OGH 12Os40/23h

OGH12Os40/23h22.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Mair in der Strafsache gegen * E* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * E* und * G* gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom 27. Jänner 2023, GZ 61 Hv 51/22m‑122, sowie die Beschwerden der genannten Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00040.23H.0622.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * E* und * G* jeweils eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB (A./1./1./) sowie eines solchen nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./1./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben die Genannten

A./1./ am 6. Mai 2022 in S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannten durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) – hinsichtlich 1./1./ auch mit Gewalt gegen das Opfer – fremde bewegliche Sachen unter Verwendung einer Waffe abgenötigt oder weggenommen und zwar

1./1./ dem * H* einen Bargeldbetrag und eine Kette in nicht mehr feststellbarem Wert, indem ihn G* vom Fahrrad stieß und ihm E* mehrere Faustschläge versetzte, ihm ein 21 cm langes Fixiermesser mit spitzer Klinge an den Bauch hielt sowie ihn aufforderte „Gib alles her, was du hast und gib mir deine Kette, pass auf, ich bin nicht so einer!“, wobei die Tat beim Versuch blieb, jedoch * H* durch die ausgeübte Gewalt eine an sich schwere Körperverletzung sowie eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung erlitt, nämlich einen psychischen Schockzustand in der Dauer von einem Tag, eine posttraumatische Belastungsstörung für die Dauer von rund zwei Monaten und eine Anpassungsstörung bis zum 30. Oktober 2022, sowie

1./2./ dem * Er* einen Geldbetrag zwischen zwei und drei Euro sowie ein Mobiltelefon im Wert von rund 100 Euro, indem G* ein geschlossenes Kellnermesser mit einer Gesamtlänge von zirka zwölf Zentimeter gegen ihnrichtete und ihn aufforderte „Gib mir dein Geld!“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wenden sich die von * E* auf Z 5a und von * G* auf Z 5 und 5a jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * E*:

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel – unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen – verhindern (RIS‑Justiz RS0118780). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird durch sie nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

Indem die Rüge mit dem Hinweis auf Teile der Verantwortung des Beschwerdeführers und des * G* bloß eigene Beweiswerterwägungen zu den Aussagen der Zeugen K* und H* sowie dem von den Tatrichtern ohnedies gewürdigten Umstand, dass auf den Videoaufnahmen des Vorfalls in der Hand des Beschwerdeführers kein Gegenstand ersichtlich ist (vgl US 21 f), anstellt, wird sie den dargestellten Anforderungen nicht gerecht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * G*:

[4] Deren Behandlung ist voranzustellen, dass Waffen im Sinn des § 143 StGB nicht nur Waffen im technischen Sinn sind, sondern auch andere Mittel, die zur Verwendung als Waffe derart spezifisch geeignet sind, dass sie bezüglich Form und Wirkungsweise sowie Anwendbarkeit in einem Kampf Waffen im Sinn des Waffengesetzes gleichwertig sind (RIS‑Justiz RS0093928; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 18).

[5] Ausgehend davon leitet die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 10) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb es für die rechtsrichtige Beurteilung des bei der Tat verwendeten Kellnermessers als Waffe im Sinn des § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (US 31) erforderlich sein sollte, dass dieses in geöffnetem Zustand verwendet wurde (vgl aber RIS‑Justiz RS0094150, RS0093928 [T9, T20, T49]).

[6] Entgegen der Beschwerdekritik stehen die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter, wonach die leugnende Verantwortung (auch) des Beschwerdeführers hinsichtlich der Raubfakten durch die „überaus glaubwürdigen und übereinstimmenden Angaben der Zeugen * H* und * Er* sowie das vorliegende Überwachungsvideo widerlegt“ seien (US 18) und wonach die „konkreten Tathandlungen gegenüber * H* und * Er* [...] am Video gar nicht ersichtlich [seien], zumal sie sich außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera befinden“ (US 19) keineswegs miteinander in Widerspruch (Z 5 dritter Fall). Hat der Schöffensenat doch bei der von der Beschwerde prozessordnungswidrig außer Acht gelassenen Berücksichtigung der Erwägungen in ihrer Gesamtheit und in ihrem Sinnzusammenhang (RIS‑Justiz RS0099636) klar aufgezeigt, welche die Aussagen der Opfer stützenden Videoaufnahmen vorliegen (US 19 f).

[7] Allein mit eigenen Beweiswerterwägungen leitet der Beschwerdeführer aus der Aussage der Zeugin * P* ab, das Kleingeld sei * Er* ohne irgendein Zutun des Beschwerdeführers aus der Hosentasche gefallen, und behauptet, auf Grund seines – von ihm selbst sowie dem Zeugen H* angegebenen – Tragens eines Kopfhörers sei die Vereinbarung des Tatplans zwischen ihm und E*ausgeschlossen. Mit diesem Vorbringen zeigt er keineswegs eine offenbar unzureichende Begründung in der Bedeutung der insoweit relevierten Z 5 vierter Fall auf (dazu RIS‑Justiz RS0108609, RS0099413; siehe im Übrigen zur eingehenden Beweiswürdigung des Erstgerichts US 18 bis 26).

[8] Gleiches gilt, soweit die Rüge die Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers bei den Raubtaten als „völlig lebensfremd und unlogisch und [...] den Gesetzen logischen Denkens“ widerstreitend erachtet.

[9] Die mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers und eigenen Beweiswerterwägungen zu einem Detail der Aussage des Zeugen H* die Feststellungen zur Fassung eines gemeinsamen Raubplans (insbesondere US 10) bekämpfende Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich auf eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StGB).

[10] Soweit sie sich gegen die den Aussagen der Zeugen H* und Er* vom Erstgericht zuerkannte Glaubwürdigkeit (US 18) sowie gegen die Beurteilung der Aussagen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig (US 18 f) wendet, übersieht sie, dass die aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen und des Angeklagten einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0099419 [T2], zum Aspekt der Unvollständigkeit [Z 5 zweiter Fall] im gegebenen Zusammenhang siehe RIS‑Justiz RS0106588 [T15]).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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