OGH 12Os46/16f

OGH12Os46/16f18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Walter H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. Oktober 2015, GZ 19 Hv 5/15m‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter H***** wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über dessen Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Walter H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten Walter H***** enthaltenden Urteil wurden

Manfred M***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG, § 15 Abs 1 StGB (I./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB (I./2./ und 3./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II./) sowie (richtig:) des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG (IV./) und

Walter H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB (I./2./ und 3./) und des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (III./)

schuldig erkannt.

Danach haben im Raum F***** vorschriftswidrig

I./ Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt, und zwar

1./ Manfred M***** im Zeitraum von 2008 bis 2010 eine unbestimmte Menge Marihuana durch Anbau, Aufzucht und Ernten von Cannabispflanzen „erzeugt und teilweise zu erzeugen versucht“;

2./ Manfred M***** und Walter H***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter im Zeitraum von 2011 bis August 2014 insgesamt mindestens 10 kg Marihuana, beinhaltend mehr als 680 Gramm reines Delta‑9‑THC, durch Anbau, Aufzucht und Ernten einer unbestimmten Anzahl von Cannabispflanzen gewonnen;

3./ Manfred M***** und Walter H***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter im Zeitraum von Ende August 2014 bis 20. Oktober 2014 insgesamt ca 1.985 Gramm Marihuana, beinhaltend mehr als 140 Gramm reines Delta‑9‑THC, „durch Anbau und Aufzucht von 44 Cannabispflanzen bis zur Erntereife zu gewinnen versucht“;

II./ Manfred M***** im Zeitraum von 2011 bis 2013 Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich ca 8 kg Marihuana, beinhaltend mehr als 540 Gramm reines Delta‑9‑THC, durch Verkäufe und Übergaben einem Drogenabnehmer überlassen;

III./ Walter H***** im Zeitraum von 2011 bis 2013 zu der in Punkt II./ angeführten Tat durch die in Punkt I./2./ geschilderten Tathandlungen beigetragen;

IV./ Manfred M***** im Zeitraum von Ende August 2014 bis 20. Oktober 2014 (weitere [US 6 f]) 44 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer „unerhobenen“ Menge Marihuana angebaut.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die den Angeklagten Walter H***** betreffenden Schuldsprüche I./2./ und III./ richtet sich dessen auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse – über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268).

Unter diesem Aspekt ist dem zum Schuldspruch I./2./ Begründungsmängel behauptenden Beschwerdevorbringen voranzustellen:

§ 28 Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils die Grenzmenge übersteigende Mengen – vergleichbar dem für wert‑ und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar, sodass gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG derart qualifiziert stets nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RIS‑Justiz RS0117464 [T14]). Dabei sind jeweils nur dieselben Tatbilder nach § 28a Abs 1 SMG – hier die Erzeugung – zusammenzufassen (RIS‑Justiz RS0117464 [T18]).

Die Erzeugung von Marihuana erfolgt durch die Trennung der Cannabisblüte von der Pflanze (Fabrizy, Suchmittelrecht5 § 27 Rz 5; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 44). Zur Beurteilung des Tatgeschehens als (versuchte) „Erzeugung“ im Sinn des § 28a Abs 1 erster Fall SMG bedarf es folglich einer im Hinblick auf die „Gewinnung“ von Suchtgift ausführungsnahen, im Falle von Cannabispflanzen also einer nach den Vorstellungen des Täters der Trennung der Cannabisblüten und des Cannabisharzes von Blättern und Stängeln, mit anderen Worten dem Abschneiden der Pflanzen unmittelbar vorangehenden Handlung (RIS‑Justiz RS0124029). Das vom Vorsatz auf Inverkehrsetzung getragene Anpflanzen von Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift erfüllt den Tatbestand des § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG.

Feststellungen zu einer im Sinn des § 28a Abs 1 erster Fall SMG ausführungsnahen Handlung sind dem Urteil zum Schuldspruch I./3./ nicht zu entnehmen, sodass die Konstatierungen insoweit die rechtliche Annahme der (versuchten) Erzeugung nicht zu tragen vermögen. Amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO scheidet fallbezogen jedoch dann aus, wenn die Beschwerde gegen die zu I./2./ festgestellte Suchgiftmenge, die schon für sich genommen den erfolgten Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG trägt, erfolglos bleibt. In diesem Fall hätte der Nichtigkeitswerber den erwähnten Subsumtionsfehler (mangels Beschwer; § 282 Abs 1 StPO) nicht geltend machen können (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 21).

Bei einer vom Beschwerdeführer (hier zu Recht nicht) erhobenen Subsumtionsrüge (Z 10) hätte der Oberste Gerichtshof nämlich wegen der eine (zusätzliche) Tatbeurteilung nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG ermöglichenden Urteilsfeststellungen (I./3./; US 6, 10 f) und der unverändert zu bildenden Subsumtionseinheit (§ 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu I./2./) eine für den Angeklagten ungünstigere rechtliche Unterstellung vornehmen müssen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 656, § 282 Rz 15 ff, § 290 Rz 32).

Im Hinblick auf den zum Schuldspruch I./3./ aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen wendet sich das zum Schuldspruch I./2./ die Erzeugung einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge bestreitende Vorbringen gegen eine entscheidende Tatsache.

Der in Ansehung der festgestellten Menge von 10 kg Marihuana geltend gemachte Widerspruch (Z 5 dritter Fall) liegt nicht vor, weil der Schöffensenat aus den im Urteil angeführten Aussagen der Angeklagten in freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und demzufolge im kollegialgerichtlichen Verfahren unbekämpfbar den Schluss gezogen hat, dass jedenfalls zumindest 10 kg Marihuana (brutto) gewonnen wurden (US 9).

Aufgrund der genannten Feststellung kommt dem genauen Deliktszeitraum keine entscheidende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0098557).

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Aussagen der Angeklagten in der Hauptverhandlung Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptet, ist darauf zu verweisen, dass die Tatrichter den Angaben der Angeklagten vor der Polizei folgten, während sie jene vor Gericht als unglaubwürdig erachteten (US 9 f). Sie waren daher dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (RIS‑Justiz RS0098377) folgend nicht dazu verpflichtet, sich mit dem vollständigen Inhalt der letztgenannten Aussagen auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0098642; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 428).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst zu I./2./ und III./ Konstatierungen zum Wirkstoffgehalt der erzeugten und überlassenen Suchtgiftmengen. Sie führt jedoch prozessordnungswidrig nicht aus, welche Feststellungen über die – von der Beschwerde auch ausdrücklich angeführten –konstatierten Reinsubstanzmengen von 680 Gramm reinem Delta‑9‑THC (I./2./, US 5) und 540 Gramm reinem Delta‑9‑THC (III./, US 6) hinaus das Gericht für die rechtsrichtige Subsumtion zu treffen gehabt hätte (RIS‑Justiz RS0095939).

Indem der Beschwerdeführer die auf die verlesene Qualitätsstatistik und auf die Angaben des Angeklagten Manfred M***** gestützten Feststellungen zum Reinheitsgehalt der Suchtmittel als nicht ausreichend nachvollziehbar bezeichnet (der Sache nach Z 5 vierter Fall), richtet er sich in unzulässiger Weise gegen die kollegialgerichtliche Beweiswürdigung.

Die zum Schuldspruch III./ vermissten Feststellungen zum Additionsvorsatz des Beschwerdeführers (Z 10) finden sich auf US 6 f.

Dem Beschwerdevorbringen (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882). Mit der Kritik an der Ableitung des Additionsvorsatzes aus der festgestellten Tatwiederholung wendet sich der Nichtigkeitswerber einmal mehr unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Soweit auch zum Schuldspruch III./ die unterlassene Erörterung der Aussagen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung eingewendet wird (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), ist auf die Erledigung der inhaltsgleichen Mängelrüge zum Schuldspruch I./2./ zu verweisen (US 9 f; vgl ON 13 S 7 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter H***** war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Solcherart war – wie dargestellt – auch in Ansehung der verfehlten rechtlichen Beurteilung der zu I./3./ festgestellten Taten als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO nicht geboten.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Walter H***** kommt daher dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Anzumerken bleibt, dass entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur in Ansehung des Schuldspruchs des Angeklagten Manfred M***** zu I./1./ wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG, § 15 Abs 1 StGB kein Anlass zu amtswegigem Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bestand:

Das Erstgericht stellte zu I./1./ fest, der Genannte habe im Zeitraum von 2008 bis 2010 mit dem Wissen und dem Willen vorschriftswidrig Suchtgift zu erzeugen, eine unbestimmte Menge Marihuana durch Anbau, Aufzucht und Ernten einer unbestimmten Anzahl von Cannabispflanzen „erzeugt und teilweise zu erzeugen versucht“ (US 5). Dass sich dessen Vorsatz dabei auf die Erzeugung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftmenge bezogen habe, ist dem insoweit eine klare Abgrenzung zu den Schuldspruchpunkten I./2./ und I./3./ vornehmenden (vgl US 5 f) Urteil – ungeachtet der aus der Anklageschrift (ON 15) in den Urteilstenor übernommenen Einordnung unter Punkt I./ („Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt“; US 2) – nicht zu entnehmen.

Da aber – wie bereits dargestellt – Abs 4 Z 3 des § 28a SMG eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz bloß für derart qualifizierte gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG darstellt (RIS‑Justiz RS0117464 [insbes T14]), ist fallbezogen der gesonderte Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG zu I./1./ neben dem Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./2./) rechtlich nicht zu beanstanden.

In Ansehung der verfehlten Beurteilung des zu I./3./ festgestellten Verhaltens (auch) des Angeklagten Manfred M***** als (versuchte) Erzeugung, ohne dass dem Urteil in diesem Sinn ausführungsnahe Handlungen zu entnehmen sind (vgl US 6), sowie zum diesbezüglichen Ausschluss einer amtswegigen Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO wird auf die bezughabenden Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen. Gleiches gilt für die rechtsirrige Beurteilung des zu I./1./ als (versuchte) Erzeugung einer unbestimmten Menge von Marihuana nach § 15 Abs 1 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG beurteilten Anbaus von Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung (US 5; vgl § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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