OGH 12Os41/97 (12Os42/97)

OGH12Os41/97 (12Os42/97)24.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Holzmannhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Charles Om***** und Hilary Ok***** wegen des - von Hilary Ok***** versuchten (§ 15 StGB) - Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24.Oktober 1996, GZ 10 Vr 3159/95-89, und über die Beschwerde (gemäß § 494 a Abs 4 StPO) des Angeklagten Hilary Ok***** gegen den Beschluß vom selben Tag nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die beiden nigerianischen Staatsangehörigen Charles Om***** und Hilary Ok***** des - von letzterem nur versuchten (§ 15 StGB) - Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt, weil sie in Graz und Salzburg im Zusammenwirken mit unbekannten "Mittätern" (Beteiligten nach § 12 dritter Fall StGB - US 7 und 8) mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz Angestellte der W***** VersicherungsAG durch Vortäuschen des Versicherungsfalles unter Benützung falscher Beweismittel zu Handlungen verleiteten, die das Versicherungsunternehmen in 500.000 S übersteigender Höhe am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, indem sie im Antrag auf Auszahlung der Versicherungssummen unter Vorlage jeweils inhaltlich unrichtiger nigerianischer Todeserklärungen, medizinischer Berichte und Bescheinigungen über die Todesursache wahrheitswidrig behaupteten, die für den Ablebensfall (inklusive Unfalltod) Versicherten seien bei einem Verkehrsunfall in Benin City ums Leben gekommen, und zwar

1. Charles Om***** im März 1994 hinsichtlich Steve Om***** (Schaden ca. 800.000 S);

2. Hilary Ok***** Ende April 1995 hinsichtlich Calista B***** (versuchter Schaden 2,472.560 S).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen je aus Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sind nicht begründet.

Durch die Abweisung der beantragten Beweise (271-275/II) wurden Verteidigungsrechte der Beschwerdeführer (Z 4) nicht verletzt:

Für die Lösung der Schuldfrage ist nach Lage des Falles allein relevant, ob der Versicherungsfall von den Angeklagten vorgetäuscht wurde, nicht hingegen, ob die Versicherungsnehmer entgegen insoweit vom Erstgericht angemeldetem Zweifel überhaupt existiert haben (US 8) und Steve Om***** im Jahre 1993 vorübergehend in Österreich aufhältig war. Ebensowenig entscheidend ist die - im übrigen ohnehin unbestrittene - Frage, ob Dr.A***** (welcher die medizinischen Berichte über den behaupteten Unfalltod beider Versicherungsnehmer verfaßte - 37, 57/I) nach wie vor als Leiter der pathologischen Abteilung des Central Hospitals in Benin City tätig ist und in Nigeria wegen Betrugsverdachtes im Sinne der vom Zeugen Dr.T***** bekundeten diesbezüglichen polizeilichen Mitteilungen (191 f/I) verhaftet worden war. Der diesem Nachweis dienende Antrag auf Vernehmung der Zeugin Mercy Om***** ist daher schon deshalb verfehlt. Er hätte zudem einer Begründung bedurft, warum die seit Jahren in Graz lebende Zeugin überhaupt Wahrnehmungen über die berufliche Tätigkeit des Dr.A***** in Nigeria gemacht haben sollte.

Die weiters beantragten Zeugen Nosa Og***** und Dr.S.G.A***** sind in Nigeria aufhältig. Da mit diesem Staat kein Rechtshilfeübereinkommen besteht und die dort zur Zeit herrschenden politischen Verhältnisse einen Rechtshilfeverkehr auch gar nicht zulassen (vgl 213/I), waren diese Zeugen für das Erstgericht unerreichbar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 106). Davon abgesehen erwies sich nach Lage des Falles die von den Beschwerdeführern angestrebte bloße verbale Bekräftigung der von Nosa Og***** zum behaupteten Tod des Steva Om***** am 7.Februar 1996 abgegebenen eidesstattlichen Erklärung vor dem High Court of Justice in Benin City (siehe die zu ON 64/II vorgelegten Urkunden) und der von Dr.A***** ausgestellten medizinischen Bescheinigungen über den Tod beider Versicherungsnehmer (37, 57/I), welche ohnehin Eingang in das Beweisverfahren gefunden haben, von vornherein als ungeeignet, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm vorliegenden objektiven (und von den Angeklagten auch gar nicht bestrittenen) Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern:

Ausgangspunkt der in Rede stehenden Relevanzbeurteilung ist zunächst der in allen Details vollkommen idente Ablauf der beiden in vielfältiger Hinsicht außergewöhnlichen Schadensfälle. Dazu zählt der Abschluß einer Lebensversicherung jeweils durch nigerianische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Heimatstaat während eines Besuches in Österreich bei derselben Versicherung in Graz (jeweils über Vermittlung des ghanesischen Staatsangehörigen Daddy M*****) zugunsten hier lebender Angehöriger; weiters die Bezahlung der Prämien von monatlich 1.104,40 S (Steve Om*****) und 1.500 S, ab Februar 1995 sogar 4.000 S (Calista B*****) - im Falle des Steve Om***** noch dazu von der Anschrift des Angeklagten Om***** aus - bei einer Geldanlageprobleme nicht nahelegenden Beschäftigung als Zeitungskolporteur bzw "Verkäufer von Bildern" (305/I) sowie "selbständige Handelsreisende" (91 f/I). Übereinstimmung besteht weiters im gleichartigen Unfalltod der jeweiligen Versicherungsnehmer jeweils wenige Monate nach Abschluß der Versicherungen in derselben Stadt in Nigeria und im Nachweis desselben durch gleichartige Urkunden, vor allem einen nahezu wörtlich übereinstimmenden medizinischen Bericht des Dr.A*****, mit Bescheinigung von zum größten Teil vollkommen identen Verletzungen (37, 57/I). Auch die Tatsache, daß die vor dem High Court abgegebene eidesstattliche Erklärung der Edna B***** über den behaupteten Unfalltod ihrer Tochter Calista B***** vom Todestag (17.April 1995) stammt (155 f/I), welcher überdies unbestrittenermaßen Nationalfeiertag in Nigeria war, konnte im Rahmen der Relevanzbeurteilung nicht außer Betracht bleiben.

Hält man diesem Beweisergebnis den schriftlichen und von Dr.T***** in allen Details als Zeuge mündlich bestätigten Bericht des ICC-Commercial Crime Bureaus (111 f, 191 f, ON 34/I; 257 f/II) hinzu, wonach persönlichen Wahrnehmungen des Detektivs zufolge im betreffenden Spital in Benin City die behaupteten Todesfälle in keiner wie immer gearteten Weise registriert und von den vor dem High Court abgegebenen Erklärungen keine Kopien vorhanden sind, die Versicherungsnehmer an den angegebenen Anschriften in einem Fall gänzlich unbekannt sind (Steve Om*****), im anderen Fall die Adresse überhaupt nicht existiert, die von ihnen gegenüber der Versicherung angegebenen Paßnummern bei der lokalen Paßbehörde nicht aufscheinen und schließlich mündlichen Mitteilungen der lokalen Polizei zufolge die Unfälle - entgegen der (im Fall Steve Om*****) ausgestellten Bestätigung (siehe die zu ON 68 vorgelegten Urkunden) - polizeilich nicht registriert sein sollen, konnte das Erstgericht vor dem Hintergrund der auf Grund gleichgelagerter Anzeigen (ON 55/II) auf (von Nigeria ausgehende) organisierte Kriminalität gerichteten Verdachtslage (213/I) nicht nur diesen Beweisantrag ablehnen, ohne solcherart durch vorgreifende Beweiswürdigung Verteidigungsrechte der Angeklagten zu schmälern, sondern auch die weiters von Hilary Ok***** begehrte Beischaffung der "Polizeiberichte und Protokolle, ob der Vorfall am 14. oder 17.April 1994 (richtig: 1995 - 19/I) stattgefunden hat"; dies umsomehr, als deren tatsächliche Existenz durch keinerlei Beweisergebnis indiziert ist. Gleiches gilt für den Antrag dieses Angeklagten auf Überprüfung der von den Beschwerdeführern vorgelegten Urkunden (ON 64/II) "auf ihre Echtheit" (ON 64 iVm 273, 275/II), zumal nicht der Echtheit, sondern der inhaltlichen Richtigkeit dieser Schriftstücke entscheidende Bedeutung zukommt und mehrere Urkunden zudem gar nicht den diesem Angeklagten angelasteten Versicherungsbetrug betreffen.

Daß Beamten der österreichischen Botschaft in Lagos gegenüber anläßlich einer persönlichen Vorsprache im Central Hospital von Benin City am 25.April 1994 die inhaltliche Richtigkeit der Sterbeurkunde betreffend Steve Om***** bestätigt und allein deshalb die Versicherungssumme an den Angeklagten Om***** ausbezahlt worden war, ist ohnehin aktenkundig (31/I). Die diesem Nachweis dienende zeugenschaftliche Vernehmung der betreffenden Botschaftsangehörigen erübrigte sich daher.

Gleichfalls am entscheidenden Beweisthema vorbei geht schließlich der Antrag, die betreffenden Zeugen auch dazu zu vernehmen, "daß es ohne weiteres möglich ist, schriftliche Bestätigungen vom Central Hospital in Benin City sowie den Justiz- und Polizeibehörden einzuholen", sagt doch diese - ohnehin aktenkundige - Tatsache über die inhaltliche Richtigkeit dieser "Bestätigungen" nichts aus.

Die von Charles Om***** erst in der Nichtigkeitsbeschwerde und der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung vorgelegten Urkunden sind auf Grund des im Nichtigkeitsverfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Im übrigen vermögen auch sie an der dargelegten Sicht nicht das Geringste zu ändern.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) der Angeklagten beruht die zentrale Urteilsannahme, daß sie den Versicherungsfall vortäuschten, auf denkgesetzmäßigen und der Lebenserfahrung nicht widersprechenden Schlußfolgerungen aus den vom Erstgericht als "ganz auffällig" eingestuften Übereinstimmungen der Versicherungsfälle (US 8) und den vom Zeugen Dr.T***** bekundeten Erhebungsergebnis (siehe oben), welches im Gegensatz zu den Beschwerdebehauptungen im übrigen keineswegs auf "Mutmaßungen und Schlußfolgerungen" sowie" Dingen, die ihm erzählt worden sind", sondern überwiegend auf eigenen Wahrnehmungen dieses Zeugen beruht.

Von offenbar unzureichender Begründung kann daher ebensowenig die Rede sein, wie von einer von Hilary Ok***** - im übrigen ohne nähere Substantiierung - behaupteten "unvollständigen" Begründung.

Die erörterten Beschwerdeargumente erweisen sich auch als ungeeignet, gegen die dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erhebliche Bedenken zu erwecken (Z 5 a).

Die somit offenbar unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die von den Angeklagten außerdem gegen den Strafausspruch, von Charles Om***** auch gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichteten Berufungen und die Beschwerde des Hilary Ok***** gegen den Widerrufsbeschluß ist damit das Oberlandesgericht Graz zuständig (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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