaft geblieben ist, daß erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf der Basis der bisherigen Verfahrensergebnisse bestehen, kommt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO in Betracht (idS bereits 11 Os 44/88; ebenso Tschulik aaO 100).

Werden vorliegend die aktenkundigen Verfahrensergebnisse (in ihrer Gesamtheit) beurteilt, auf welche das Gericht die Feststellungen von der Versperrbarkeit der Sauna gestützt hat, nämlich die als glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin B*** (S 41, 116, 117), denen die Bekundungen der Zeuginnen P*** und F*** nicht entgegenstehen, weil beide Genannten es keineswegs ausgeschlossen haben, daß die Sauna von innen versperrbar ist (S 115, 215, 216), so ist das Unterbleiben der Vornahme eines Lokalaugenscheins nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Konstatierung zu erwecken. Derartige erhebliche Bedenken bestehen aber - den weiteren, aus der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vorgetragenen Einwänden zuwider - auch nicht in Ansehung der Richtigkeit der auf die als glaubwürdig beurteilten belastenden Aussagen der Zeuginnen A*** und B*** gestützten Feststellungen zum jeweiligen Tathergang. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde insoweit lediglich dagegen, daß der Schöffensenat den genannten Zeuginnen Glauben geschenkt hat; der zu dieser Überzeugung der Tatrichter führende kritisch-psychologische Vorgang ist aber einer Anfechtung aus der Z 5 a der zitierten Gesetzesstelle nicht zugänglich (vgl. 12 Os 40/88 ua).

Die Rechtsrüge (Z 10) letztlich entbehrt zur Gänze der gesetzmäßigen Ausführung. Sie negiert nämlich einerseits jene Urteilsfeststellungen, denenzufolge sich der Angeklagte in der Nacht zum 11.August 1985 mit seinem ganzen Körpergewicht auf die Zeugin A*** legte und in der Nacht zum 16.August 1985 mit einer Hand den Oberkörper der Genannten gegen die Matratze drückte, somit beide Male nicht unerhebliche physische Kraft gegen sein Unzuchtsopfer anwendete (S 250). Andererseits übergeht sie die ausdrückliche Feststellung, daß die (zur Tatzeit knapp 16-jährige) Sylvia A*** "der Ausbildung und Aufsicht" des Angeklagten unterstand (S 251), wobei dem - lediglich der Vollständigkeit

halber - beigefügt sei, daß für den Tatbestand des § 212 Abs 1 zweiter Fall StGB das Bestehen einer Pflicht zu sittlicher Beaufsichtigung genügt und ein Ausbildungsverhältnis nicht erforderlich ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

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