OGH 12Os46/13a

OGH12Os46/13a20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Samir B***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Samir B*****, Aboubakr D***** und Yassine H***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung dieser Angeklagten sowie des Angeklagten Nordine H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 25. Oktober 2012, GZ 27 Hv 106/12t-303, weiters über die Beschwerden der Angeklagten Samir B***** und Yassine H***** gegen unter einem gefasste Beschlüsse gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Samir B*****, Aboubakr D***** und Yassine H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch (sämtliche Angeklagte betreffende) rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Samir B***** und Yassine H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG (A./), Aboubakr D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG (A./), Nordine H***** und Youssef M***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG (A./) sowie sämtliche Angeklagte der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall (Abs 2) SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach haben sie - zusammengefasst soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz - vorschriftswidrig Suchtgift

A./ gewerbsmäßig in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden (nachstehend jeweils „netto“ ausgewiesenen) Menge anderen in einer Vielzahl von Teilhandlungen durch gewinnorientierten Verkauf überlassen, wobei sie die Taten ab Jänner 2012 als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung begingen und Samir B*****, Yassine H***** und Aboubakr D***** bereits einmal wegen Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurden, und zwar

Samir B***** zwischen Juni 2011 und 25. April 2012 30 Gramm Kokain (2-fache Grenzmenge) und 99,4 Gramm THC (4,9-fache Grenzmenge);

Yassine H***** zwischen Juni 2011 und 25. April 2012 (ausgenommen zwischen 20. Februar 2012 und 10. April 2012) 37,5 Gramm Kokain (2,5-fache Grenzmenge) und 120,2 Gramm THC (6-fache Grenzmenge);

Aboubakr D***** zwischen 1. Februar 2012 und 12. Mai 2012 34,89 Gramm THC (1,7-fache Grenzmenge);

B./ wiederholt zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich (zu den zu A./ angeführten Tatzeiten) jeweils geringe Mengen von Cannabisprodukten und Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Samir B***** und Aboubakr D***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yassine H*****.

Zu den (in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Samir B***** und Aboubakr D*****:

Der von der Subsumtionsrüge (Z 10) erhobene, gegen die Annahme der Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gerichtete Einwand fehlender, „über das Zitieren von verba legalia und Elementen der Rechtsprechung“ hinausgehender Feststellungen zur auf die Erreichung des verpönten Zwecks gerichteten Willenseinigung sowie zum zeitlichen Element unterlässt die gebotene Darlegung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), aus welchem Grund die getroffenen Konstatierungen, wonach sich die Angeklagten „während der im Tenor des Urteils zu Punkt A./ genannten Zeiträume zusammenschlossen“ und der „Zusammenschluss darauf ausgerichtet war, dass die Mitglieder der Vereinigung ganz gezielt Verbrechen nach dem SMG über eine längere Zeit hinweg begehen“ (US 18 erster Absatz), keine Wirksamkeit entfalten und in welcher Hinsicht sie den erforderlichen Sachbezug vermissen lassen (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8).

Die Beschwerdeführer leiten auch nicht ab, weshalb die Subsumtion unter § 28a Abs 4 Z 1 SMG (§ 278 Abs 2 StGB) neben diesen Urteilsannahmen auch Feststellungen zur Art des Zusammenschlusses und seines Zustandekommens sowie „zu konstituierende(n) Elementen einer auf Dauer eingerichteten (Suchtmittel-)Handelsvereinigung“ erfordern würde. Sie legen darüber hinaus nicht dar, welche über die getroffenen Konstatierungen hinausgehenden Feststellungen zur Abgrenzung von einem „legalen Zusammenschluss“ zu treffen gewesen wären.

Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit (inhaltlich Z 5 fünfter Fall) erweist sich mangels Bezugnahme auf eine in den Entscheidungsgründen erfolgte unrichtige oder unvollständige Wiedergabe eines entscheidende Tatsachen betreffenden Inhalts einer Aussage oder eines anderen Beweismittels als substratlos (RIS-Justiz RS0099547). In Ansehung der Berücksichtigung der Haftzeiten des Aboubakr D***** (US 2, 22) durch das Erstgericht geht auch der Einwand der stillschweigenden Übergehung dieser Umstände (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) ins Leere.

Soweit die Beschwerdeführer die aus den „Wahrnehmungen von mehreren Zeugen“ gezogenen „Rückschlüsse auf die subjektiven Beziehungen der agierenden Personen“ kritisieren und weiter ausführen, dass obdachlose - immer wieder Suchgift verkaufende und konsumierende - Nordafrikaner, die teilweise zusammen wohnen und einander Telefone leihen, noch keine kriminelle Vereinigung bilden würden, weichen sie von den getroffenen Konstatierungen (US 18) ab, bekämpfen unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts und bringen damit den Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig zur Darstellung.

Schließlich unterlässt die Subsumtionsrüge (Z 10) die gebotene Ableitung, weshalb in Ansehung der auch nach § 28a Abs 4 SMG ergangenen Schuldsprüche Feststellungen zu einer allfälligen, sich auf den Strafsatz im Falle einer Verurteilung nach § 28a Abs 1 oder Abs 2 SMG auswirkenden Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG zu treffen gewesen wären.

Der Vorwurf, die Feststellungen zum Reinheitsgehalt des Suchtmittels seien unbegründet (inhaltlich Z 5 vierter Fall), übergeht, dass sich das Erstgericht zur Begründung des konstatierten Reinheitsgehalts des THC ausdrücklich auch auf die Ergebnisse der Untersuchung sichergestellter Suchtgiftmengen bezog (US 31 letzter Absatz). In Ansehung der festgestellten, bereits für sich die Schuldsprüche nach § 28a Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 2 und Abs 4 Z 1 SMG tragenden THC-Mengen spricht die sich auf eine ungenügende Begründung des Kokaingehalts bezogene Rüge keine entscheidungswesentliche Tatsache an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398).

Im Übrigen bedürfen notorische Tatsachen keines Beweisverfahrens und keiner Begründung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463; Anklage ON 259; Anklagevortrag ON 279 S 3).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yassine H*****:

Indem die Mängelrüge (Z 5) ausführt, dass die wechselseitige - teilweise auch in der gemeinsamen Benutzung von (Mobil-)Telefonen gelegene - Unterstützung mehrerer Personen, den Schluss auf eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nicht zu tragen vermag, und weiters auf das Fehlen darüber hinausgehender, schwerwiegenderer Verdachtsmomente verweist, kritisiert sie nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichts und verfehlt damit den Bezugspunkt der geltend gemachten Nichtigkeit.

Der Vorwurf einer unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der arbeitsteiligen Vorgehensweise übergeht die hiezu dargelegten Erwägungen des Erstgerichts (US 23 bis 25, 26 vierter Absatz sowie 32 erster Absatz).

Mit der im Rahmen der Mängelrüge aufgestellten Behauptung, die Feststellungen würden für eine Unterstellung unter § 28a Abs 4 Z 1 SMG (§ 278 Abs 2 StGB) nicht „ausreichen“, rügt der Beschwerdeführer inhaltlich einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10), ohne jedoch methodengerecht abzuleiten, zu welchem Tatbestandsmerkmal das Erstgericht erforderliche Konstatierungen zu treffen unterließ.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) „um Wiederholungen zu vermeiden“ auf das zur Mängelrüge erstattete Vorbringen verweist, verfehlt sie angesichts der unterschiedlichen Anfechtungskriterien ihre prozessordnungsgemäße Ausführung (RIS-Justiz RS0115902; RS0099597 [T2]).

Mit dem Einwand, es sei nicht ungewöhnlich, dass sich aus der selben Region stammende Personen in einem fremden Land zusammentun, weshalb diverse Hilfestellungen, wie die gemeinsame Benützung von Telefonen oder gemeinsames Wohnen „noch lange nicht“ den Verdacht einer kriminellen Vereinigung zu begründen vermögen, legt die Tatsachenrüge eigenständige Erwägungen zu isoliert herausgegriffenen Verfahrensergebnissen dar und zielt solcherart allein auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung nach Art einer gegen Urteile von Schöffengerichten nicht zulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0118780 [T7]), vermag aber beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Samir B*****, Yassine H***** und Aboubakr D***** waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Über die Berufungen der genannten Angeklagten, die Beschwerden der Angeklagten Samir B***** und Yassine H***** sowie die - die Angeklagten Samir B*****, Yassine H*****, Aboubakr D***** und Nordine H***** betreffende - Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster und zweiter Fall StPO in Ansehung des Ausspruchs nach § 34 SMG ist mangels eines für die Angeklagten in der unzureichenden Determinierung der - jedenfalls einzuziehenden (RIS-Justiz RS0088115; vgl Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 34 Rz 9; Ratz in WK2 § 21 Rz 14 ff und 26) - „sichergestellten Suchtgifte“ liegenden Nachteils nicht indiziert (15 Os 76/12h).

Als prozessual verfehlt, dem Angeklagten Youssef M***** aber nicht zum Nachteil gereichend, erweist sich auch die mit der Ausfertigung des Urteils verbundene Beschlussausfertigung, soweit sie die Anordnung von Bewährungshilfe betrifft (vgl Schroll in WK² StGB § 50 Rz 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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