OGH 12Os5/23m

OGH12Os5/23m23.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann im Verfahren zur Unterbringung der * O* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. November 2022, GZ 51 Hv 54/22s‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00005.23M.0223.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der * O* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat sie in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistig‑seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer schizoaffektiven Psychose mit manisch‑psychotischen Exazerbationen mit Impulsdurchbrüchen und Alkoholabusus, beruhte, am 8. August 2022 den Polizeibeamten * K* durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung, nämlich zur Aufnahme einer Diebstahlsanzeige gegen einen unbekannten Täter, zu nötigen versucht, indem sie in der Sicherheitsschleuse des PK Brigittenau mehrfach gegen die Türe sowie die dort befindlichen Sessel schlug und dem Genannten gegenüber sinngemäß äußerte, „wennst jetzt nicht sofort was machst, du Scheiß Bulle, dann besorg ich mir eine Waffe vom Mexikoplatz und schieß dir in den Schädel“,

und somit eine Tat begangen, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 zweiter Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen ist nicht im Recht.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet Unvollständigkeit der Urteilsbegründung, nennt aber kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnis, welches das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung unberücksichtigt ließ (vgl RIS‑Justiz RS0118316).

[5] Die weitere Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) moniert einen Widerspruch des Urteils betreffend die Ernstlichkeit der ausgesprochenen Drohung und verweist auf die Aussage des Zeugen „B*“ (gemeint wohl: K*) in der Hauptverhandlung, wonach sie in der Sicherheitsschleuse herumgetobt habe. Damit verkennt die Rechtsmittelwerberin, dass ein nichtigkeitsrelevanter Widerspruch sich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst, nicht aber aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen ergeben kann (RIS‑Justiz RS0117402 [T16]). Sie argumentiert bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung, indem sie in Zweifel zieht, dass es sich um eine ernst gemeinte Drohung gehandelt habe und behauptet, vielmehr wäre die Äußerung „Ausdruck der emotionalen Aufgebrachtheit und Verzweiflung der Betroffenen“ gewesen.

[6] Soweit die Beschwerde auf die Aussage des Zeugen K* verweist, wonach er nicht die Angst hatte, dass die Betroffene ihm „jetzt wirklich in den Kopf schießt und sich jetzt eine Waffe besorgt“, verkennt sie, dass die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, objektiv zu beurteilen ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt hat (RIS‑Justiz RS0092753).

[7] Mit dem Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), das Erstgericht hätte für die Gefährlichkeitsprognose keine „tragbare Begründung“ angeführt, erstattet die Rechtsmittelwerberin bloß ein Berufungsvorbringen. Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt, kommt eine Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO in Betracht. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0118581 [T13], RS0113980). Die Rechtsmittelwerberin spricht jedoch bloß die Ermessensentscheidung des Schöffengerichts an (vgl US 8 f).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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