European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00050.15T.0709.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Ulrich W***** von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in S***** die ihm in seiner Funktion als Geschäftsleiter durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, die Raiffeisenbank S***** zu verpflichten, dadurch, dass er nachfolgend angeführten Kunden ohne die hiefür erforderliche Zustimmung der Entscheidungsgremien Festgeldbestätigungen ausgestellt habe, wissentlich missbraucht, wodurch der Raiffeisenbank S***** ein Schaden von 305.104,90 Euro entstanden sei, nämlich
1./ am 9. Februar 2011 Emma H***** eine Festgeldbestätigung über 200.000 Euro, obwohl auf deren Wertpapier-Verrechnungskonto lediglich ein Guthaben von 140.309,85 Euro vorhanden war;
2./ am 4. Jänner 2013 Arnold und Martha N***** zwei Festgeldbestätigungen über insgesamt 330.000 Euro, obwohl auf deren Wertpapier-Verrechnungskonto lediglich ein Guthaben von 10.173,29 Euro vorhanden war,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie; vgl
Lendl, WK‑StPO §
259 Rz 1).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
In ihrer Mängelrüge (Z 5) kritisiert die Staatsanwaltschaft die Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte sich ‑ obwohl er mit einem Vermögensnachteil für die Bank rechnete ‑ nicht mit dem Eintritt eines Schadens abfand, sondern „nicht gewillt (war), dass der Schaden tatsächlich eintritt“ (US 5).
Das Erstgericht stützte sich in seiner Begründung auf die Verantwortung des Angeklagten (US 7), der zwar reumütig eingestand, die ihm zur Last gelegten Taten begangen zu haben (US 6, 8), aber angab, dass ihm eine Schädigung der Bank „keineswegs egal“ (US 7) gewesen sei, woraus es schloss, dass er sich nicht mit dem Eintritt des Schadens abgefunden habe. Er habe allenfalls durch Zeitgewinn gehofft ‑ weitere spekulative Geschäfte seien auf Grund nunmehriger strenger Order-Regeln nicht möglich gewesen ‑ eine Lösung zu finden, zumal er sein gesamtes berufliches Dasein der Bank gewidmet habe, die er über die Jahrzehnte regelrecht aufgebaut und deren Schaden ihn geschmerzt habe (US 8). Er habe jedoch keinen anderen Ausweg gesehen, als jenen, der einen Schaden für die Bank mit sich brachte (US 9) bzw bei dem nicht zuerst ein Schaden eintreten müsste, zumal er die Inanspruchnahme seiner Berufshaftpflichtversicherung ins Auge gefasst habe (US 7). Dies bedeute jedoch nicht, dass es ihm auch egal gewesen wäre, dass die Bank durch sein Handeln Schaden erleide (US 9).
Die Staatsanwaltschaft zeigt in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend auf, dass der Angeklagte nach seiner ‑ im Urteil hinsichtlich der subjektiven Tatseite zum Schadenseintritt erwähnten (US 7) ‑ eigenen Verantwortung den Plan hatte, über seine Berufshaftpflichtversicherung den Schadensfall abzuwickeln, was den Eintritt des Schadens, der mit Ausstellung der Festgeldbestätigungen eingetreten ist (vgl US 10 zweiter Absatz), voraussetzt und unter Umständen lediglich zu einer Schadensgutmachung beim ursprünglich Geschädigten durch Schadensüberwälzung führen könnte. Der Angeklagte hat sich somit ‑ seiner geständigen Verantwortung entsprechend (US 6) ‑ nicht damit verantwortet, den Eintritt des Schadens für möglich gehalten, sich damit aber nicht abgefunden zu haben, sondern ‑ ohne in den Jahren nach der Ausstellung der Festgeldbestätigungen etwas zur Schadensregulierung zu tun (ON 15 S 13) ‑ lediglich gehofft zu haben, dass seine Versicherung einen bereits eingetretenen Schaden gutmachen werde. Die Feststellungen, wonach der Angeklagte sich zu den Tatzeitpunkten nicht mit dem Schadenseintritt abgefunden habe, sind daher mit der auf Schadensregulierung abzielenden Verantwortung des Angeklagten nicht zu begründen (Z 5 vierter Fall). Im Übrigen stehen diese Konstatierungen im Widerspruch zu den oben angeführten Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte keinen anderen Ausweg gesehen habe als jenen, der einen Schaden für die Bank mit sich brachte (US 9) bzw bei dem nicht zuerst ein Schaden eintreten müsste (US 7).
Die Nichtigkeitswerberin weist auch zutreffend darauf hin, dass das Erstgericht im Rahmen der Begründung der Negativfeststellung zur inneren Tatseite die Aussage des Angeklagten, insbesondere zum Zeitpunkt der Ausstellung der Festgeldbestätigung für das Ehepaar N***** den Plan gehabt zu haben, neben der Inanspruchnahme der Versicherung „allenfalls mit einem nicht gedeckten Rest wie bei einem Kreditausfall vorzugehen, das heißt also, im schlimmsten Fall eine Wertberichtigung“ (ON 15 S 7), mit Stillschweigen übergangen hat, weshalb dem Urteil überdies nichtigkeitsbegründende Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) anhaftet (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421 f). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tatrichter bei gebotener Bedachtnahme auf diese Verantwortung des Beschwerdeführers
zu einer anderen Lösung der Schuldfrage im Hinblick auf die subjektive Tatseite gelangt wären.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war das angefochtene Urteil daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu ergangenen Äußerung der Verteidigung ‑ aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache an das Erstgericht zu verweisen.
Ergänzend ist den ‑ fallbezogen ausdrücklich nicht zum Freispruch führenden („wäre“) ‑ rechtlichen Überlegungen des Schöffengerichts zu tätiger Reue hinsichtlich des Anklagevorwurfs 1./ (US 11) zu entgegnen, dass ‑ auch bei nicht auf einen einheitlichen Willensentschluss des Täters zurückgehender Faktenmehrheit (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 167 Rz 66 ff) ‑ zur strafbefreienden Wirkung der Gutmachung des Schadens nach § 167 StGB bei mehreren Schulden die Widmung erforderlich ist, welche die dem Ersatz zugrundeliegende Tat bezeichnet, anderenfalls die Schadenersatzzahlungen allen Taten anteilig zuzurechnen sind (Kirchbacher in WK² StGB § 167 Rz 28). Ein Freispruch von der dem Anklagefaktum 1./ zugrundeliegenden Tat wäre somit auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht mit tätiger Reue zu begründen.
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