Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Cyrill A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 22.Mai 1983 in Bad Hofgastein die Radmilla B vorsätzlich dadurch getötet, daß er ihr zahlreiche Schläge mit einer Elektrogitarre mit großer Wucht gegen den Schädel und das Gesicht versetzte, wobei er mindestens fünf Hiebe mit dem Resonanzboden dieser Gitarre gegen den Schädel und mindestens fünf Hiebe mit dem abgebrochenen Griffstück gegen das Gesicht geführt hat, und daß er in weiterer Folge sein Opfer bis zum Eintritt des Todes durch Erstickung würgte.
Die Geschwornen haben die an sie gerichtete Hauptfrage (wegen Mordes; Nr. 1) des Fragenschemas) im Stimmenverhältnis 7 : 1 bejaht und die nach Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage (Nr. 2) mit demselben Stimmenverhältnis verneint. Die weiteren Fragen Nr. 3 bis 9 (Eventualfragen nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§ 75) StGB und nach den Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB sowie der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 83, 86 StGB; zu letzteren Verbrechen jeweils Zusatzfragen im Sinne des § 11 StGB sowie weitere Eventualfragen nach § 287 StGB in bezug auf diese Grunddelikte) ließen sie folgerichtig unbeantwortet. Den auf Grund dieses Wahrspruches gefällten Schuldspruch bekämpft der Beschwerdeführer mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 5, 8 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Verfahrensrüge nach dem erstbezeichneten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich gegen die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Tiefenpsychologie zum Beweis dafür, daß beim Angeklagten eine schwere neurotische Fehlentwicklung besteht, die zu einer ungeheuren Aggressivität führte, welche durch das Verhalten der B zum Ausbruch kam, wobei der Sachverständige auch die Fragen zu beantworten haben werde, inwieweit Erinnerungslücken gegeben seien und inwieweit die Alkoholisierung mit dem Affektausbruch im Zusammenhang stehe, und auf Einholung einer Strafregisterauskunft über die getötete Radmilla B aus Jugoslawien im Wege der Interpol zum Beweise dafür, daß es sich bei ihr um eine aggressive Person neurotischer Prägung handelte, die selbst ein schwer vorbestraftes Leben hinter sich hatte und 'wie man sagt' zehn Jahre im Gefängnis verbracht habe, weil sie ihren Mann erschlagen habe (S. 431). Beide Beweisanträge wurden vom Schwurgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, daß für die Einholung eines tiefenpsychologischen Gutachtens im Hinblick auf die Schlüssigkeit des Gutachtens des vernommenen (psychiatrischen) Sachverständigen Prof. Dr. C die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 StPO nicht gegeben seien, und die Frage, ob die Getötete in der Vergangenheit einmal einen schweren Aggressionsakt gesetzt habe, für die Beurteilung der gegenständlichen Tat keine wesentliche Rolle spiele, zumal aus der eigenen Verantwortung des Angeklagten, wonach ihm die Getötete unmittelbar vor der Tat einen einzigen Schlag versetzte, keine besondere Aggressivität hervorgehe, da diese Handlung auch durch das Verhalten des Angeklagten selbst (gemeint: überlaute Musik zu nächtlicher Stunde trotz Klopfens an die Wand) ausgelöst wurde (S. 448 f.).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurden durch dieses Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt:
Der Rüge wegen Nichtbeiziehung eines tiefenpsychologischen Sachverständigen ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Relevanz des angegebenen Beweisthemas nicht unmittelbar erkennbar ist. Auch aus den weitwendigen Beschwerdeausführungen ist nicht klar ersichtlich, ob der Beschwerdeführer diese zusätzliche Begutachtung zur Klärung der Frage der Zurechnungsfähigkeit oder jener der heftigen Gemütsbewegung im Sinne des Par 76 StGB oder allenfalls auch zur Frage des Tötungsvorsatzes des Angeklagten für erforderlich hält. Davon abgesehen ist dem bekämpften Zwischenerkenntnis darin beizupflichten, daß die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 in Verbindung mit § 125 StPO für die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen (aus dem Gebiete der Psychiatrie) nicht gegeben waren, wurde doch einer der in diesen Gesetzesstellen bezeichneten Mängel in Ansehung des Gutachtens des Gerichtssachverständigen in keiner Weise dargetan. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers ließ der Sachverständige Dr. C keinen Zweifel daran, daß aus psychiatrischer Sicht keiner der im § 11 StGB beschriebenen, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustände beim Angeklagten zur Tatzeit gegeben war (S. 444; 448). Aber auch dann, wenn der Beweisantrag dahin verstanden wird, daß er nicht auf die Beziehung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen abzielte, sondern (sh. S. 431 und 448) auf die zusätzliche Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der (Tiefen-)Psychologie, konnte er ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil die hier zu klärenden Fragen in die Kompetenzen der forensischen Psychiatrie und nicht in jene der Psychologie fielen. Es mag zutreffen, daß bei Affektdelikten die Beiziehung eines psychologischen Sachverständigen zur besseren Aufklärung der Persönlichkeitsstruktur des Täters und seiner Motivation zur Tat gegebenenfalls in Betracht kommen kann. Vorliegend ging es aber darum, die Zurechnungsfähigkeit zu klären bzw. den im Falle des Totschlags vorausgesetzten sogenannten Affektsturm wenn überhaupt, so nur aus einer abnormen psychischen Struktur des Täters zu erklären; derartige Begutachtungen fallen aber in das Aufgabengebiet der forensischen Psychiatrie (vgl. Haddenbrock in Göppinger-Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie II, S. 928 bis 935).
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Rüge aus der Z. 5 des § 345 Abs. 1 StPO und auch schon in der 'Einleitung' seines Rechtsmittels den Versuch unternimmt, die Unrichtigkeit des Wahrspruchs der Geschwornen nach Art einer Schuldberufung darzulegen, indem mit der Schilderung der bedauernswerten - vom Sachverständigen berücksichtigten (vgl. S. 442) - Entwicklung des Angeklagten dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit und schließlich sein auf Tötung gerichteter Vorsatz in Frage gestellt werden, so ist darauf ebensowenig einzugehen wie auf die berichtete Äußerung einer die Hauptverhandlung beobachtenden Psychologin nach Urteilsverkündung, weil mit diesem Vorbringen weder diese Verfahrensrüge noch ein anderer Nichtigkeitsgrund in prozeßordnungsgemäßer Weise dargestellt wird.
Auch der Beweisantrag auf Einholung einer Strafregisterauskunft über das Tatopfer wurde vom Schwurgerichtshof zu Recht abgelehnt. Ist doch daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Selbst wenn das Vorleben der Getöteten in der nun behaupteten Form belastet war, so war dies dem Beschwerdeführer nicht bekannt - eine gegenteiligte Behauptung hat er nie aufgestellt - und macht es seine Handlungsweise nicht etwa besser verständlich. Die Verantwortung des Angeklagten, daß der Schlag, den ihm die später Getötete versetzte, weil er ihre Nachtruhe beharrlich störte, der allein gegebene äußere Anlaß für seine Tat war, war Gegenstand des Beweisverfahrens, diese Verantwortung lag der Beurteilung durch die Geschwornen mit zugrunde. Ob dieser Schlag Auswirkung einer besonders aggressiven Persönlichkeitsartung der Getöteten war, ist für die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten nicht entscheidend. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor. Gestützt auf § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO wendet der Beschwerdeführer gegen die Rechtsbelehrung ein, diese sei teilweise für Laien schwer verständlich, wenngleich sie, wie er einräumt, und womit er das Nichtvorliegen dieses Nichtigkeitsgrundes selbst zugibt, 'im wesentlichen die erforderlichen Erklärungen gibt'. Nichtigkeit bewirkt nämlich nur eine unrichtige, nicht jedoch schon eine - in der schriftlichen Fassung - allenfalls schwer verständliche Rechtsbelehrung, die ja gemäß § 323 Abs. 1 StPO auch mündlich erteilt wird, wobei der Vorsitzende im Anschluß daran die einzelnen Fragen zu besprechen und sich letztlich zu überzeugen hat, daß seine Belehrung von den Geschwornen verstanden wurde (§ 323 Abs. 2 und 3 StPO). Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, einzelne darin verwendete Ausdrücke seien nicht oder nur schwer verständlich gewesen, braucht daher nicht näher eingegangen zu werden. Das vom Beschwerdeführer vermißte 'Protokoll über die Fragen an die Geschwornen' ist im Gesetz nicht vorgesehen; sollte damit der gemäß § 323 Abs. 1 StPO vorgesehene Vorgang bei Änderung und Ergänzung der Rechtsbelehrung gemeint sein, so folgt aus dem Fehlen eines solchen Anhangs zur Rechtsbelehrung, daß der Vorsitzende vorliegendenfalls von der schriftlichen Rechtsbelehrung nicht abgewichen ist. Soweit der Beschwerdeführer der Sache nach eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (Beilage zu ON. 41) behauptet, indem er meint, der bedingte Vorsatz sei unzulänglich dargelegt worden, weil auf die hiezu erforderliche Diskretions- und Dispositionsfähigkeit nicht eingegangen werde, so vermengt er den Vorsatz mit der Schuldfähigkeit, Diskretions- und Dispositionsfähigkeit sind nicht Vorsatzerfordernisse, sondern Wesensmerkmale der Zurechnungsfähigkeit (§ 11 StGB), in welchem Zusammenhang beide Begriffe ausreichend erläutert wurden (S. 13 der Rechtsbelehrung). Zum Einwand, die Rechtsbelehrung sei deshalb unrichtig, weil sie das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im Sinne des § 76 StGB davon abhängig mache, daß diese sittlich verständlich sei und nicht in einem abnormen Persönlichkeitsbild des Täters, sondern in äußeren Umständen begründet sei, genügt es darauf zu verweisen, daß dieser Teil der Rechtsbelehrung (S. 7) im Einklang mit Lehre und Rechtsprechung (vgl. Leukauf-Steininger 2 , § 76 StGB RN. 5 mit weiteren Zitaten; Foregger-Serini, StGB 3 , Erl. I § 76) steht. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers wird damit die Berücksichtigung einer besonderen seelischen Artung des Täters nicht verneint, sondern lediglich - zu Recht - betont, daß die Gemütsbewegung in ihrer Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß allgemein verständlich sein muß, wobei ausdrücklich darauf verwiesen wird, daß alle konkreten Tatumstände und psychologischen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind.
Die Rechtsbelehrung zur Zurechnungsfähigkeit (S. 13 f.) rügt der Beschwerdeführer schließlich deshalb als unrichtig, weil es nicht zutreffe, daß krankhafte Veränderungen der geistig-seelischen Funktion nur dann (gemeint offenbar: als Geisteskrankheiten) zu gelten haben, wenn sie als Begleiterscheinungen körperlicher Erkrankungen auftreten. Demgegenüber wird in der Rechtsbelehrung aber - zutreffend - ausgeführt, daß eine schwere seelische Störung im Sinne des § 11 StGB nur vorliegt, wenn sie einem der übrigen in dieser Gesetzesstelle angeführten biologischen Zustände vollkommen (und nicht bloß annähernd) gleichwertig ist (vgl. Leukauf-Steininger 2 , § 11 StGB RN.
15). Von einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung kann daher auch insofern keine Rede sein. Die vom Beschwerdeführer wiederholt und auch in diesem Zusammenhang unterstrichene kumulierende Wirkung des Zusammentreffens einer schweren Depression, der Alkoholisierung und der beeinträchtigten Intelligenz des Angeklagten bedurfte in der Rechtsbelehrung keiner Erörterung, weil es sich dabei um Gesichtspunkte handelt, die auf der Ebene der Tatsachenfeststellung und nicht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfen sind und im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen - auf das in der Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs. 3 StPO) Bezug genommen wird -
ihre Berücksichtigung gefunden haben.
In der Rechtsrüge nach § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO führt der Beschwerdeführer neuerlich aus, daß weder seine Zurechnungsfähigkeit gegeben war, noch ein Handeln mit (auch nur bedingtem) Tötungsvorsatz vorgelegen hat, sodaß nicht nur der Schuldspruch wegen Mordes zu Unrecht erfolgte, sondern auch ein solcher wegen Totschlags verfehlt gewesen wäre; äußerstenfalls wäre 'der Tatbestand des § 86 StGB', verwirklicht im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB), anzunehmen gewesen. Damit wird jedoch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Beschwerde vom eingangs wiedergegebenen Wahrspruch der Geschwornen, der der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen ist, abweicht. Der Beschwerdeführer kann auch nicht, wie er abermals versucht, aus der seiner Meinung nach unrichtigen Beantwortung des Wahrspruchs durch die Geschwornen (neuerlich) den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO mit dem Argument ableiten, das Verdikt der Geschwornen zeige, daß sie unrichtig belehrt worden seien, weil ihr Wahrspruch anders nicht zu erklären sei.
Die unbegründete und teilweise nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen. Der Angeklagte hat innerhalb der im § 284 Abs. 1 StPO bezeichneten dreitägigen Frist keine Berufung angemeldet (§ 294 Abs. 1 StPO). Die nach Ablauf dieser Frist, somit verspätet eingebrachte Berufung war daher zurückzuweisen (§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 und Abs. 3 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
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