OGH 12Os44/80

OGH12Os44/804.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 1980

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 1980, GZ. 5 c Vr 10081/79-36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Walter Riedl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 4 Monate herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.1.1940 geborene Offizial des Exekutionsgerichtes Wien Werner A des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Den Urteilsfeststellungen zufolge erhielt er als Vollstrecker des Exekutionsgerichtes Wien in der Zeit vom 28. März 1977

bis 18. September 1978 für 250 Exekutionsvollzüge, zu welchen er im Sinne des § 26 Abs. 1 EO den Schlossermeister Manfred B pflichtgemäß beigezogen hatte, von dem Genannten insgesamt 17.500 S. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beschwerdeführer in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO als unbegründet gerügte Urteilsfeststellung, er habe die Geldbeträge auf Grund und in Kenntnis einer Vereinbarung zwischen B und anderen Vollstreckern desselben Gerichtes, welche jenen durch die Ankündigung, andernfalls die Anzahl der Schlosservollzüge zu verringern, unter Druck gesetzt hätten (Bd. II S 23 ff), angenommen, ist nicht entscheidungswesentlich. Denn für die Beurteilung der Annahme eines Vermögensvorteiles durch einen Beamten als Geschenkannahme in Amtssachen nach dem § 304 (Abs. 1 oder) Abs. 2 StGB genügt der vom Bewußtsein des Geschenkgebers und des Beamten umfaßte ursächliche Zusammenhang zwischen dem Vermögensvorteil und dem Amtsgeschäft. Ob der Beschwerdeführer von der Willenseinigung des Geschenkgebers mit anderen Vollstreckern wußte und diese auch die Basis für die Zuwendungen an ihn waren, ist daher unerheblich.

Wenn die Beschwerde ferner einen inneren Widerspruch der Urteilsbegründung in Ansehung des Zusammenhanges zwischen Amtsgeschäft und Vermögensvorteil darin erblickt, daß der Beschwerdeführer, worauf auch noch bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein wird, auf Grund einer sogenannten 'fixen Schlosserzuteilung' durch den Leiter des Vollstreckungsdienstes gar keine Möglichkeit hatte, einen anderen als den Schlossermeister B zu bestellen, so vermag sie auch insoweit keinen Begründungsmangel mit Erfolg geltend zu machen.

Die erstgerichtliche Argumentation, der Beschwerdeführer sei ungeachtet der Bindung an die generelle Zuteilung des Schlossers B in der Lage gewesen, die Anzahl der Vollzüge, zu denen zwecks Eröffnung voraussichtlich verschlossener Haus- oder Wohnungstüren ein Schlosser beizuziehen war, durch die Auswahl der Vollzugstermine, entgegen einem nicht näher ausgeführten Einwand in der Rechtsrüge sogar zulässigerweise (vgl. auch Band I/ON 25, S 481, Band II/S 15), zu beeinflussen, ist ebenso denkrichtig und mit der Gerichtserfahrung im Einklang stehend wie die ersichtlich daraus erfolgte Ableitung einer Motivation des Schlossers B für die Zuwendungen an den Beschwerdeführer.

Somit versagt die Mängelrüge.

Aber auch mit seiner auf den § 281 Abs. 1 Z 9

lit. a StPO gestützten Rechtsrüge dringt der Beschwerdeführer nicht

durch.

Er unterliegt zunächst selbst einem Rechtsirrtum, wenn er im Widerspruch zu der vom Erstgericht vertretenen Ansicht die Tatbildmäßigkeit nach dem § 304 Abs. 2

StGB mit der Behauptung verneint, die Zuziehung eines Schlossers zu Exekutionsvollzügen der hier vorliegenden Art stelle kein Amtsgeschäft dar.

Wie in der Beschwerde an sich richtig wiedergegeben wird, sind Amtsgeschäfte im Sinne des § 304 StGB, wie auch des § 302 StGB, alle Verrichtungen, die zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben eines Rechtsträgers dienen, also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebes gehören und für die Erreichung der amtsspezifischen Vollziehungsziele sachbezogen relevant sind (RZ 1978/63, 113 u.a.).

Der Beschwerde zuwider ist dem § 26 Abs. 1 EO keineswegs zu entnehmen, daß die Bestellung eines Schlossers zur Öffnung verschlossener Türen oder Behältnisse zum Zwecke der (Fahrnis-)Exekution dem betreibenden Gläubiger zukommt. Die erwähnte Bestimmung gehört zu jenen Vorschriften (vgl. die Marginalrubrik zu § 25 EO), welche die Tätigkeit der Vollstreckungsorgane regeln. Wenn diese Organe darin zur Öffnung verschlossener Türen oder Behältnisse ermächtigt werden, dann fällt mangels einer solchen Annahme entgegenstehenden Norm denkrichtig auch die Beiziehung eines geeigneten Handwerkers zur Vornahme dieser Öffnung ebenso in ihre Kompetenz, wie etwa die im § 26 Abs. 2 EO vorgesehene Herbeiholung der Unterstützung durch Sicherheitskräfte. Auf die mit dieser Interpretation im Einklang stehende Regelung des (in seiner Rechtsnatur allerdings strittigen - vgl. Heller-Berger-Stix I, S 333, 335) Dienstbuches für Vollstrecker in seinem Punkt 14 Abs. 2, wonach der Vollstrecker einen geeigneten Handwerker zur Vermeidung unnötiger Schäden zuziehen und die Öffnung im Falle 'einigermaßen erheblicher Schädigung Dritter' unterlassen soll, sei im gegebenen Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber verwiesen. Der von der Beschwerde angestellte Vergleich mit der Regelung des § 349 Abs. 1 (letzter Satz) EO, derzufolge die Räumung unbeweglicher Sachen nur dann vollzogen wird, wenn der betreibende Gläubiger die zur Öffnung der Räumlichkeiten und zur Wegschaffung der zu entfernenden beweglichen Sachen erforderlichen Arbeitskräfte und Beförderungsmittel bereitstellt, geht fehl, weil diese im dritten Abschnitt des ersten Teiles der Exekutionsordnung über die Exekution zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen enthaltene Norm insofern spezieller Natur ist, wohingegen der § 26 EO im allgemeinen Teil des Gesetzes, wie erwähnt, generell die Rechte und Pflichten der Vollstreckungsorgane behandelt und die gegenständlichen Vollzüge keine Räumungs- sondern Fahrnisexekutionen waren (vgl. Band I/S 291 ff, 357 f, II/12, 16, 26).

Demnach kommt der gemäß dem § 26 Abs. 1 EO erfolgten Beiziehung eines Schlossers in den vorliegenden Fällen - gleich dem Exekutionsvollzug selbst - jeweils der Charakter eines vom Beschwerdeführer vorgenommenen Amtsgeschäftes in der oben angeführten Bedeutung zu.

Ohne jeglichen Einfluß auf diese Qualifizierung ist, entgegen der Beschwerdeauffassung, der bereits erwähnte Umstand, daß dem Beschwerdeführer auf Grund einer vom Leiter des Vollstreckungsdienstes des Exekutionsgerichtes Wien getroffenen sogenannten Schlossereinteilung der Schlossermeister B bereits zugewiesen war. Den Feststellungen zufolge handelte es sich bei dieser Zuteilung um nichts anderes als eine interne Dienstanweisung (vgl. auch Band I/ON 25 S 477, II/S 15), an welche der Beschwerdeführer im Falle des Vollzuges einer Fahrnisexekution, welche die Beiziehung eines Schlossers erforderte, grundsätzlich gebunden war und von der er nur ausnahmsweise und mit schriftlicher Genehmigung des Leiters des Vollstreckungsdienstes abgehen durfte. Dritten, insbesondere auch dem in der Dienstanweisung genannten Schlosser selbst, konnten indes daraus keinerlei Rechte erwachsen. Die tatsächliche, dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Kompetenz (§ 26 Abs. 1 EO) obliegende Bestellung eines Schlossers im Einzelfall stellte eine selbständige Organ(Rechts-)handlung im Verlaufe des Exekutionsvollzuges und damit ein Amtsgeschäft dar, dessen Wirksamkeit von der internen Dienstanweisung nicht beeinflußt werden konnte.

Die Bindung des Beschwerdeführers an diese Dienstanweisung betrifft lediglich die Frage der Pflichtgemäßheit seiner Amtsführung. Da dem Beschwerdeführer aber die Geschenkannahme für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften (§ 304 Abs. 2 StGB) zur Last liegt, ist es rechtlich unentscheidend, ob er einen anderen Schlosser grundsätzlich nur pflichtwidrig hätte heranziehen oder ob er, zulässiger- oder unzulässigerweise, durch entsprechende Festsetzung der Tageszeit der Vollzüge oder Erwirkung deren Vornahme an Wochenenden, Einfluß auf die Häufigkeit der Bestellung des Schlossers B hätte nehmen können.

Die Ausführungen der Rechtsrüge, welche aus einer fehlenden Möglichkeit des Beschwerdeführers, rechtmäßig sich eines anderen Schlossers zu bedienen oder wenigstens die Zahl der Fälle einer Heranziehung des Schlossermeisters B (mit-)zubestimmen, die mangelnde Tatbildlichkeit seines Verhaltens nach dem § 304 Abs. 2 StGB abzuleiten suchen, erweisen sich daher ebenfalls als nicht stichhältig.

Soweit die Rechtsrüge schließlich für die Tatbildlichkeit nach dem § 304 Abs. 2 StGB die Identität zwischen Geschenkgeber und einer Partei, deren Angelegenheiten vom geschenkannehmenden Beamten zur selben Zeit dienstlich zu bearbeiten sind, für erforderlich hält, verkennt sie, daß die dem Schutz der Reinheit, Sauberkeit und Unbestechlichkeit der Amtsführung dienenden (EvBl. 1969/171; 9 Os 38/70, 12 Os 71/71) und im § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StGB geregelten Tatbestände der Geschenkannahme durch Beamte keineswegs eine solche Identität erfordern. Als Geschenkgeber kommt vielmehr, wie auch als Deliktssubjekt im Falle aktiver Bestechung nach dem § 307 StGB überhaupt jede, wenn auch vom Amtsgeschäft selbst weder mittelbar noch unmittelbar betroffene, (natürliche) Person in Betracht. Liegt allerdings, beispielsweise, eine solche Identität vor, und fehlt jegliche andere Motivation für das Fordern, Annehmen oder Sichversprechenlassen eines - nicht bloß geringfügigen -

Vermögensvorteiles, dann ist hiedurch in tatsächlicher Hinsicht der ursächliche Zusammenhang zwischen solchen Verhaltensweisen und der konkreten Amtsführung indiziert (SSt 41/3 u.a.; Leukauf-Steininger2, RN 6, 12 zu § 304

StGB).

Diesen ursächlichen Zusammenhang hat aber das Erstgericht vorliegend, insbesondere gestützt auf die Verantwortung des Beschwerdeführers selbst, der sich im Tatsächlichen ausdrücklich für schuldig bekannte und zugab, daß er 'pro Schlosservollzug' 70 S erhalten hatte, als erwiesen angenommen (vgl. Band II/S 11, 21, 24 f).

Wenn der Beschwerdeführer, diesen Konnex negierend, in der Rechtsrüge von einer 'anderweitig verständlichen und erklärbaren' Motivierung der Geldzuwendungen ausgeht und diese lediglich als aus Anlaß oder bei Gelegenheit seiner Amtsführung gegeben und deshalb nicht tatbildlich ansieht, hält er nicht am Urteilssachverhalt fest und bringt insofern den materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Die Annahme der gegenständlichen Geldzuwendungen in insgesamt 250 Fällen im Rahmen einer auf längere Zeit vorgesehenen und praktizierten dienstlichen (gleichsam geschäftsmäßigen) Verbindung (vgl. 9 Os 38/70 u.a.) zwischen Vollstrecker und Schlosser wurde daher ohne Rechtsirrtum dem § 304 Abs. 2 StGB unterstellt. Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war somit der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 304 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, die es gemäß dem § 43 Abs. 1

StPO unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Annahme des Vermögensvorteils über einen langen Zeitraum, als mildernd das Geständnis, die Unbescholtenheit und die gänzliche Rückerstattung der erhaltenen Geldbeträge. Darüber hinaus erwog es, daß der Angeklagte im Vergleich zu anderen Vollstreckern des Exekutionsgerichtes Wien nur in untergeordneter Weise sowie mit einer geringeren Summe gegen das Gesetz verstieß und auch vom Schlosser B nie Geld eingefordert hatte.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung an. Sein Begehren ist berechtigt.

Bei richtiger Würdigung der schon vom Erstgericht zutreffend als für den Strafausspruch bedeutsam angeführten Gründe erweist sich die mit der Hälfte des Höchstmaßes der gesetzlichen Strafdrohung bemessene Unrechtsfolge als zu hart. Vier Monate Freiheitsentzug genügen, um den Unrechtsgehalt der Tat und die Schwere der Schuld des Täters voll abzugelten.

Damit war der Berufung Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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