OGH 12Os43/89

OGH12Os43/891.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef W*** und Robert W*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 17.Februar 1989, GZ 23 Vr 2317/88-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Bock, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer gesetzlichen Vertreter, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der (insoweit sinngemäßen) Berufung des Angeklagten Josef W*** wird teilweise Folge gegeben und die von ihm am 12.Mai 1988 von 10,30 Uhr bis 14,40 Uhr erlittene Verwahrungshaft gemäß § 38 Abs 1 StGB auf die über ihn verhängte (Geld- und Ersatzfreiheits-) Strafe angerechnet.

Im übrigen wird seiner Berufung ebenso wie zur Gänze jener des Angeklagten Robert W*** nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Josef W*** und Robert W*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 1.März 1972 geborene Hilfsarbeiter Josef W*** und der am 18.Februar 1972 geborene Lehrling Robert W*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie in St.Ulrich am Pillersee nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung

A/ weggenommen, nämlich

I./ Josef W*** und Robert W*** im bewußten und

gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 12.Mai 1988 der Anna H*** durch Einbruch in einen Stall zwei Hühner im Gesamtwert von 200 S;

II. Robert W*** allein:

1./ Anfang April 1988 dem Ägidius A*** durch Einbruch in dessen Haus mehrere Flaschen Limonade, eine Dose Luftgewehrmunition und 56 Scheibenspiegel in einem nicht festgestellten Gesamtwert; 2./ am 16. oder 17.April 1988 einem Verfügungsberechtigten der Schützengilde St.Ulrich am Pillersee durch Einbruch in den Schießstand und Aufbrechen eines Kastens drei Flaschen Limonade und 6 Dosen Luftgewehrmunition im Gesamtwert von ca 270 S; B/ wegzunehmen versucht, nämlich Josef W*** und Robert W*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 12.Mai 1988 der Anna H*** ein Huhn im Wert von 100 S. Das Urteil enthält außerdem einen Robert W***

betreffenden Teilfreispruch gemäß § 259 Z 3 StPO hinsichtlich weiterer Diebstahlshandlungen.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen diese Schuldsprüche mit in einer Rechtsmittelausführung zusammengefaßten, nominell auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, welchen jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Das Vorbringen sowohl zur Mängelrüge (Z 5) als auch zur Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere hinsichtlich des Bereicherungsvorsatzes unterlassen, zeigt ebensowenig einen Nichtigkeitsgrund auf wie der Einwand, die Urteilsannahme der "Bereicherungsabsicht" der Täter anläßlich der Zugriffe sei ohne Begründung geblieben. Abgesehen davon, daß sich der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der tatrichterlichen Annahme einer über bloßen Diebstahlsvorsatz hinaus qualifizierten Bereicherungsabsicht zu der gleichzeitigen Behauptung entsprechender Feststellungsmängel selbst in Widerspruch setzt, kommt der für die subjektive Tatbestandsverwirklichung maßgebende Wille der Angeklagten, fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, um sich durch deren Zueignung zu bereichern, in den Urteilsgründen zusätzlich durch die Verhaltensbeschreibungen als "stehlen" zum Ausdruck. Einer noch weitergehenden Konkretisierung der tataktuellen Intentionen der Angeklagten bedurfte es nach Lage des Falles nicht. Die solcherart unmißverständlichen Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite fanden in der Bezugnahme auf die nur hinsichtlich der Einbruchsqualifikation eingeschränkten, zum Diebstahl selbst aber geständigen Verantwortungen der Angeklagten eine mängelfreie Begründung.

Gleichfalls nicht stichhältig sind die erneut gleichzeitig aus tatsächlicher und rechtlicher Sicht erhobenen Einwände einerseits gegen die Urteilsfeststellung, daß die Angeklagten beim Faktum A I zwei Hühner als Diebsbeute mitnahmen und andererseits gegen die daraus abgeleitete Beurteilung, daß solcherart in Ansehung dieser Diebstahlsobjekte ein Gewahrsamsbruch herbeigeführt wurde. Die Annahme des Schöffengerichtes, daß die Angeklagten damals zwei Hühner getötet haben und mit diesem Geflügel weggefahren sind, findet in den bezüglichen Verantwortungen (S 22, 23 und 109) volle Deckung. Aus den von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Angaben der Anna H*** ergibt sich in Wa-rxeit kein Hinweis auf einen anderen Sachverhalt. Nach dem (korrigierten) Protokoll über die Vernehmung der genannten Zeugin außerhalb der Hauptverhandlung vom 20. Jänner 1989 (S 102, 104) bemerkte sie nämlich am Tatort "zwei Köpfe von Hennen" und nicht - wie die Angeklagten meinen - "zwei geköpfte Hennen", sodaß dieses Verfahrensergebnis die vollendete Wegnahme der beiden Hühner nicht in Frage stellt. Der geltend gemachte Begründungsmangel liegt demnach nicht vor, wogegen die materiellrechtliche Reklamation prozeßordnungswidrig an ein urteilsfremdes Tatgeschehen anknüpft. Soweit in dieser (im Rahmen der Beschwerdeausführung zweimal vorgebrachten) Rechtsrüge auch noch zum Schuldspruch B (durchaus im Einklang mit dem Urteilssachverhalt) hinsichtlich des dort tatgegenständlichen Huhnes ein Gewahrsamsbruch in Abrede gestellt wird, genügt der Hinweis darauf, daß diesbezüglich - wie dem Beschwerdestandpunkt zuwider ohnehin aus dem Schuldspruch klar ersichtlich - bloß versuchter Diebstahl vorliegt, bei dem fehlender Gewahrsamsbruch keineswegs schon Straffreiheit infolge Mangels am Tatbestand nach sich zieht.

Auch der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO liegt nicht vor:

Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) kommt bei Diebstahl durch Einbruch schon zufolge der (fünf Jahre erreichenden - § 129 StGB) gesetzlichen Strafdrohung nicht in Betracht, weil dieser besondere Strafausschließungsgrund nur auf solche Taten anwendbar ist, die mit maximal drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Dies gilt auch für einen als Jugendstraftat zu beurteilenden Einbruchsdiebstahl, weil für die Anwendung des § 42 StGB nicht von den reduzierten Strafdrohungen des Jugendstrafrechtes auszugehen ist (§ 5 Z 7 JGG).

Bereits an der Einbruchsqualifikation der vollendeten Diebstähle scheitert die Argumentation, wonach insgesamt nur mit (hier fehlender) Ermächtigung der Verletzten verfolgbare Entwendungen vorlägen und das Fehlen dieser Voraussetzung einer Aburteilung der Angeklagten entgegenstünde. Gemäß § 141 Abs 1 StGB sind nämlich Fälle des § 129 StGB (also auch Diebstahl durch Einbruch) von der Beurteilung als Entwendung ausgeschlossen. Im übrigen ergibt sich die von den Beschwerdeführern nunmehr abstrakt behauptete privilegierende Tatmotivation weder aus dem Urteil, noch wird auf (nach der Aktenlage auch nicht indizierte) Verfahrensumstände verwiesen, die eine entsprechende Sachverhaltsklärung erfordert hätten.

Ebensowenig Anlaß bestand für das Erstgericht, die Zeitpunkte einer allfälligen Schadensgutmachung durch die Angeklagten festzustellen, weil nach dem Inhalt der Gendarmerieanzeige (ON 2) jedenfalls bis zur Aufdeckung der Täterschaft durch die öffentlichen Sicherheitsorgane kein Schadenersatz geleistet wurde (insbesondere S 29). Der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB), dessen Anwendbarkeit die Angeklagten überprüft wissen wollen, kommt mithin schon mangels Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung nicht in Betracht.

Die schließlich von beiden Beschwerdeführern geforderte vorläufige Einstellung des Strafverfahrens nach § 9 JGG hat zur Voraussetzung, daß die Schuld nicht als schwer anzusehen und eine Bestrafung der Täter nicht geboten ist, um sie von strafbaren Handlungen abzuhalten. Von einem solchen fehlenden Straferfordernis kann aber nach dem Urteilssachverhalt schon aus spezialpräventiver Sicht keine Rede sein, weil sich die beiden entwicklungsbedingt noch labilen und von ihren Freizeitkontakten her negativen Einwirkungen ausgesetzten (S 46, 50) jugendlichen Angeklagten erzieherischen Einflüssen gänzlich entzogen haben, Josef W*** schon eine einschlägige Vorverurteilung erlitten hat und Robert W*** durch die Wiederholung von Einbruchsdiebstählen seine ablehnende Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten besonders deutlich erkennen ließ. Da überdies bei der Intensität des deliktischen Willens, wie sie auch in der Josef W*** zur Last fallenden Tatwiederholung zum Ausdruck kommt, eine gravierende Schuldkomponente unübersehbar ist, bedurfte es einer Bestrafung, um den Angeklagten den Unwert ihres Verhaltens vor Augen zu führen und sie von einem deliktischen Rückfall abzuhalten.

Letztlich wird mit dem gesamten auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Vorbringen keiner der bezüglichen Anfechtungstatbestände in prozeßordnungsmäßiger Form behauptet:

Der bereits erörterte Umstand, daß dieses Strafverfahren vom erkennenden Gericht nicht nach § 9 JGG vorläufig eingestellt wurde, kann nur als Nichtigkeit nach Z 9 lit b und nicht zusätzlich als solche nach § 281 Z 11 StPO bekämpft werden (§ 32 Abs 1 JGG). Das Unterbleiben einer derartigen Entscheidung ist auch nicht mit dem von den Angeklagten gleichfalls in diese Richtung ausgeführten Rechtsmittel der Berufung anfechtbar.

Den nicht näher konkretisierten Behauptungen, der zu beurteilende Sachverhalt hätte die Anwendung des § 12 JGG oder des § 13 JGG erfordert, kann die einzelne, deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 und 285 a Z 2 StPO) der tatsächlichen oder gesetzlichen Gegebenheiten, aus denen eine § 281 Abs 1 Z 11 StPO entsprechende und von den der Berufung unterliegenden Ermessensfehlern abgehobene unrichtige Rechtsanwendung resultieren soll, nicht entnommen werden. Letztere Reklamationen sind mithin ebenso ausschließlich als Berufungsbegehren zu erledigen, wie (gemäß § 283 Abs 2, zweiter Satz, StPO) die an sich zutreffende Bemängelung unterbliebener Vorhaftanrechnung hinsichtlich Josef W*** (betreffend die Zeit am 12.Mai 1988, von 10,30 Uhr bis 14,40 Uhr - S 17, 21 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten gemäß § 129 StGB unter Anwendung der §§ 5 JGG und 37 (Abs 1) StGB zu Geldstrafen, nämlich Josef W*** zu 180 Tagessätzen zu je 90 S, (Ersatzfreiheitsstrafe: 90 Tage) und Robert W*** zu 220 Tagessätzen zu je 30 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 110 Tage). Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurden die ausgesprochenen Strafen bei beiden Angeklagten - jeweils unter Bestellung eines Bewährungshelfers - für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wertete das Jugendschöffengericht bei beiden Angeklagten die Tatwiederholung (bei W*** auch in bezug auf die Einbruchsqualifikation) und bei W*** auch eine einschlägige Vorverurteilung als erschwerend, als mildernd hingegen die Geständnisse, den teilweisen Versuch und die (hinsichtlich W*** allerdings nur partielle) Schadensgutmachung, bei W*** überdies seine bisherige Unbescholtenheit.

Diese Strafaussprüche bekämpfen die Angeklagten jeweils mit - wie dargelegt, teils verfehlt im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerden ausgeführten - Berufungen, von denen nur jener des Angeklagten Josef W***, allerdings bloß insoweit Berechtigung zukommt, als die Anrechnung der in erster Instanz vernachlässigten Verwahrungshaft gemäß § 38 Abs 1 StGB auf die verhängte Strafe reklamiert wird. Während dieses erstgerichtliche Versäumnis spruchgemäß nachzuholen war, verfängt die Berufungsargumentation sonst in keinem Punkt:

Der Hinweis auf eine (infolge relativer Geringfügigkeit des Gegenstands seiner Vorverurteilung auch für Josef W*** reklamierten) Rechtstreue der bisherigen Lebensführung der beiden Berufungswerber bzw auf "äußerst geringe" Tatfolgen, mit dem sie übereinstimmend eine alternative Anwendung der §§ 9, 12 oder 13 JGG, subsidiär eine Herabsetzung der Geldstrafe nach der Zahl wie auch der Höhe der Tagessätze und zudem eine Reduktion der für die bedingte Strafnachsicht bestimmten Probezeit anstreben, vernachlässigt nicht nur den regelmäßig hohen gesellschaftlichen Störwert jedes Einbruchsdiebstahls, sondern auch all jene bereits dargelegten Erwägungen, aus denen sich die (im übrigen nur aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, nicht auch mit Berufung anfechtbare) Abstandnahme von einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens durch das Gericht im konkreten Fall als rechtsrichtig erweist. Da sich die ausgesprochenen, unter Berücksichtigung der hier aktuellen gesetzlichen Strafdrohung maßvollen und mit der Bestellung eines Bewährungshelfers die besonderen Präventionsaspekte bei Jugendstraftaten wahrenden Sanktionen als sachgerecht erweisen und durch Gefährdung des Strafzweckes in keinem der relevierten Punkte einer weiteren Milderung zugänglich sind, war hierin den Berufungen ein Erfolg zu versagen.

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