OGH 12Os45/96

OGH12Os45/9612.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz, als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christoph R*****, wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21.Dezember 1995, GZ 1 b Vr 706/95-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, und des Verteidigers Dr.Krenn, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt B./ des Urteilssatzes und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt.

Christoph R***** wird von der Anklage, er habe im Herbst 1993 in Wien durch Vorlage des "auf die unter Punkt A./ geschilderte Art und Weise erlangten falschen Maturazeugnisses" bei der Inskription an der Universität Wien ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht und hiedurch das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm weiterhin zur Last fallende Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB wird der Angeklagte nach § 302 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Christoph R***** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (B./) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

A./ an einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 25. Februar 1993 im einverständlichen Zusammenwirken mit Charlotte G***** einen Beamten, nämlich die als Vertragsbedienstete des Bundes in der Organisationseinheit der Externistenprüfungskommission (§ 42 SchUG) tätige Sigrun K***** durch das an Charlotte G***** gerichtete Ersuchen, ihm ein Vorprüfungszeugnis ohne die Ablegung mehrerer noch ausstehender Zulassungsprüfungen zu verschaffen (US 4), dazu bestimmt, als Beamtin mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Kontrolle der den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Zulassung zur Externistenmatura und des Zugangs zu den Universitäten und Hochschulen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, indem sie für tatsächlich nicht abgelegte Vorprüfungen zur Externistenmatura aus den Fächern Deutsch, Englisch, Latein, Mathematik, Physik, Geografie, Geschichte und Musikerziehung im Vorprüfungskatalog positive Noten eintrug, ein mit 25.Februar 1993 datiertes Vorprüfungszeugnis ausstellte, dieses dem Prüfungskommissionsleiter zur Unterschriftsleistung unterschob und es sodann an den Angeklagten ausfolgte (US 5);

B./ im Herbst 1993 durch Vorlage des solcherart erlangten "falschen" Maturazeugnisses bei der Inskription an der Universität Wien ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt richtet, kommt ihr keine Berechtigung zu:

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert bereits daran, daß der Antrag auf Vernehmung der Mutter des Beschwerdeführers zum Beweis dafür, daß weder Charlotte G***** noch Sigrun K***** Geld erhalten haben (289/II) bei der gegebenen Sachlage einer - sonst nicht einsichtigen - Begründung dafür bedurft hätte, weshalb die beantragte Zeugin - mag sie dem Angeklagten auch selbst kein Bestechungsgeld zur Verfügung gestellt haben - Wahrnehmungen gemacht haben sollte, die geeignet erschienen, Geldzuwendungen durch den (im Tatzeitraum keinesfalls mittellosen - 103/X, 163/II) Beschwerdeführer selbst oder irgendeiner anderen Person auszuschließen.

Die Urteilsannahme, daß der Angeklagte im Widerspruch zu den von Sonja K***** vorgenommenen Eintragungen die im Urteilsspruch bezeichneten Vorprüfungen tatsächlich nicht abgelegt hat, entspricht einer denkgesetzmäßigen und der Lebenserfahrung nicht widersprechenden Schlußfolgerung aus den im Urteil dazu ermittelten Prämissen (US 8 f), namentlich der nur so zu erklärenden Tatsache (245/II), daß sich in den für den relevanten Zeitraum lückenlos vorhandenen Prüfungslisten keine den Beschwerdeführer betreffenden Eintragungen finden.

Mit der in der Mängelrüge (Z 5) unter Ignorierung dieser Begründungselemente aufgestellten Behauptung, das Erstgericht habe die Aussage der unmittelbaren Täterin Sigrun K*****, soweit sie die Möglichkeit korrekter Eintragungen offenließ (109 f, 145/II), mit einer Scheinbegründung als unglaubwürdig abgelehnt, wird demnach kein formeller Begründungsmangel dargestellt, sondern unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung bekämpft.

Schließlich versagt auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a), Sonja K***** sei nach ihrem - lückenhaft festgestellten - Aufgabenbereich zur Vornahme der ihr angelasteten "Eintragungen und Manipulationen", bei welchen es sich zudem weder um Organhandlungen noch diesen gleichwertigen faktische Verrichtungen gehandelt habe, gar nicht "befugt" (gemeint: zuständig) gewesen.

Das Erstgericht verwies bei den im Urteil pauschal umschriebenen administrativen Kompetenzen der bei der Externistenprüfungskommission als Vertragsbedienstete tätig gewesenen unmittelbaren Täterin (US 5, 7 und 10) im Detail auf den darauf bezogenen Bericht des Stadtschuldrates für Wien (ON 40), wonach dazu neben der dort ausdrücklich genannten Ausstellung von Zeugnissen sämtliche andere Verwaltungsarbeiten (und zwar auch die Vorbereitung der Prüfungsunterlagen - 487 bis 489/I) gehört haben.

In diesem Zusammenhang ist es rechtlich irrelevant, daß K***** aufgrund einer internen Kompetenzaufteilung hinsichtlich der sogenannten Vorprüfungen nur für die "kleine Kommission" zuständig war, zu welcher derjenige Schultypus, auf den das Zulassungsdekret für den Angeklagten lautete (vor dem von Sigrun K***** gleichfalls amtsmißbräuchlich vorgenommenen und mit der Umgehung des Prüfungsfaches Latein verbundenen Wechsel), nicht gezählt hat. Denn für den Umfang der Befugnis kommt es nur auf den abstrakten Aufgabenbereich des Beamten, nicht jedoch darauf an, ob dieser damit seinem Dienstauftrag zufolge in concreto befaßt ist. Funktionelle oder örtliche Unzuständigkeit schließen demnach den Mißbrauch einer grundsätzlich zustehenden Befugnis nicht aus; vielmehr kann gerade in der Verletzung solcher Zuständigkeitsvorschriften der Mißbrauch gelegen sein (EvBl 1988/104). Daß die unmittelbare Täterin aber grundsätzlich zur Vorbereitung und Ausstellung von Prüfungszeugnissen befugt war, wird von der Beschwerde gar nicht in Frage gestellt.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist im Urteil ungeachtet einer - den Sinnzusammenhang nicht beeinträchtigenden - sprachlichen Mangelhaftigkeit auch eindeutig klargestellt, daß Sigrun K***** das Vorprüfungszeugnis für den Angeklagten unter Eintragung überwiegend fingierter Noten selbst ausgestellt und es sodann dem Kommissionsleiter zur Unterfertigung unterschoben hat (US 5).

Die Zulassung zur Hauptprüfung der Externistenreifeprüfung ist von der erfolgreichen Ablegung aller in Betracht kommenden Vorprüfungen abhängig (§ 3 Abs 6 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 31.Juli 1979 über die Externistenprüfungen, BGBl 1979/362), was durch die darüber ausgestellten Zeugnisse bestätigt wird. Die Vorbereitung der Unterlagen für die Vor- und Reifeprüfungszeugnisse durch Sigrun K***** als Organ des Stadtschulrates für Wien stellt somit entgegen der Beschwerdeargumentation eine keinesfalls bloß manipulative Tätigkeit, sondern eine zwar faktische, einer Organhandlung jedoch gleichwertige Verrichtung dar (Leukauf-Steininger Komm3 § 302 RN 10 und 14).

Im aufgezeigten Umfang (A./) war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Im Recht ist sie jedoch mit dem Einwand (zu B./), die Beurteilung des vom Beschwerdeführer bei der Inskription vorgelegten Maturazeugnisses als falsches Beweismittel im Sinne des § 293 Abs 2 StGB sei rechtsirrig (der Sache nach Z 9 lit a).

Falsch im Sinne dieser Gesetzesstelle ist ein Beweismittel dann, wenn es bei seinem Gebrauch geeignet ist, die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen in eine falsche Richtung zu lenken, sei es, weil es unecht ist, sei es, weil es einen unrichtigen Inhalt hat (Leukauf-Steininger Komm3 § 293 RN 8 a; EvBl 1995/21).

In diese Richtung gehende Feststellungen sind dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen und könnten auch gar nicht getroffen werden, ergibt sich doch aus dem in Kopie vorgelegten Maturazeugnis (ON 28, Beil 2./), daß darin unter Angabe der jeweiligen Leistungsbeurteilung wahrheitsgemäß bestätigt wird, daß sich der Angeklagte vor der zuständigen Externistenprüfungskommission der Reifeprüfung unterzogen und diese bestanden hat. Der Umstand, daß er sich die Zulassung durch Umgehung einiger Vorprüfungen erschlichen hat, ändert an der inhaltlichen Richtigkeit dieser - echten - Urkunde nichts.

Der betroffene Schuldspruch war daher als nichtig aufzuheben und der Beschwerdeführer insoweit vom Anklagevorwurf freizusprechen.

Bei der infolge Teilkassierung des Schuldspruches notwendig gewordenen Strafneubemessung war die Verführung von zwei Personen erschwerend (Leukauf-Steininger Komm3 § 33 RN 10) und kein Umstand mildernd.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe entspricht die verhängte Freiheitsstrafe der tat- und täterbezogenen Schuld.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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